Inhaltsverzeichnis
Weltbild
Imago ideaque Mundi
Dass die Erde eine Scheibe sei wird als mittelalterliche Vorstellung abgetan, doch dabei ist diese Aussage selber ein Klischee ohne sachliche Grundlage und belegt damit nur, dass eingängige Plattheiten zum Fast Food des Weltverständnisses gehören. Tatsächlich genügt es darüber nachzudenken, wie sich Sonnenstand und Schattenwurf im Laufe des Jahres verändern und wie sich eine Ortsveränderung darauf auswirkt. Eratosthenes
, dritter Vorsteher der Bibliothek zu Alexandria, ermittelte um 240 vor Christus den Umfang der (kugelförmigen) Erde mit etwa 1% Genauigkeit, indem er die Strecke Assuan - Alexandria mit Hilfe eines Schattenstabes (Gnomon) und einer skalierten Halbkugelschale (Skaphe) vermaß, denn in Assuan (Wendekreis des Krebses) steht die Sonne um den 21. Juni senkrecht im Zenith und ein Gnomon wirft dort keinen Schatten, zeitgleich in Alexandria jedoch sehr wohl. In der von Alexander
gegründeten Bibliothek hinterlegte er seine Vermessungsaufzeichung.
Berger, Ernst Hugo
Die geographischen Fragmente desEratosthenes
.
Neu gesammelt, geordnet und besprochen von Dr. H. Berger. VIII, 393 S., Leipzig, 1880- Literarisch verarbeitet wurden Eratosthenes' Leistungen von
Schmidt, Arno
in: Enthymesis oder W. I. E. H. In: Arno Schmidt: Leviathan. Rowohlt, Hamburg 1949, S. 77–116.
Ein Bild der Welt aufzubauen ist anstregend, weil es Weltanschauung, also Unterwegs-sein, und Vorstellung erfordert, damit Wissen entstehen kann. Die Vorstellung allein erfindet phantastische Orte und imaginäre Reisen. Notwendigerweise wird der Erforscher der Welt zum Grenzgänger und verschiebt dabei Grenzen, verändert also seine Vorstellung von Raum, Zwischenraum und Leere. Diese Vorstellung kann zur Erzählung werden und abstrahiert etwa zum Itinerar, zum Periplus, zur Karte. Zahlreiche Ausstellungen widmeten sich diesem Thema. Der Begriff „Weltbild“ ist in den germanischen Sprachen vertraut, erscheint jedoch in den romanischen Sprachen als deutsches Lehnwort „Weltanschauung“ (span. cosmovision).
Bengtsson, Frans G., Röde Orm
Gesehenes wird Bericht wird Dichtung wird Quelle.
S. 69 ff. in:Paravicini, Werner
et al. (Hg.): Menschenbilder-Menschenbildner: Individuum und Gruppe im Blick des Historikers. 331 S. Berlin 2002: Akademie.
Es ist meist unbekannt, welcher Anteil der »Entdeckungen« originär ist und welcher Transfer des überlieferten Wissens der Einheimischen. Daran haben einheimische Führer (Dolmetscher und Interpreter) einen erheblichen Anteil. Das regional vorhandene Wissen fand seinen Weg in eine Karte und trug dadurch zu einem veränmderten Weltbild bei.
Mappae Mundi & Mundus Novus
Es sind rund tausend Weltkarten des Mittelalters aus dem Europa des 7. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts überliefert engl. early world maps, frz. planisphère, mappemondes (cartes anciennes du monde), it. planisfero, niederl. wereldkaart, lat. mappa mundi, mappae mundi), byzantinische Karten blieben nicht erhalten. Davon sind die meisten klein und illustrativ, andere symbolisieren ein Weltbild (Imago Mundi). Größere Karten mit zahlreichen Namen dienen im einfachsten Fall als Wissensspeicher oder Lehrmittel. Die wenigsten Karten, meist Großkarten, haben das Wissen ihrer Zeit systematisch gesammelt mit dem Zweck, räumlich-geografische Orientierung zu ermöglichen, siehe Kartographie. Das Weltbild und damit Karten und Globen wurden in den Jahrzehnten um 1492 jedoch so umstürzend verändert wie niemals vorher und nachher wieder. „Mappamundi“ bezeichnete neben Karten auch andere Formen der Darstellung: Diagramme, Listen, Tabellen, Beschreibungen (lat. descriptio, figura, historia, pictura, rotulus).
Von der Antike bis weit ins Mittelalter fanden sich insbesondere die Metaphern Umbilicus mundi 'Nabel der Welt' und Caput mundi 'Haupt der Welt' in Verbindung mit Kartendarstellungen:
Beat Wolf
Jerusalem und Rom, Mitte, Nabel - Zentrum, Haupt: die Metaphern „Umbilicus mundi“ und „Caput mundi“ in den Weltbildern der Antike und des Abendlands bis in die Zeit der Ebstorfer Weltkarte.
