Johann Jakob Redinger
Spielschule oder Lebendiger Künsten-Kreis: Das ist Schawspielige Übung Der Sprachen- und Sachen-Thür.
S. 323 Hanau 1659: Jacob Lasché
Fuhrwerke entlasteten den Menschen vom Gepäck und ermöglichten den Transport größerer Lasten als dies zuvor mit dem Lasttier möglich war. Lastentransport kam vor Personentransport und das vom Menschen gezogene oder geschobene Fuhrwerk vor dem Zugtier. Der Mensch hatte für sich als Gepäckträger bereits umfassende Tragetechniken entwickelt, die an Zugtiere und Wagenladung angepasst wurden. Ein deutsch-lateinisches Lehrwerk lässt 1659 einen Fuhrmann die »Fährgatungen« erklären:
»ein fahr die nur geschlept wird durch schneweg wird genenennet Schlitten (lat. traha);
welche auf rådern ein råderfahr (curriculum);
es sei gedan einrådicht (unirotum) schiebkarr (pabo);
oder zwei rådericht (birotum) ein karr (carrus) und benne (benna);
oder vierråderig (quadrirote) ein wagen (currus) deßen widerum mancherlei gatungen.
Dan große läste wird auff dem lastwagen (plaustro) geführt;
rauhe auf dem sterzwagen;
die leuth selbst auff dem reitwagen (rheda);
welcher leicht ein rollwagen (essedum > Streitwagen) ist;
halb eine kutsch (cisium);
mit breter fug bedekt ein dekwagen (arcera);
ein hangender kobelwagen (carpentum);
mit einer wollüstigen deke über das ein himmelwagen (pilentum).« 1)
Der Wagen ist das konstruktiv aufwendigste Fuhrwerk im Vergleich mit Schleife, Schlitten, Karren. Die Schleife als ältestes Fuhrwerk bestand lediglich aus zwei Ästen, Querstreben und Bespannung. Selbst der einfachste Schlitten benötigte neben den geformten Kufen auch Schlittenbeine, Längslatten, Verstrebungen, Joche als Querstreben, Zuglatten zur Lastübertragung. Weitaus mehr erfordert der Bau eines Wagens zahlreiche Systemteile, ausgefeilte Materialkunde und fertigungstechnische Genauigkeit und führte zum Beruf des Stellmachers als Wagenbauer. Schematisch vereinfacht bestehen Wagen aus 2):
Zugvorrichtung | Vorderwagen | Hinterwagen | Aufbau |
---|---|---|---|
Mittel- oder Gabeldeichsel | Achse Achsenfutter | Achse Achsenfutter | Langbaum Reibnagel Querholz |
Zugwaage | Drehschemel | starr | |
Geschirr Kummet | Räder: Nabe Speichen Felgen Eisenreif | Räder: Nabe Speichen Felgen Eisenreif | Leiterwagen Brückenwagen Fasswagen u.a. |
Bremsen |
Die Straßenverkehrsordnung nimmt dazu Stellung in §34.2:
»Die Bespannung zweispänniger Fuhrwerke, die (nur) eine Deichsel (in der Mitte) haben, mit nur einem Zugtier ist unzulässig, wenn die sichere und schnelle Einwirkung des Gespannführers auf die Lenkung des Fuhrwerks nicht gewährleistet ist; dies kann durch Anspannung mit Kumtgeschirr oder mit Sielen mit Schwanzriemen oder Hinterzeug, durch Straffung der Steuerkette und ähnliche Mittel erreicht werden. Unzulässig ist die Anspannung an den Enden der beiden Ortscheite (Schwengel) der Bracke (Waage) oder nur an einem Ortscheit der Bracke, wenn diese nicht mit einer Kette oder dergleichen festgelegt ist. Bei Pferden ist die Verwendung sogenannter Zupfleinen (Stoßzügel) unzulässig.«
Die Entwicklung des Automobils setzt ideengeschichtlich an den technischen Möglichkeiten vorhandener Entwicklungen an, also: Kutschen, Karren, Dampfmaschine, Eisenbahn, Fahrrad, erforderte jedoch für die einzelnen Bauteile völlig neue Entwicklungen.
