Inhaltsverzeichnis

Waldläufer

Gemeinsam ist allen Waldläufern, dass sie Einzelne in der Wildnis sind, daher auch die Waldeinsamkeit ertragen können und sich als Selbstversorger betätigen müssen, jagend oder sammelnd. Aus heutiger Sicht sind es eigensinnige Außenseiter, die die Gemeinschaft fliehen, wenn nicht gar Outlaws. Es scheint jedoch, als sei dies ein Phänomen der Neuzeit, denn »Außerhalb der Stadt gibt es nur Helden und Ungeheuer«, sagte Aristoteles vor rund 2500 Jahren, mythisch verorten dort viele Kulturen den Wilden Mann oder man of the bush.

Der angelsächsische König Wihtred (um 670-725) bestimmte, dass jemand, der sich abseits der Straße bewegt ohne sich durch Hornsignale bemerkbar zu machen, erschlagen werden durfte wie ein Dieb; im normannischen Recht stand 1306 ein Fremder, der im Wald angetroffen wurde, unter Generalverdacht und musste unter Eid schwören, dass er sich verirrt habe 1).

Dort im Wald herrschten der Graue und der Braune, denn Wolf oder Bär beim Namen zu nennen, hieße sie zu rufen. Stattdessen verbannte man soziale Outlaws 2) als Waldgangsmenschen (skóggangsmenn) beispielsweise »in den Wald von Arden« (Shakespeare) und nannte sie Vargr `Würger´, Werwolf. Eremiten im Wald wurden wegen ihres Wohnsitzes wiederholt Opfer von Outlaws 3) Die nordischen Sagas kennen allerdings auch eine Art Quest, ein zielloses Streifen durch die Wildnis 4) als Initiationsritual.

Die Landname der Wikinger, die Ostkolonisation ab dem 12. Jahrhundert und der neuzeitliche Aufbruch ab etwa 1500 brauchte Menschen mit solchen Eigenschaften und verschob die frontier hier durch den Wilden Westen, dort durch den Wilden Osten, bis sie einander an der Beringstraße begegneten: hier der Trapper, dort der Promyšlenniki, beide das Abenteuer suchend, die Freiheit von Weitem Land und Wildem Feld, die Grenzenlosigkeit, deren Abschaffung sie selbst vorbereiteten, den merchant adventurer im Gepäck.

In den nördlichen Zonen der Erde

Vargr & Struter, Leitsman & Weideman

Vargr

Die ältere Geschichte der europäischen Waldläufer und Pelzjäger ist kaum bekannt und wenig erforscht 5). Der älteste konkrete Hinweis auf auf eine Pelzhandelsroute findet sich für das frühe 6. Jahrhundert mit der Insel Vargeyjar, heute Vardøya nördlich von Kirkenes in der Barentssee 6). Die Überlieferung und der Name des Handelsortes deuten darauf hin, dass die nordischen Outlaws `vargr´ als zobeljagende Waldläufer tätig waren.

Struter

Auch die Struter waren Outlaws und wurden als gefährliche Wegelagerer, Buschräuber, -klepper bezeichnet: »er was gewesen ein boser man/ ein rouber und ein struter/ zu manslaht ein wuter« 7). Ihre Hinweise flossen in die Wegeberichte des Deutschen Ordens ein:

Leitsleute

Im preußischen Raum waren die Siedlungen des Deutschen Ordensstaates (1230 bis 1561) Inseln in der Wildnis; die Gebiete nördlich davon (Litauen) galten als Große Wildnis. Hier etablierte der Deutsche Orden ein System von Waldläufern und sammelte deren Wegeberichte. Diese Leitsleute waren überwiegend Balten, die aus ihren Herkunftsgebieten geflohen waren (»vlier«) und Raumerfahrung in der Wildnis gesammelt hatten.

Weideman

dô nam er sîne weideman, den der walt kunt was
Eneide 130,34 verfasst zwischen 1170 und 1188 von Heinrich von Veldeke 

Als älteste Bezeichnung für einen Jäger erscheint mittelhochdeutsches Weideman, der sein Weidewërc verrichtet und verweist mit Weid- auf die indogermanische Wurzel *uid- »sich Nahrung verschaffen.« Noch im frühen Mittelalter hatte jeder das Recht zu jagen, denn auf wilden Tieren kann kein Eigentumsrecht liegen 8). In den herrschaftlichen Forsten Europas seit dem Mittelalter wäre ein Pelzjäger auf eigene Rechnung jedoch als Wilderer eingestuft worden 9), daher bezeichnet der Waldläufer im deutschen Raum (westfälisch `Waldlöper´) heute das genaue Gegenteil, nämlich den Waldhüter, der polizeiliche Aufgaben im Namen seines Herrn versieht 10).

