Winfried Breidbach
: Reise - Fahrt - Gang. Nomina der Fortbewegung in den altgermanischen Sprachen. Peter Lang 1994 Diss. KölnDies ist eine alte Version des Dokuments!
Gehen
Der Gang ist eine Form des Unterwegs-seins wie die Fahrt und die Reise.
`Gehen´ wurzelt im indogermanischen *ğhengh `schreiten, Schritt´ und bedeutete in allen germanischen Sprachen als *ganga die Fortbewegung aus eigener Kraft ohne Hilfsmittel und ist eines der 21 germanischen Nomina der Fortbewegung 1). Zusammen mit *wega als Ort der Fortbewegung und *senþa als Ziel bzw. Richtung der Fortbewegung ist es urgermanischen Ursprungs mit einem über die Zeiten unveränderten Bedeutungsgehalt. Dagegen bezeichnet `wandern´ ursprünglich ganz sachlich `einen geraden Weg zurücklegen´ mit einer Nebenbedeutung von `verändern´ im Sinne von `wandeln´ und `wenden´ als einem endlosen hin und her, vielleicht an die Erfahrung des Gehens hinter dem Pflug zwischen den Gewänden der Ackerfläche sich anlehnend so wie auch die `Fahrt´ an das Gehen in der Furche angelehnt ist, jedoch früh übertragen wird auf das Unterwegs-sein außerhalb der Gemeinschaft durch die Wildnis.
`Gehen´ dient hier als Kategorie für zahlreiche Umschreibungen (Periphrasen) der Fortbewegung zu Fuß, die sich allenfalls vordergründig durch ihre Bewegungstechnik unterscheiden, vielmehr aber durch Einstellungen und Zuordnungen geprägt sind, durch Attribute (Wanderstab, Pilgerstock, Hut, Rucksack u.a.) bezeichnet werden, manchmal Stereotypen erkennen lassen und sich hier und da mit Formen der Fußreise verbinden lassen:
- Bummeln
- Flanieren → Flaneur
- Fußwandeln 2)
- Laufen
- Lustwandeln
- Migrieren
als Form der frühen Ausbreitung des Menschen über die Erde. - Nomadisieren
- Ojle Regel sein
jüdisch-deutsche Redensart: Die jüdischen Hauptfeste Ostern, Pfingsten und Laubhütten werden auch die drei Wallfahrten (Regulim) genannt; das Wallfahren nach Jerusalem während dieser Feiertage hiess »Olje Regel«. Da „Regel“ auch Fuss bedeutet, übertrug sich die Bedeutung auch auf `Reise´. 3) - Passant
- Schreiten
- mit Stock und Hut: te voet gaan met een stok in de hand 4)
- Tippeln
Sprache des Fahrenden Volkes (Rotwelsch), der walzenden Handwerksburschen im Sinne von `weite Strecken zu Fuß gehen´, in ständiger Bewegung sein, rasch schreitend, bettelnd umherziehen; seine Zeche berappen, also bezahlen 5); eher abwertend als Tippelbruder im Sinne von Landstreicher und Tippelschickse im Sinne von Dirne der Handwerksburschen. - Traballieren
- Trott(en)
- Umherschweifen
- Wandeln
Literatur
- siehe auch Fussreisen
Karin Krohn
Hand und Fuß.
Eine kontrastive Analyse von Phraseologismen im Deutschen und Schwedischen
Acta Universitatis Gothoburgensis Göteborg 1994, 182 S.König, Johann-Günther
Zu Fuß: Eine Geschichte des Gehens.
Reclam Verlag, 2013.Mumot, André
Irrwege zum Ich.
Eine kleine Literaturgeschichte des Gehens.
294 S., Literaturverz. S. 281 - 289. Zugl. Diss. Univ. Hildesheim 2007. Marburg 2008. Darin Betrachtungen zu und über:Petrarcas
BriefFriedrich Schiller
: „Spaziergang„Adalbert Stifter
: „Hagestolz“- Bergbesteigungen als Umkreisung des Ich
- Das Mengenmenschenphänomen
Edgar Allan Poe
Thomas Bernhard
: „Am Ortler„Paul Auster
: „City of Glass“Christoph Ransmayr
: „Der fliegende Berg„.
Johann Gottfried Seume
Mein Sommer »Ich halte den Gang für das Ehrenvollste und Selbständigste in dem Manne und bin der Meinung, daß alles besser gehen würde, wenn man mehr ginge. Man kann fast überall bloß deswegen nicht recht auf die Beine kommen und auf den Beinen bleiben, weil man zuviel fährt. Wer zuviel in dem Wagen sitzt, mit dem kann es nicht ordentlich gehen«
Karl Friedrich Wilhelm Wander
Deutsches Sprichwörterlexikon
Brockhaus, Leipzig 1867–1880
J. M. Calisch
Neues, vollständiges deutsch-holländisches und holländisch-deutsches Wörterbuch …
Tielkemeijer, 1851