Zeitleiste der Stäbe

Am Anfang war das Wort, aber dabei hatte der Mensch einen Stab in der Hand und das zweite Wort wurde ihm zum Stabreim. Stäbe sind das am wenigsten beachtete Werkzeug - sie haben alle Bereiche des menschlichen Lebens geprägt und werden seit Jahrhunderttausenden weiterentwickelt, aber im Unterschied zum Faustkeil zerfällt das Holz schnell 1). Ein Beispiel: Die Tragstange (furca) der römischen Legionäre wurde Jahrhunderte hergestellt und auf drei Kontinenten genutzt - es hat sich nicht eine einzige erhalten. 2)

Wer auch immer den sicheren Platz am Feuer verließ, nahm mindestens einen Stab mit: als Waffe, als Werkzeug, als Stange zum Tragen, als Stütze beim Gehen, als Statussymbol: Sammler, Jäger, Hirten, Boten, Pilger - keine Reise ohne Stab.

Alle erhaltenen Holzstäbe wurden durch unterschiedliche Steinwerkzeuge in mehrstufigen Bearbeitungsschritten geformt, etwa zum Wurfspieß. Das Verbinden mehrteiliger Werkzeuge erfordert zudem Schäftungs-, Binde- und Klebetechniken, etwa mit Baumharzen oder hergestellten Fäden und Seilen. Das Alter der ältesten Funde ist durch Zufälle bedingt; die Techniken selbst werden deutlich älter sein. Das Fundalter ist ein Punkt in einem Möglichkeitsraum, aber weder dessen Anfang noch sein Ende.

Zeit v. Chr. Region Stabträger Stabart Zweck Technik
∼ 500.000 Kathu, Südafrika H. heidelberg. Stein(Speer-?)
spitzen
Jagd Komposit-
technik?
∼ 300.000 Schöningen, D. H. neandertal. Wurfspeere,
Lanze, Grabstock
Jagd u.a. Wurfform
∼ 170.000 Toskana, Italien H. neandertal. Grabstock Nahrungs-
suche
1 m, Spitze
feuergehärtet
∼ 62.000 Sibudu, Südafrika Pfeilspitzen
(> Pfeil, Bogen)
Jagd
∼ 50.000 Abric Romani
Spanien
H. neandertal. Schaufel, Messer
Balken
Haushalt
∼ 40.000 Abri du Maras
Frankreich
H. neandertal. Seilstück Seilerei 3 Fäden
∼ 40.000 Blaubeuren, D. H. neandertal. Lochstab Seilerei 3 Löcher
∼ 35.000 Bohrstab Bohren hart, spitz
∼ 25.629 Karpaten, Polen H. sapiens Wurfholz Jagd kurz, gebogen
Mörserkeule Nahrung, Waffe Doppelkeule
∼ 3.600 Nomaden Schlangenstab Abwehr Gabelform
> 9.000 Zagrosgebirge
Iran/Irak
Hirten Hirtenstab Hüten Krümme
∼ 6.000 Naher Osten Feuerbohrer? > Töpferei Maschine
∼ 3.000 Chalain Fontenu
Frankreich
Stangen-
schleife
Astgabel
∼ 3.700 Reute-Schorrenried Bauern Dreiecks-
wagen
Zugrind
∼ 3.500 Indus, Pakistan Drehstab Töpfer-
scheibe
Antrieb
∼ 3.100 Laibacher Moor
Slowenien
Bauern Rad (Achse)
∼ 3.000 Indien Wanderasket Dandin Kennzeichen Bambus?
∼ 2.250 Peru Stabgott 3) Speer-
schleuder?
Waffe

Der Stab als Hand-Werkzeug

Aus dem Stock lässt sich eine Keule 4) machen (die einfachste und daher älteste aller Waffen), aus dem Stein ein Keil. Geformte Werkzeuge bringen zusätzlichen Nutzen, erweitern die eigenen Fähigkeiten im Vergleich zu anderen und ermöglichen damit Macht auszuüben. Dieses Konzept erkennen Affen kaum. Es erfordert, im natürlich gewachsenen Stock den gewünschten Stab zu erkennen, den bestmöglichen zu suchen oder ihn gezielt zu formen. Vorstellung und Herstellung sind durch Arbeit verbunden und erfordern technisches Wissen und Handeln 5):