Burri, Monika
Christoph Maria Merki
Eichberg, Henning
Die ältesten Funde von Wagenteilen und Zeichnungen von Wagen sowie Tonmodelle von Wagen finden sich um 3.500 vor Christus im nordwestlichen Europa, so etwa Räderspuren in einem Grab in Flintbek, Schleswig-Holstein. Zweirädrige Wagen mit kleinen Rädern um 50 cm Durchmesser wurden in bergigen Gebieten verwendet, vierrädrige Wagen mit großen Räden bis 80 cm Durchmesser in Steppengebieten. Technische Vorläufer waren Schlitten, die auf ein Fahrwerk mit Rädern gestellt wurden oder Stangenschleifen als Dreieckswagen auf zwei Rädern 3), die eventuell bereits früher verwendet wurden (3.700 v. Chr. )
Innerhalb von rund 300 Jahren verbreitete sich der Wagenbau rasant, wobei mit jedem Verbreitungsschritt Änderungen und Verbesserungen zu beobachten sind 4). Auch in den beiden anderen Zentren der Nutzung - in den russischen Steppen zwischen Karpaten und Kaukasus sowie zwischen Levante und Mesopotamien - diente das Rind als Zugtier; die Rinderhaltung ist in Argissa-Magula in Thessalien erstmals belegt.
Da sich viele Begriffe für Wagenbestandteile (Achse 5), Deichsel, Joch, Pflug, Rad 6) und Wagen) in fast allen indogermanischen Sprachen auf gleiche Wurzeln zurückführen lassen, datiert man das gemeinsame Urindogermanische auf denselben Zeitraum.
Der Wagenbau ist Teil der neolithischen Revolution: um 7.000 vor Christus begann der Ackerbau in Europa, gegen 3.000 war er überall in Europa verbreitet. Und er ist Teil der Steinzeit, denn die Bronzezeit begann in Europa erst um 2.200 vor Christus. Das Pferd kommt als Zugtier erst nach Erfindung des leichten zweirädrigen Streitwagens in Frage, und wurde um 2300 vor Christus in der Levante erstmals eingesetzt.
Der Hund ist das älteste *Zugtier, das der Mensch nutzte, entweder für eine Stangenschleife oder für den Schlitten. Die Domestikation des Hundes war bereits in der Jungsteinzeit vollzogen, lange bevor der Mensch seßhaft wurde und Ackerbau betrieb, und erfolgte in Mitteleuropa 7).
Jede Domestizierung veränderte auch den Menschen. Der Hund wurde Wächter und half beim Jagen. Wer Ziegen hält, muss den Beruf des Hirten erfinden. Der Esel ermöglicht es, Karren ziehen zu lassen und erweitert den Bewegungsradius. Mit dem Rind kamen Pflug und Wagen, aber auch die soziale Hierarchisierung. Mit dem Pferd und der Erfindung von Speichenrädern wurde der Streitwagen möglich, Kriege veränderten sich. Und mit dem Kamel ließen sich die Trockengebiete vom Atlantik bis nach Zentralasien erschließen 8). Dabei musste man das Zaumzeug erfinden, Packtaschen, Sättel, Zuggeschirr, das Joch und natürlich lernen mit den Tieren richtig umzugehen.
Die ältesten (Hirten-)götter der indogermanischen Völker nutzen jedoch Ziegenwagen: Hermes, Merkur, Pan u.a. 9) Es dürfte also eine archäologisch bisher nicht nachgewiesene Phase mit leichten zweirädrigen Wagen gegeben haben, die von Ziegen gezogen wurden 10). In Mitteleuropa ist die Ziege seit etwa 6.000 vor Christus domestiziert. Der Übergang von der nomadischen zur Ackerbaukultur erfolgte in Europa zwischen 7.000 und 4.000 v. Chr. Bereits in der griechischen Antike war das Nomadentum nur noch in der Peripherie der griechischen Welt zu finden, allerdings nutzen diese Nomaden bereits Wagen, auf denen sich ihre Behausungen befinden: die hamaxoikoi nutzen hamaxa, die Numider nutzen mapalia.
Bauwagen, Jagdwagen, Schäferkarren und Schlupfkarren, Zigeunerwagen, Zirkuswagen usw. werden auch heute noch nach historischen Vorbildern gebaut und können auch eine Straßenzulassung erhalten.
Rätselhaft erscheint, weshalb sich keine vergleichbare Entwicklung in der übrigen Welt finden lässt: in beiden Amerikas, in Australien, Afrika außerhalb Ägyptens und in Ostasien. Die üblichen Erklärungsansätze klären jedoch nicht die Widersprüche:
Es scheint, dass die bestehenden »Tragekulturen« keinen Raum boten für Innovationen. Vollständig erklären ließe sich dieses begrenzte technische Handeln vermutlich über die Analyse soziotechnischer Handlungssysteme unter den gegebenen kulturellen Bedingungen.