Promyšlenniki und Kosaken

Promyšlenniki `Kundige, Ausdenker, Ausfindigmacher´ 11) kamen aus dem nördlichen europäischen Teil Russlands, denn nur dort gab es »freie Bauern« mit eigener Verfassung (Mir), deren Söhne sich als Siedler oder Jäger in Richtung Sibirien aufmachen durften.
»Promueschleni sind Herumtreiber, die des Tierfangs wegen in eine Gesellschaft zusammen treten. Man könnte sie Zobeljäger oder Wildschützen nennen.« 12).

Im Russischen bedeutete im 16. Jahrhundert »frei zu leben« (вёл вольную жизнь) dasselbe wie »geflohen sein« (полевал), also auf dem freien Feld zu leben 13). Die Kosaken wurden vom Volk »freie Leute« genannt, in den Dokumenten der Regierung sind sie »Landstreicher, Diebe, Räuber, entlaufene Bauern« 14). In den südlichen Steppengebieten Russlands bildeten die Kosaken im 16. Jahrhundert eigene Gemeinschaften. Der Kosak Ermak (um 1532 bis 1585) leitete die Erschließung Sibiriens von Süden her ein.

Ähnlich wie coureur de bois und voyageurs Kanada jagend und handelnd erschlossen, stießen Zobeljäger - Kosaken und Promyšlenniki (auf eigene Rechnung arbeitende Abenteurer, Jäger, Pelzhändler) 15) - durch Sibirien 1741 bis nach Alaska vor 16) und bedienten sich einheimischer Führer (peredovščiki oder vataščiki) 17). Knapp 75% der russischen Bevölkerung in Sibirien waren im 17. Jahrhundert promyšlenniki, die meisten Einzelgänger ohne Familie. Ebenso wie bei den coureur de bois gab es zahlreiche »illegitime Verbindungen« zwischen den Promyšlenniki und den einheimischen Frauen vom Volk der Unangan auf den Aleuten 18).
Über die Kodiak-Inseln erreichten sie Alaska vor den Trappern, den Weg bereitete Vitus Bering 19).

Coureurs des bois und voyageurs

Die Besiedlung Amerikas durch Europäer führte unter anderem zu neuen Formen des individuellen Reisens in der Wildnis. Der Waldläufer (franz. coureur de bois) entstand im 17. Jahrhundert während der französischen Kolonisation des nördlichen Amerika 20); als ältester namentlich bekannter Waldläufer gilt Étienne Brûlé (1592 bis 1633) 21). Viele dieser Waldläufer sollen aus der Normandie und der Bretagne gekommen sein 22).

Die coureurs des bois werden meist als unzivilisierte Waldgangsmenschen beschrieben. Sie schufen jedoch die Voraussetzungen für den institutionalisierten Pelzhandel durch die voyageurs und lebten in der Wildnis und mit den Einheimischen; ihre gemeinsamen Nachfahren bilden heute eine eigene Bevölkerungsgruppe, die Métis. Von jenen lernten sie beispielsweise den Bau des Birkenrindenkanus und das Herstellen von Pemmikan als Grundnahrungsmittel 23).

Erst später werden Trapper weiter südlich im Raum der englischen Kolonisation Nordamerikas erwähnt; in den Rocky Mountains bezeichnet man sie als Mountain Men. Auch die Trapper lebten von der Jagd vor der frontier, doch eher im Konflikt mit den Einheimischen, und schufen die Voraussetzungen für die Landnahme durch die Pioniere des Westens.

Trapper

»Es ist hier der Ort, ein Bild der beiden Jäger zu entwerfen, dessen Zeichnung 
wir bisher haben aufschieben müssen. Der Erste von Beiden trug einen Anzug, 
der zugleich an den Indianer und an den Weißen erinnerte. Sein Kopf war mit einer 
Mütze aus Fuchspelz in Form eines abgestumpften Kegels bedeckt.
Ein baumwollenes, blau gestreiftes Hemde bedeckte seine Schultern; 
neben ihm auf der Erde lag eine Art Ueberrock aus einer wollenen Decke verfertigt. 
Seine Beine waren nach Indianer-Weise durch lederne Gamaschen geschützt. 
Statt der Mocassins jedoch trug er eisenbeschlagene Schuhe von einer Stärke, 
daß sie zwei Jahre hindurch aushalten konnten.
Ein sorgfältig glattgeschabtes Büffelhorn hing quer über seinen Schultern und 
enthielt sein Pulver, während in einem ledernen Beutel, der an der andern Seite hing, 
ein reichlicher Vorrat bleierner Kugeln war. Endlich wurde sein Jagdgerät noch 
durch eine neben ihm liegende Büchse mit langem Lauf und durch ein Jagdmesser, 
das in einem Wehrgehänge oder vielmehr in einem wollenen, vielfarbigen Gürtel stak, 
vervollständigt. An dem sonderbaren Anzug wie auch an den gigantischen Wuchse 
konnte man in ihm Einen von den kühnen Jägern,
den Abkömmlingen der ersten Normannen in Canada, erkennen...«

