Benehmen im Ausland
»Muss ich mich anständig benehmen oder waren hier schon deutsche Touristen?« Schloss Gripsholm, Kurt Hoffmmann (R) 1963 (1:00:58) Im Drehbuch von Herbert Reinecker steht dieses Zitat, jedoch nicht in der Vorlage von Kurt Tucholsky.
Die Wendung vom »Benehmen im Ausland« umschreibt eine spezielle Form des entgrenzten Verhaltens außerhalb gewohnter Umgebungen und betrifft nahezu jeden Reisenden. Je nach Einstellung und Vorstellung vom Anderen lösen sich Verhaltensmuster auf, an der Grenze zwischen dem Einzelnen ICH und dem Fremdem. Die Ansprüche sind ja auch hoch:
- Einerseits soll man sich nicht so verhalten wie zuhause, denn: Andere Länder, andere Sitten.
- Anderseits macht man sich lächerlich, mit Turban und Burnus auf dem Kamel an den Pyramiden.
- Und einfach nur Urlaub machen mit klaren Prioritäten: Ich, Ich, Ich? Geht auch nicht (immer).
Also sucht man die zum Lebensreisestil passende und schützende Gruppe und bestätigt sich gegenseitig: Rudelradler, Kreuzfahrer, Campingplatz, Backpacker-Hostel …
Verstärkt durch die ungeschriebenen Sonderrechte von Freizeit, Urlaub, Tourismus und unter den Randbedingungen von Sonne, Strand, Meer bilden sich Stereotype und Erscheinungsformen wie Ballermann oder Helgolandisierung und Overtourism.
Subtiler und vor allem alleine entgrenzen sich »Gutmenschen« im Ausland, die einer Sendung folgen und genau wissen, was den Menschen dort draußen fehlt: Glaube, Bildung, Werte, Technik, Wirtschaft usw.
Die Deutschen fahren ins Ausland, um auch mal andere Vorurteile kennenzulernen. Richard W. B. Cormack [d.i. Gert Raeithel] Unter Deutschen. Portrait eines rätselhaften Volkes Satire. Goldmann, 1996, ISBN 978-3442430468