Zweirädrige Karren und vierrädrige Wagen zählen zu den Fuhrwerken; Achse und Rad unterscheiden sie von anderen Fuhrwerken wie Schleifen und Schlitten. Mit der Verbreitung des selbstangetriebenen Wagens im 20. Jahrhundert verdrängte der Begriff »Automobil« - oft verkürzt als »Auto« (gr. `selbst´) oder »Machina« - ältere Begriffe in vielen Sprachen.
`Wagen´ (veraltetes engl. wain) und `Vehikel´ (veraltendes frz. voiture) lassen sich zurückführen auf die indogermanische Wurzel u̯eĝh-, also `bewegen, ziehen, fahren ´.
`Karre´ dagegen führt wie car (engl.), char (frz.) über carrus (lat.) auf k̂ers-2, also `laufen´.
Darin spiegelt sich das schnellere Schieben des leichteren Karrens im Vergleich zum gezogenen Wagen.
Das türkische arabá bezeichnet alle Arten von Karren und Wagen; im arabischen heißt es gleichlautend عربة (يد) ʕaraba(t jad). Als Wanderwort verbreitete sich araba im gesamten persisch-osmanisch-arabischen Raum, bis Rumänien und auf den Balkan. Ob das Wort dem Türkischen, Arabischen oder Burushaski entspringt, ist unklar, siehe hier und hier 12).
Es wird auch aus dem Indoarischen `ratha-´ (Rad) abgeleitet 13). Dafür spricht auch das persische areba, `Mühlrad´ 14). Derselbe Zusammenhang ergibt sich am Beispiel des Turms im Schachspiel (engl. rook). Dieser Turm war ursprünglich ein Streitwagen (indisch `ratha´> indogermanisch ret(h)- ), daraus wurde persisches Rukh. Persisches Rukh ist synonym zu arabischem araba 15).
«Ein Araba ist ein inländisches Fuhrwerk, das viel von Frauen benutzt wird, da es leicht acht bis zehn Personen aufnimmt. An Gestalt ist es ein Mittelding zwischen einem char-à-banc und einem Wagen, ist aber ohne Federn. Es ist allgemein sehr bunt decorirt und bemalt, und inwendig sehr comfortabel gepolstert. Bedacht ist es mit einem dicken rothen, grünen oder blauen Tuche mit goldenen Franzen. Die weißen Ochsen, die die Wagen ziehen, sind im Allgemeinen sehr schöne Geschöpfe, auch brillant geschmückt mit rothem Geschirr und Troddeln, und die Stirne ist ihnen zuweilen mit hellem Roth oder Blau bemalt.« Annie Jane Harvey Türkische Harems & circassische Heimath Schlicke, Leipzig 1872 S. 35
Siehe die Liste der internationalen Begriffe für Karre, Wagen, Automobil
Binnebesel, Christian
I. Bóna
Dolenz, Heimo
Haser, Johann
; Maise, Christian
Hayen, Hajo
Robin Law
Leusen, Pieter Martijn van
M. Mainberger
J. Maran
R. Maraszek
Wolfram Nagel, Christian Eder, Eva Strommenger
V.A. Novozhenov
Pierre Pétrequin, Rose-Marie Arbogast, Amandine Viellet, Anne-marie Pétrequin, Denis Maréchal
Joachim Köninger
(Hrsg.)Halwart Schrader
Stuart Piggot
Stuart Piggot
Ramée, Daniel
Reinhardt, Winfried
(Hg.)Roering, Christoph Wilhelm
Raepsaet, Georges
Wilhelm Treue
A. J. Veldmeijer
, S. Ikram
(Hg.)M.U. Vosteen
Walde-Psenner, Elisabeth
G. Wegner
Willard, James F.
Graf C. G. Wrangel
siehe auch:
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Johann Jakob Redinger
Helmut Schüwer
Otto Blum, Robert Otzen, G. Schimpff, W. Schmidt
Pétrequin Pierre
Florian Klimscha
Corrie Bakels
Bulliet R.
Stefanie Leisentritt
Pitulko, Vladimir V.; Kasparov, Aleksey K.
Clauson, G.L.M. and Rodinson, M.
Mirzā M. Mahdi Khān
“Kaukab“Jahanshah Derakhshani
Freiherr Hammer-Purgstall
Remke Kruk
Murray, H. J. R.