Gabriel Ferry [= Eugène Louis Gabriel Ferry de Bellemare]
Der Waldläufer: Scenen aus dem mexicanischen Waldleben.
Aus dem Französischen von Georg Füllner. Halle 1851: Knapp, S. 84-85

Als literarischer Urtyp des Waldläufers gilt die Figur des Nathaniel »Natty« Bumpoo von James Fenimore Cooper (1789 bis 1851), die dieser in fünf Romanen (»Leatherstocking Tales«) ausmalte: The Pioneers 1823, The Last of the Mohicans 1826, The Prairie 1827, The Pathfinder 1840, The Deerslayer 1841. Natty führte darin die Beinamen Lederstrumpf, Falkenauge, Lange Büchse (La Longue Carabine), Pfadfinder, Wildtöter. Dieser Typus wird im Deutschen als Trapper 24) bezeichnet, während das Englische unter trapper den Fallensteller im engsten Sinne verwendet. Auch Cooper selbst verwendet trapper nur in The Prairie. Danach wurde der Waldläufer zur beispielhaften Figur auch außerhalb der Werke Coopers.

Die literarische Figur trägt Züge verschiedener historisch bezeugter Waldläufer, so etwa von Johann Adam Hartmann (1748 bis 1836) aus Edenkoben in der Pfalz 25), Robert Rogers (1731 bis 1795), Daniel Boone (1734 bis 1820) 26), David Shipman (1730 – 1813) 27), Thomas Leffingwell (1624 - 1714) 28). Ferrys und Coopers Beschreibungen zeichnen den Waldläufer als jemanden, der die Kulturen zwar verbindet, jedoch nirgends richtig dazugehört. Im deutschen Sprachraum verbreitet Karl May das Bild des Waldläufers und bezieht sich weniger auf Augenschein als auf das Genre der Kolportageromane 29) und Landschaftsschilderungen aus Petermanns Mitteilungen 30).

Kritisch wurde das bereits 1860 bewertet:
»Die biedern, grünen Wald-Menschen, die romantischen Ober- und Unterförster, die an Natur-Wüchsigkeit, an Kraft und Unschuld, an rauher Rinde und süßem Saft, mit ihren Birken, Fichten und Eichen wetteiferten, existiren nur in der Stadt-Phantasie. …
Es ist schade um Geßner's Schäfer, um die Natur-Menschen von August Lafontaine, um den Huronen von Voltaire, um Paul und Virginie 31), um Atala und den alten Chaktas 32), um Inkel und Yarito 33), um Gumal und Lina, um Rousseau's Natur-Religion und Natur-Pädagogie, um Tom Jones 34), Random 35) und Peregrine Pickle 36), um Gil Blas 37), um all' die romantisch-natürlichen Bummler und Taugenichtse, um die transatlantischen Lederstrümpfe, die Hinterwäldler, die Pionire des nordamerikanischen Westens und ihre Naturphilosophie; - um Defoe's und Campe's Robinson, welchen Letztern die wüste Insel und der wilde Freitag zum Sonntagsmenschen erzog. Es ist schade um die Insel Felsenburg, wo die Affen zu Menschen und die Menschen zu sittlichen und gescheuten Affen dressirt werden: Aber »es thut's halt nimmermehr«; und es wird wohl nächstens mit den poetischen wie ästhetischen Dorfgeschichten zu Ende sein, weil auch die Romantik von mehr Prozenten Wahrheit als Lüge leben muß.« 38)

In den südlichen Zonen der Erde

Konquistadoren

Die Konquistadoren Lateinamerikas waren merchant adventurers allenfalls im Sinne von erobern und rauben; Assimilation mit den Einheimischen und Siedeltätigkeiten auf dem Land gingen nicht von ihnen aus. Wer die Mestizen zeugte, die bereits 1543 in Mexiko als eigene Volksgruppe eingestuft wurden, ist nicht bekannt:

Erhalten ist auch der Bericht eines jungen Spaniers (Pedro Gobeo de Victoria, um 1560 – um 1630), der durch Schiffbruch zum Waldläufer in Ecuador, Peru-Panama wurde, weil er schließlich in ein jesuitisches Kloster kam und dort seine Geschichte niederschrieb, die jedoch nur deutsch und lateinisch erhalten blieb:

Jäger und Trekboeren

Im südlichen Afrika zeugen Oorlam, Baster und Griqua als Volksgruppen bereits im 17. Jahrhundert davon, dass Weiße schon lange im bush aktiv waren, doch ist über diese wenig bekannt.