Diss. Bern, 2002. 414 S. Ill., Kt. Bern 2013: Lang. InhaltBorgolte, Michael
Christliche und muslimische Repräsentationen der Welt. Ein Versuch in transdisziplinärer Mediävistik.
S. 283–336 in: Borgolte, Michael, Lohse, Tillmann and Scheller, Benjamin. Mittelalter in der größeren Welt: Essays zur Geschichtsschreibung und Beiträge zur Forschung, München: De Gruyter (A), 2014. DOI Online
Jeder stellt sich die Welt auf eigene Art und Weise vor, gemäß einer persönlichen Weltanschauung. Ein Abbild der Welt außerhalb der Anschauung erfordert Symbole und Namen, die zur Weltkarte werden, wenn sie räumlich angeordnet sind. Die ältesten Weltkarten, die wir als solche erkennen können, entstanden in Babylon und Griechenland. Gemeinsam ist ihnen der Kreis als Horizont. Die Weltanschauung lässt sich erkennen durch den Mittelpunkt der Karte, durch die Blickrichtung, durch das Verhältnis von Land und Wasser, durch Begrenzungen, siehe:
- → Zeitleiste des Weltbildes ab etwa 600 vor Christus sowie Quellen
Literatur
Perspektiven
Andrews, M. C.
The Study and Classification of Medieval Mappaemundi.
Archaeologia 75 (1925−26), 61−76.Brincken, Anna-Dorothee von den
Die bewohnte Welt in neuen Sichtweisen zu Anfang des 13. Jahrhunderts beiGervasius von Tilbury
undJakob von Vitry
.
S. 604-624 in: Jan A. Aertsen, Andreas Speer: Geistesleben im 13. Jahrhundert. Berlin New York de Gruyter 2000Giuliana Bruno
Atlas of Emotion: Journeys in Art, Architecture, and Film.
Studies in modernity and national identity.
XI, 484 S. New York: Verso 2002. Zur Welterfahrung mittels Architektur, Reisen, Geographie, die Kunst der Kartographie und Design, Verbindungen zwischen sight & site, motion & emotion.Dix, Andreas
Karten als Quellen mittelalterlicher Welterkenntnis.
In: WeltkulturerbeN : Formen, Funktionen und Objekte kulturellen Erinnerns im und an das Mittelalter. Vorträge der Ringvorlesung des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-Friedrich-Universität Bamberg im Sommersemester 2013 / Hg. Von Andrea Schindler Und Andrea Stieldorf. Bamberg, 2015. (Bamberger Interdisziplinäre Mittelalterstudien. Vorlesungen & Vorträge; Band 6), S. 53-78. Online .Brigitte Englisch
Die Abbilder einer geordneten Schöpfung: Weltkarten und Erdorganisation im Mittelalter.
in: dieselbe: Ordo orbis terrae. Die Weltsicht in den Mappae mundi des frühen und hohen Mittelalters. Berlin 2002, S. 171 ff.Roller, Duane W.
New directions in the study of Ancient Geography.
Sarasota, Florida 2020: Association of Ancient Historians. Inhalt u.a.:- The Kozy Kosmos of Early Cosmology
Timosthenes
of Rhodes- The Politics of Cartography: Foundlings, Founders, Swashbucklers, and Epic Shields
- Tracing the Orbis terrarum from Tingentera
- Mutuo metu aut montibus: Mapping Environmental Determinism in the Germania of
Tacitus
Antje Schlottmann
,Jeannine Wintzer
Weltbildwechsel. Ideengeschichten geographischen Denkens und Handelns.
405 S. (=UTB, 5218) Bern 2019: Haupt. Inhalt Rezension von Sebastian Dorsch bei HSozKult.
Einführungen in die zahlreichen Aspekte aus der Geschichte der Geographie. Geographie nutzt zwar objektive Methoden und Messverfahren der klassischen Naturwissenschaft, verwendet sie jedoch interessegeleitet und hat daher ein zweites Standbein in den Sozialwissenschaften. Die Autorinnen versuchen den spezifischen Fallen der Geschichtsschreibung zu umgehen wie beispielsweise die Ismen Eurozentrismus und Elitarismus oder die Idee eines linearen und zielgerichteten Laufes der Geschichte oder etwa den Anspruch durch geographisches Beobachten, Messen und Analysieren zu wertneutralen und wissenschaftlichen Erklärungen eine Grundlage für Lösungen sozialer Probleme liefern zu können.
Raumvorstellungen
Max Jammer
Das Problem des Raumes. Die Entwicklung der Raumtheorien.
übers. v. Paul Wilpert: 2. erw. Aufl. Darmstadt 1980 (EA Concepts of Space 1954/1969)Alexandre Koyré
Von der geschlossenen Welt zum unendlichen Universum.
übers. v. Rolf Dornbacher, Frankfurt a.M. 1980. EA: From the Closed World to the Infinite Universe 1957Thomas S. Kuhn
The Copernican Revolution. Planetary Astronomy in the Development of Western Thought.