Stoßen, Stochern, Graben

Werfen

Bohren

Andere Werkzeuge


Siehe auch

1)
John F. Hoffecker
Complexity of Neanderthal technology
Proceedings of the National Academy of Sciences Feb 2018, 115 (9) 1959-1961; DOI: 10.1073/pnas.1800461115
Carbonell, E. Castro-Curel, Z.
(1992) Palaeolithic wooden artefacts from the Abric Romani (Capellades, Barcelona, Spain)
Journal of Archaeological Science, pp. 707-719. doi: 10.1016/0305-4403(92)90040-a
2)
Es gab 50 Legionen zu je 5.500 Mann plus gleich große Hilfstruppen, gleichzeitig maximal 400.000 - also Millionen von furcae über Jahrhunderte.
3)
William H. Isbell, Patricia J. Knobloch
Missing Links, Imaginary Links: Staff God Imagery in the South Andean Past.
In: Andean Archaeology III. Springer, Boston, MA, 2006. 307-351.- Der Stabgott ist das älteste religiöse Symbol Amerikas.
5)
John F. Hoffecker
The complexity of Neanderthal technology
12.02.2018; 10.1073/pnas.1800461115, Proc Natl Acad Sci USA 115:1959 – 1961
6)
Biancamaria Aranguren etal.
Wooden tools and fire technology in the early Neanderthal site of Poggetti Vecchi (Italy)
In: PNAS. Vorab veröffentlicht am 5. Februar 2018, doi:10.1073/pnas.1716068115
7)
Rick Weiss
For First Time, Chimps Seen Making Weapons for Hunting
Washington Post 23.02.2007
8)
Hardy, B.L., Moncel, M., Kerfant, C. et al.
Direct evidence of Neanderthal fibre technology and its cognitive and behavioral implications.
Sci Rep 10, 4889 (2020). https://doi.org/10.1038/s41598-020-61839-w
9)
2016: Elfenbein-Lochstab im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren, Nicholas Conard
10)
Paweł Valde-Nowak
The boomerang from Obłazowa and its prehistoric context
Anthropologie et Préhistoire 111, 2000. S. 88–94
Peter, Hanns
Wesen und Bedeutung des Bumerangs. Braumüller, Wien 1986, Archiv für Völkerkunde Band 9
11)
Jayne Wilkins u. a.
Evidence for Early Hafted Hunting Technology
In: Science. Band 338, Nr. 6109, 2012, S. 942–946, doi:10.1126/science.1227608
Mellars P. Anderson-Gerfaud P.
(1990) Aspects of behaviour in the Middle Palaeolithic: Functional analysis of stone tools from southwest France.
The Emergence of Modern Humans, ed Mellars P (Edinburgh Univ Press, Edinburgh), pp 389–418
12)
M. B. Roberts, S. A. Parfitt
Boxgrove: A Middle Pleistocene Hominid Site at Earthen Quarry, Boxgrove, West Sussex English Heritage, London, 1999
13)
Thieme H.
(1997) Lower Palaeolithic hunting spears from Germany
Nature 385:807–810
Schoch WH, Bigga G, Böhner U, Richter P, Terberger T
(2015) New insights on the wooden weapons from the Paleolithic site of Schöningen
J Hum Evol 89:214–225
14)
Lombard M (2011)
Quartz-tipped arrows older than 60 ka
further use-trace evidence from Sibudu, Kwa-Zulu-Natal, South Africa
Journal of Archaeological Science. 38 (8): 1918–1930. doi:10.1016/j.jas.2011.04.001.
Backwell, L., Bradfield, J., Carlson, K., Jashashvili, T., Wadley, L., & D'Errico, F.
(2018). The antiquity of bow-and-arrow technology
Evidence from Middle Stone Age layers at Sibudu Cave.
Antiquity, 92(362), 289-303. doi:10.15184/aqy.2018.11
15)
Roger Bridgeman
1000 Inventions and Discoveries.
The Smithsonian Institution. DK. New York 2006. S. 7
Charles Singer; E. J. Holmyard and A. R. Hall
A History of Technology
Volume 1: From Early Times to Fall of Ancient Empires.
Oxford University Press; London 1967. S. 189
16)
»Schrecklich schön: Elefant – Mensch – Elfenbein«, Ausstellungbis 28. November 2021 im Humboldt Forum Berlin. Katalog 200 Seiten, 180 Abbildungen, ISBN: 978-3-7774-3362-2
17)
Ilan, David:
The ground stone components of drills in the ancient Near East: Sockets, flywheels, cobble weights, and drill bits.
Journal of Lithic Studies. 3.3 (2016):261-277.
18)
Kulke, Hermann; Rothermund, Dietmar (2004)
A History of India.
Abingdon, Oxfordshire: Routledge. S. 22. doi:10.4324/9781315628806
19)
Goren-Inbar N, Freikman M, Garfinkel Y, Goring-Morris AN, Grosman L.
The earliest matches
[published correction appears in PLoS One. 7.8 (2012) doi/10.1371/annotation/b52d7ab3-3099-49e1-b4b5-30b76cf153b5.]. PLoS One. 2012;7(8):e42213. doi:10.1371/journal.pone.0042213
20)
Das italiensche `zaino´ bedeutet heute Rucksack, im Mittelalter war es der Weidenkorb.