Bekannt ist, dass bei den häufigen Schiffbrüchen am Kap immer wieder Seeleute überlebten. Vermutlich wird es auch Deserteure gegeben haben oder ausgesetzte Seeleute. 1611 finden sich erste Hinweise darauf, dass Weiße am Kap lebten. Mehrere Anekdoten ranken sich um Coree (ca. 1580–1626?), einen Khoi-Khoi-Anführer, Händler und der früheste Indigene, dessen Name schriftlich überliefert ist. Coree war 1613–1614 in London, lernte Englisch und wurde befragt. In den folgenden Jahren sind weitere Begegnung am Kap mit ihm dokumentiert, die unterschiedlich verliefen. 39)

Analog zum Vorgehen bei der Expansion entlang der afrikanischen Küste seit dem 14. Jahrhundert dürfte die unbewohnte und dem Kap vorgelagerte Insel Robben Island ein bevorzugter Anlaufpunkt gewesen sein, der Sicherheit bot, Nahrung und je nach Jahreszeit auch Wasser.

Erst die Havarie der Haarlem 1647 leitete die Gründung der Niederlassung der niederländischen VOC ein. Im März 1647 lief das niederländische Schiff Nieuwe Haerlem (später nur noch Haerlem) als Teil der Rückkehrflotte in die Tafelbucht ein. Ein einsetzender Sturm trieb das Schiff Richtung Bloubergstrand auf Grund. Die Besatzung rettete sich an Land. Vizeadmiral Reijnier van't Zum beschloss, mit den beiden verbleibenden niederländischen Schiffen abzureisen, während der zweite Steuermann Leendert Janszen und sein Stellvertreter Matthys Proot mit 60 Besatzungsmitgliedern zurückblieb mit der Aufgabe die Ladung zu bewachen, bis die Flotte im kommenden Jahr wiederkommen würde. An einem Ort mit Trinkwasser, den sie Sandenburg nannten, bauten sie eine provisorische Festung. Sie gingen fischen, jagten Wild und holten Pinguineier von Robben Island. Außerdem wurde ein Gemüsegarten angelegt. Mit den Strandlopern, einem San-Volk, hielten sie freundlichen Kontakt. Im März 1648 erreichte die Rückkehrflotte von zwölf Schiffen unter dem Kommando von Wollebrant Geleijnssen das Kap und blieb 18 Tage vor Ort. 40)
An Bord der Coninck van Polen befand sich ein junger Kaufmann namens Jan van Riebeeck, der sich die Örtlichkeiten genau anschaute. Normalerweise diente St. Helena als Nachschubbasis, dort wurden wilde Schweine gejagt, die aber in den Vorjahren durch freigelassene Hunde ausgerottet worden waren. Zurück in den Niederlanden berichteten Janszen und Proot 41) auf Anfrage der VOC über die Eignung von Table Bay als VOC-Stützpunkt. 1650 wurde entschieden am Kap einen Verpflegungsposten einzurichten. Als Matthys Proot diesen Auftrag ablehnte, wurde Jan van Riebeeck 1651 zum „Opperhoofd“ ernannt, er verließt die Niederlande im Dezember 1651, ohne dass dieses Vorkommnis besondere Aufmerksamkeit erregte.

Jan van Riebeeck, der 1652 mit 90 Siedlern am Kap der Guten Hoffnung die erste Siedlung auf Dauer gründete, erließ bereits 1654 eine Vorschrift (order), die die Jagd beschränkte und den Tierbestand schützen sollte (wildlife law); 1658 wurde der Handel mit Elfenbein zugunsten der VOC monopolisiert. Daraus ließe sich auf die Anwesenheit zahlreicher Jäger über die wenigen Siedler hinaus schließen. Jedenfalls gab es 1775 keine Elefanten mehr südlich des Olifants Rivers bei den Cederbergen.