Cambridge/Mass. 1957, 2. Aufl. 1985Makropoulos
, M.:
Grenze und Horizont. Zwei soziale Abschlußparadigmen
In: Honegger/Hradil/Traxler (Hg.) 1999, 387 - 396Kurt A. Raaflaub
,Richard J. A. Talbert
Geography and Ethnography: Perceptions of the World in Pre-Modern Societies.
West Sussex; Malden, Mass. 2009: John Wiley & Sons, Inhalt u.a.:- Christopher Minkowski
Where the black antelope roam: dharma and human geography in India - Kim Plofker
Humans, demons, gods and their worlds: the sacred and scientific cosmologies of India - John B. Henderson
Nonary cosmography in ancient China - Michael Loewe
Knowledge of other cultures in China's early empires - Kathleen DuVal
The Mississippian peoples' worldview - Barbara E. Mundy
Aztec geography and spatial imagination - Catherine Julien
Inca worldview - Piotr Michalowski
Masters of the four corners of the heavens.
Views of the universe in early Mesopotamian writings - Susan Guettel Cole
'I know the number of the sand and the measure of the sea': Geography and difference in the early Greek world - Daniela Dueck
The geographical narrative ofStrabo of Amasia
- Richard J.A. Talbert
The Roman worldview: beyond recovery? - Adam J. Silverstein
The Medieval] Islamic worldview: Arabic geography in its historical context * Emilie Savage-Smith\\ The Book of curiosities: an [[wiki:reisegenerationen#Seit dem 11. Jahrhundert|eleventh-century Egyptian view of the lands of the infidels
- Natalia Lozovsky
Geography and ethnography in medieval Europe: classical traditions and contemporary concerns
Michael Rathmann
et al.
Geographische Kenntnisse und ihre konkreten Ausformungen.
(=Morphomata 5) München 2013: Wilhelm Fink. Inhalt:- Rathmann, Michael
Kartographie in der Antike. Überlieferte Fakten, bekannte Fragen, neue Perspektiven - Nünlist, René
Homers
Schiffskatalog - Shapiro, Alan
The Origins of Greek Geographical Personifications - Hammerstaedt, Jürgen
Geographische Raumerfassung und Weltdarstellung im Artemidorpapyrus - Freyberger, Klaus Stefan
Die Forma Urbis Romae: Funktion und Bedeutung - Kolb, Anne
Antike Straßenverzeichnisse - Wissensspeicher und Medien geographischer Raumerschließung - Schmidt, Klaus
Der älteste Stadtplan der Welt? Zu einer Wandmalerei von Çatal Höyük - Ehmcke, Franziska
Strategien der Identifizierung geographischer Orte in der traditionellen japanischen Malerei am Beispiel des Grazer Paravents mit der Darstellung Ôsakas Anfang des 17. Jahrhunderts - Leibsohn, Dana
Somewhere Between: The Primitive, the Postcolonial, and the Indigenous Maps of Central Mexico - Morke, Jan
Globen als Speicher von Wissen
Richard Stauber
Die Schedelsche Bibliothek
Freiburg 1908 (Studien und Darstellungen aus dem Gebiete der Geschichte Bd. 6, Heft 2-3)
Sphäre, Globus, Reichsapfel
- Zur Begriffsgeschichte siehe ZfL »Sphäre«
Matteo Fiorini
,Siegmund Günther
Erd- und Himmelsgloben, ihre Geschichte und Konstruktion
Leipzig 1895André Grabar
Zur Geschichte von Sphaira, Globus und Reichsapfel
Historische Zeitschrift 191 (1960) 336-348Felix Klein-Franke
Hat die Erde die Gestalt einer Kugel?
Betrachtungen zum Verhältnis des Islam im Mittelalter gegenüber den physikalischen Wissenschaften.
Le Muséon. Revue d'Études Orientales 102 (1989) S. 165-193Uta Lindgren
Warum wurde die Erde für eine Kugel gehalten? Ein Forschungsbericht.
Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 41 (1990) S. 562-574Uta Lindgren
Die Tradierung der Lehre von der Kugelgestalt der Erde von der Antike bis zur frühen Neuzeit.
in: Focus Behaim-Globus, Bd. 1: Aufsätze, Nürnberg 1992, S. 127-130O. Muris, G. Saarmann
Der Globus im Wandel der Zeiten.
Berlin 1961Martin Reuther
Entwicklung und Probleme der Globengeschichte bis zuGerhard Mercator
.
Der Globusfreund 15/16 (1966/67) S. 167-192Rudolf Simek
Die Kugelform der Erde im mittelhochdeutschen Schrifttum.
Archiv für Kulturgeschichte 70 (1988) S. 361-373Alois Schlachter
Der Globus. Seine Entstehung und Verwendung in der Antike nach den literarischen Quellen und den Darstellungen in der Kunst.
hrsg. v. F. Gisinger, Leipzig 1927 (=Stoicheia 8)