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wiki:uebergang

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Übergang

Fortbewegung und Schwellen

Erwachen und Einschlafen bilden die Schwellen zwischen Bewußtsein und Traum; Geburt und Tod bilden die Schwellen (engl. threshold) zwischen Sein und Nicht-Sein. Dazwischen sind wir unterwegs. Die Fortbewegung in der Natur folgt Pfaden, führt über Berge und Flüsse, durch Wald, in Höhlen. Dabei werden die natürlichen Schwellen der Wildnis besonders wahrgenommen, etwa als:

Schwellen ermöglichen den Übergang und gliedern so den Zwischenraum - ein Unterwegs-sein ohne diese drei Komponenten ist nicht möglich und wiederholt daher immer wieder drei Schritte:

  1. das Verlassen einer (vertrauten) Zone, eines Raumes, einer Landschaft;
  2. den Aufenthalt im Zwischenraum;
  3. den Eintritt in eine (unbekannte) Zone, einen Raum, eine Landschaft.

Schwellen hemmen den Übergang, weil besonders dort dem Antrieb das Bedürfnis nach Sicherheit entgegensteht. Diesem wird durch Orientierung und den richtigen Weg entsprochen. Im Unterwegs-sein wiederholen sich daher unentwegt drei Phasen:

  1. Fortbewegung auf ein Ziel hin
  2. Innehalten (Hemmung) an der Schwelle
  3. Hoffnung im Übergang oder Umschwung zur Rückkehr

Die Schwellen sind als Übergangsbereiche (also eher liminal zones als liminal points) oft gekennzeichnet durch Steinmännchen, Wegekreuze, Gebetsfahnen, Altäre, Inschriften und erfordern traditionell bestimmte Handlungen (Übergangsriten) wie etwa einen Stein auflegen, ein Kreuzzeichen, ein Speise- oder Trankopfer für die zuständigen Reisegötter. Die indischen Tirtha (Sanskrit तीर्थ `Furt, Übergang´) haben eine geographische und eine spirituelle Bedeutung und sind zudem Pilgerorte. Ein kurzer Aufenthalt an diesen Stellen ist daher nötig, der dauernde Aufenthalt macht den Wanderer jedoch selbst zum suspekten Grenzgänger: im besten Fall als Fährmann (z.B. Charon) oder Führer (z.B. Christophorus), im schlechtesten Fall als Trickster, Wilder Jäger oder Werwolf.

Seitdem der Mensch die Natur technisch gestaltet, schafft er sich neue Übergänge:

  • Schwelle & Türsturz
  • Pforte & Tor
  • Bannkreis & Schranke
  • Steg & Brücke
  • Weggabelung & Straßenkreuzung

Erst dadurch entsteht der befriedete Raum als Heim für das Eigene mit einer Grenze zum Anderen. Sprachlich werden alle Übergänge fruchtbar als Metapher, also als Ausdruck der inneren Bewegtheit, man spricht von Schwellenangst, -erfahrung, -zauber, für die die Hüter der Schwelle & genius loci beansprucht werden wie etwa der doppelgesichtige Janus oder der Genius Cucullatus.

Der Übergang im Bild

  • Johann Wolfgang von Goethe
    Scheideblick nach Italien vom Gotthard, 1775
    Faksimile, 34,5×43,5 cm Berlin, Nationalgalerie
  • Ludwig Richter
    Die Überfahrt am Schreckenstein, um 1840
    Öl auf Leinwand, 36,7×48,4 cm Privatsammlung, Norddeutschland
  • Karl Friedrich Schinkel
    Felsentor, 1818
    Öl auf Leinwand, 74× 48 cm Berlin, Nationalgalerie

Literatur

  • Klara Löffler
    Dahinter, daneben, darüber hinaus.
    Abseits im Fokus der Europäischen Ethnologie.
    Gem. mit Judith Berkhout, Maria Takacs. In: Zeitschrift für Qualitative Forschung 10.2 (2010) 249-265 Online
  • Reuchelt E.
    Die Fernreise als Initiation.
    In: Schröder E., Frießem D.H. (eds) George Devereux zum 75. Geburtstag. Eine Festschrift. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 1984. Online
  • Saeverin, Peter F.
    Zum Begriff der Schwelle. Philosophische Untersuchung von Übergängen. Zugl.: Oldenburg, Univ., Magisterarbeit, 2002. 172 S. (= Studien zur Soziologie und Politikwissenschaft) Oldenburg Bis 2003 Online
  • Mit dem »Dazwischen« hat sich Albert Camus in seinem ersten Werk beschäftigt (L'Envers et l'endroit, 1937). Dieser Titel wurde vielfältig übersetzt als:
französisch L'Envers et l'endroit
englisch Betwixt and Between
englisch Wrong Side and Right Side
deutsch Licht und Schatten
deutsch Innen und außen
niederländisch Keer en tegenkeer
italienisch Il rovescio e il diritto
spanisch El revés y el derecho
russisch Изнанка и лицо
Iznanka i litso
wiki/uebergang.1651732930.txt.gz · Zuletzt geändert: 2022/05/05 06:42 von norbert

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