Literatur zu Schiffsuntergängen und Überlebenden

Literatur zu Jagd und Siedlung

Bushranger, Overlander und Drover

Australien und Sibirien sind verbunden durch die Funktion des Straflagers; entflohene Sträflinge, die bushranger frühestens ab 1788, wurden daher zu den ersten »Waldläufern« außerhalb der Siedlungen. Zwischen 1788 und 1868 wurden 160.000 Gefangene aus Großbritannien nach Australien verschifft.
Australien und die nordamerikanischen Prärien sind verbunden durch die Nutzung als Weideflächen für große Viehherden; der australische Drover entspricht dem amerikanischen Cowboy; typisch australisch ist allerdings der Overlander vor 1837, der sich zwar als Drover betätigte, jedoch unternehmerisch im Outback tätig war.

Im pazifischen Raum findet sich das Äquivalent zum Waldläufer Anfang des 19. Jahrhunderts in den Beachcombers, die mit den Waldläufern dieselben Merkmale teilen.

Merkmale der Waldläufer

MacKenzie 47) stellte die These auf, dass europäische Siedlung die nutzenorientierte Jagd auf Wildtiere voraussetzte: zunächst als Nahrungsquelle (Wildbret), dann zum Schutz des Viehs (Raubtiere) und als Nahrungskonkurrenten des Viehbestandes (Pflanzenfresser) sowie schließlich zur Erwerbstätigkeit (Felle, Elfenbein, Geweihe). Die sportliche Jagd auf wilde Tiere (engl. game) und die naturkundliche Jagd haben andere Beweggründe. Der gemeinsame Raum, in dem die Interessen der Jäger und der Siedler gleichzeitig praktiziert werden können, zeichnet sich also aus durch den Bestand an Wildtieren und an siedelbarem Grund und Boden sowie durch die Abwesenheit von Besitzansprüchen. Indigene und gemeinsame Nachkommen mit diesen (»Mischlinge«) teilten diesen Raum. Händler und Missionare verbanden diesen Raum mit der Herkunftsgesellschaft.

Die Pelzjäger lebten in erster Linie vom Fallenstellen (engl. trap) und jagten Bären, Biber, Zobel. Pelztiere leben dort, wo es kalt ist, also wurden Pelze (engl. fur, franz. fourrures) zum »weichen Gold« der borealen Gebiete Amerikas (Alaska, Kanada) 48), Europas (Fenno-Skandinavien) und Asiens (Sibirien). Fast überall auf der Nordhalbkugel, wo Europäer in die Wildnis vordrangen, scheinen drei Stufen erkennbar:

  1. Eine assimilative Phase: Der halbwilde Waldläufertypus, dem das Leben in der Wildnis zur zweiten Natur wird und der mit den Einheimischen lebt, also Werte seiner Herkunftsgesellschaft aufgibt mit Nachfahren aus beiden Kulturen wie etwa die Métis in Nordamerika.
  2. Eine konnektive Phase mit einem Waldläufertypus als merchant adventurer, der in seiner Herkunftsgesellschaft verankert bleibt, aber den maximalen wirtschaftlichen Nutzen anstrebt, indem er beide Welten verbindet. Diese Phase setzt Handelsgesellschaften voraus, die den Warenstrom über Stationen organisierten.
  3. Eine akkomodative Phase, in der Viehtrecks die Wege-Infrastruktur vorgaben und es damit Siedlern ermöglichten die Wildnis zu besiedeln, dabei die frontier verschiebend, jedoch die Verbindung zur Herkunftsgesellschaft erhaltend. Der Waldläufer hatte dort keinen Platz mehr.

Weiße Indianer

Raum-Zeit-Figurenraster

Abenteurer
Outlaw
ab etwa merchant
adventurer
Siedler ab etwa Nachkommen
Nord-atlantik Vargr
Skoggangsmenn
6. Jh.
9. Jh.
Drengir landnams-
man
983
Austrvegr Waergenga 10.Jh. Waräger Waräger Rus
Germania Slavica Weidemann
Wildschütz
Lokator 49) Grenzbauern 1124
Latein-amerika 1510 Konquistador Mestizen
Sibirien Kosaken 1581 Promyšlenniki Staatsbauern 1697
Kanada Coureur de bois 1610 Voyageur Acadiens &
Canadiens
Mitte 17.Jh. Métis, engl. half breeds, franz. bois-brûlés)
Südafrika Jäger 1647 Großwildjäger Kapkolonie
Trekboere
Voortrekker
1652
1740
1835
Baster
Griqua
Nord-amerika Trapper 18.Jh. Fur trader
ab 1812
Cowboy &
Farmer
Ende 17.Jh. Halbindianer
Australien Bushranger >1788 Overlander
um 1837
Drover &
Squatter
1825
Ozeanien Beachcomber <1840 Beachcomber [Missionare] >1820

Querverweise

Road Movie

Titel Deutsch Regie Jahr Darsteller
The Big Trail Der große Treck Raoul Walsh USA 1930 John Wayne
Across the Wide Missouri Colorado William A. Wellman USA 1951 Clark Gable
The Big Sky Der weite Himmel Howard Hawks USA 1952 Kirk Douglas
Davy Crockett
King of the Wild Frontier
Norman Foster USA 1955 Fess Parker
The Trap Wie ein Schrei im Wind Sidney Hayers CA 1966 Rita Tushingham
Oliver Reed
Man in the wilderness Ein Mann in der Wildnis Richard C. Sarafian GB 1971 Richard Harris
John Huston
Jeremiah Johnson Sydney Pollack USA 1972 Robert Redford
The White Buffalo Der weiße Büffel Jack Lee Thompson USA 1977Charles Bronson
The Mountain Men Duell am Wind River Richard Lang USA 1980 Charlton Heston
Death Hunt Ein Mann wird zur Bestie Peter Hunt USA 1981 Charles Bronson
Lee Marvin
Arctic Blue Peter Masterson USA 1993 Rutger Hauer
The Edge Auf Messers Schneide
Rivalen am Abgrund
Lee Tamahori USA 1997 Anthony Hopkins
Alec Baldwin
Le Dernier Trappeur Der letzte Trapper Nicolas Vanier F 2004 Norman Winther
The Revenant Der Rückkehrer Alejandro G. Iñárritu USA 2015 Leonardo DiCaprio

Literatur

→ Frauen unterwegs in Amerika
→ Frauen unterwegs: Auswanderung & Kolonien

Literatur zu Trappern und Mountain Men

Literatur zum Pelzhandel

1)
Reuter, Timothy
Die Unsicherheit auf den Strassen im europäischen Früh- und Hochmittelalter: Täter, Opfer und ihre mittelalterlichen und modernen Betrachter.
S. 169-201 in: Träger und Instrumentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter. Konstanz 1996: Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte
2)
norwegisch/isländisch útlegð, útlægr, ags. útlega, útlah
3)
Jacques Le Goff
Le Desert-­forêt dans l'Occident medievale.
S. 59-75 in: Le Goff, Jacques: L'imaginaire médiéval. Essais. Paris 1991: Gallimard.
4)
John McKinnell
The context of Volundarkvita
in: Saga Book XXIII, Viking Society London, S. 17
5)
Richard Hennig
Der Nordeuropäische Pelzhandel in den älteren Perioden der Geschichte
Vierteljahrschrift Für Sozial- Und Wirtschaftsgeschichte, 23 (1930) 1, 1–25
6)
Norbert Wagner
Die Wolfsinseln bei Jordanes: Eine Station auf einer Pelzhandelsroute des frühen 6. Jahrhunderts?
Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 103, 2 (1974) 73-80
Wagner nimmt die einheimischen Samojeden als Lieferanten der Zobelfelle an.
7)
struter, m.“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=S53227>, abgerufen am 25.06.2022. und unter strut (v.): »der altgermanische rechtsbegriff der strudis legitima d. i. wegnahme der fahrenden habe des schuldigen rechtsalterth.4 2, 504«
strûtære, stm.“, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch von Matthias Lexer, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/Lexer?lemid=S08393>, abgerufen am 25.06.2022
8)
Wilderei ist laut StGB § 292 kein Diebstahl, sondern eine »Straftat gegen das Vermögen und gegen Gemeinschaftswerte«
9)
Wickham, Chris
European forests in the early Middle Ages: landscape and land clearance.
S.479-545 in: L'Ambiente Vegetale Nell'alto Medioevo. Spoleto 1990;
S. 155-200 in: Land and power. London 1994
10)
„weideman, stm.“, Mittelhochdeutsches Wörterbuch von Benecke, Müller, Zarncke, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/BMZ?lemid=M00417>, abgerufen am 26.06.2022. Die Begriffe Leitsmann und Weidemann haben sich als Familiennanme erhalten.
„waldläufer, m.“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=W04041>, abgerufen am 19.04.2021
11)
Scurla, Herbert
Jenseits des Steinernen Tores erlin Verlag der Nation 1973, S. 613, zitiert Erman.
12)
Fischer, Johann Eberhard
Sibirische Geschichte von der Entdekkung Sibiriens bis auf die Eroberung dieses Lands durch die russische Waffen, in den Versamlungen der Akademie der Wissenschaften vorgelesen.
St. Petersburg, 1768. Fußnote mit Verweis auf V. I.2 Cap. 1 §1
13)
Skrynnikov, R. G.
Ermak: kniga dli︠a︡ uchashchikhsi︠a︡ starshikh klassov. Moskva 1992: Prosveshchenie
14)
Semjonow, Jurij N.
Sibirien Eroberung und Erschliessung der wirtschaftlichen Schatzkammer des Ostens
Berlin Ullstein 1954, S. 59
15)
промыслы, Promuischl, Promuischlenniks
16)
Kohl, J. G.
Die natürlichen Lockmittel des Völker-Verkehrs:
Bemerkungen über die wichtigsten rohen Naturprodukte, welche die Ausbreitung des Menschengeschlechts über den Erdboden gefördert … und in der Geschichte der Geographie eine hervorragende Rolle gespielt haben.
Bremen 1878: Müller, S. 316
Hannes Theinhardt
Vielfalt in der Autokratie: Die Jagd in Russland
In Hofjagd, Weidwerk, Wilderei. 2015 Leiden, Niederlande: Ferdinand Schöningh. doi: https://doi.org/10.30965/9783657782581_005
17)
Fedot Grigorʹevič Safronov
Russkie promysly i torgi na severo-vostoke Azii v XVII-seredine XIX
v. Moskva 1980: Izd-vo „Nauka“. Review
18)
Kenneth N. Owens
Empire Maker: Aleksandr Baranov and Russian colonial expansion into Alaska and Northern California.
University of Washington Press 2017
Mary E. Wheeler
The Origins of the Russian-American Company
Jahrbücher Für Geschichte Osteuropas, Neue Folge 14 (1966) 4, 485-94
beschreibt ausführlich die Aufgaben der Promyshlenniki.
Basil Dmytryshyn
Russian Expansion to the Pacific, 1580-1700
A Historiographical Review, in: Surabu kenkyû (Slavic Studies), Sapporo, vol. 25, 1980
setzt Promyshlenniki mit Trappern gleich und betrachtet die Kolonisierung des Wilden Ostens als analog zu der des Wilden Westens, beiden gingen zunächst Individualisten voran, beide wurden vom Versprechen der Freiheit gelockt.
»Ähnlich wie die Juden, die Zigeuner oder der tungusische Nomade war auch der bäuerliche Vagant im Russischen Reich sozial ausgrenzt, lebte er in Sibirien - weitgehend der staatlichen Ordnung entzogen - im Niemandsland. … Sibirien war der Inbegriff sozialer Mobilität…«, S. 85 in:
Eva-Maria Stolberg
Sibirien – Russlands “Wilder Osten”
Mythos und soziale Realität im 19. und 20. Jahrhundert.
PD Dr. Habilitationsschrift Bonn 2006, Bibliographie 873 - 929.
hier: Grenzbetrachtungen über Wildnis und Zivilisation 69-98
László Vajda
Untersuchungen zur Geschichte der Hirtenkulturen
Bd. 1 Harrassowitz Wiesbaden 1968
Zur Rolle der P. bei Jagd, Pelzhandel und Kolonisation in Sibirien
Egon Georg Freiherr von Kapherr
Die Ansiedler in Sibirien; eine Hinterwäldlergeschichte von Menschen, Bären und anderem Getier
E. Haberland Leipzig 1923
19)
Louis L. Hammerich
The Russian Stratum in Alaskan Eskimo.
WORD 10.4 (1954) 401-428. Online.
Portal, Roger
Les Russes en Sibérie au XVIIe Siècle.
Revue d’histoire Moderne et Contemporaine 5.1 (1958) 5–38.
Sehr guter Übersichtsbeitrag mit einleitender kommentierter Bibliographie. Online .
20)
Jablonski, J. T.
Nouveau dictionnaire françois-allemand, contenant tous les mots les plus connus et usités de la langue françoise, ses expressions propres, figurées, proverbiales et burlesques, avec les termes du commerce, des arts et des sciences: Le tout tiré des áuteurs les plus aprouvés et ci-devant composé sur le modole des dictionnaires les plus nouveaux, par Pierre Rondeau.
Bale 1739: Veuve de J.C. de Mechel
21)
Gail Douglas
Étienne Brûlé: The Mysterious Life and Times of An Early Canadian Legend
2003 Canmore, Alberta: Altitude Publishing Canada, 141 p. ISBN 1-55153-961-6
22)
Geographisches Handbuch zu Andree's Handatlas: mit besonderer Berücksichtigung der kommerziellen, statistischen und politischen Verhältnisse. 1882 Velhagen & Klasing. S. 452
23)
Georg Hartwig
Der hohe Norden im Natur- und Menschenleben.
Mit 8 Bildern. Wiesbaden 1871: Bischkopff.
Mit ausführlicher Beschreibung der Lebensweise von Waldläufern, Birkenrindenkanoes, Pelztierhandel, Voyageurs in Kapitel 24
24)
„trapper“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=T08069>, abgerufen am 19.04.2021
25)
Carl Suesser
War Lederstrumpf ein Deutscher?
In: Westermanns Monatshefte. Illustrierte Deutsche Zeitschrift. Braunschweig: G. Westermann, Mai 1934, S. 245–249
Alfred H. Kuby
Johann Adam Hartmann - Der Lederstrumpf vom Mohawktal
In: Roland Paul (Hrsg.): 300 Jahre Pfälzer in Amerika. Pfälzische Verlagsanstalt, 1983, S. 155–157
26)
Meredith Mason Brown
Frontiersman: Daniel Boone and the Making of America.
Louisiana State University, Baton Rouge 2013, ISBN 978-0-8071-5445-8.
27)
A. Taylor
William Cooper's town:
Power and persuasion on the frontier of the early American republic. New York 1997: Random House
28)
Russell L. Mahan
Thomas Leffingwell: The Connecticut Pioneer Who Rescued Chief Uncas and the Mohegans.
Santa Clara, Utah 2018: Historical Enterprises
29)
Koch, E.
Karl Mays Väter
Die Deutschen im Wilden Westen.
Husum Hansa-Verlag 1982. Literaturverz. S. 245 - 251
30)
Sebastian Lentz, Ferjan Ormeling (Hrsg.)
Die Verräumlichung des Welt-Bildes
Petermanns Geographische Mitteilungen zwischen „explorativer Geographie“ und der „Vermessenheit“ europäischer Raumphantasien
(= Friedenstein-Forschungen. Bd. 2). Steiner, Stuttgart 2008
31)
Jacques Henri Bernardin de Saint-Pierre (173 - 1814) Paul et Virginie 1788
32)
François-René de Chateaubriand (1768–1848) Atala. 1801. In der romantischen Novelle ist Atala eine junge christliche Halbindianerin, während Chaktas ein Indianer aus dem Roman Rene ist, der Atala liebt.
33)
Salomon Gessner: Inkel und Yariko 1756
34)
Henry Fielding (1707 - 1754) The History of Tom Jones, a Foundling. Roman 1749
35)
Tobias George Smollett (1721 - 1771): The Adventures of Roderick Random 1748 [ein pikaresker Roman]
36)
Tobias George Smollett (1721 - 1771): Peregrine Pickle and his adventures 4 Bde. 1751
37)
Alain-René Lesage (1668 - 1747) Histoire de Gil Blas de Santillane 4 Bde. 1715 - 1735 [ein pikaresker Roman]
38)
Goltz, Bogumil
Typen der Gesellschaft.
Bd. 1 Grünberg 1860: Levysohn S. 14; Berlin : Druck und Verlag von Otto Janke S. 10
39)
Verwey, E. J.; Sonderling, Nelly E.
New dictionary of South African biography.
Pretoria 1995: HSRC Publishers. Online
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Bruno E. J. S. Werz
The Wreck of the Dutch East India Company Ship Haarlem in Table Bay, 1647, and the Establishment of the ‘Tavern of the Seas’.
The Mariner's Mirror, 103.4 (2017) 400-416, DOI pdf
41)
Remonstranz“ vom 26. Juli 1649
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Ernst Otto Hopp
Bundesstaat und Bundeskrieg in Nordamerika: Mit einem Abriss der Colonialgeschichte als Einleitung
Bd. 4 Teil 4, Berlin 1886: G. Grote, S. 131: Die Waldläufer
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The French half-breeds of the Northwest
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Mixed blood traders, interpreters, frontiersmen with Native Americans : name compendium and genealogical resource guide
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Geschichte der Geographie von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart
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Das ancien régime in Canada
Stuttgart Auerbach 1876. »Die Waldläufer« im Kapitel 17 Handel und Industrie
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Empire of Nature. Hunting, Conservation and British Imperialism
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Pelsværkshandelen i Nordamerika
Geografisk Tidsskrift, Bind 23 (1915 - 1916) The Royal Danish Geographical Society.
49)
Rattenfänger von Hameln