Portolankarten

Sowohl der Begriff Portolan (in: Compasso da navegare) als auch die älteste Portolankarte (Pisaner Karte) sind um 1285 erstmals fassbar.

Segelanweisungen in Textform werden Portulan genannt (lat. portus 'Hafen'). Die älteste bekannte Segelanweisung findet sich um 1075 in der „Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum“ von Adam von Bremen († nach 1085).
Werden Text- und Kartenform verbunden, spricht man von Portolankarten (ital. portolano, engl. portolan charts; deutsch auch: Küstenlinienkarten). Diese erkennt man am Liniennetz (Rumben, Windstrahlen), das von mehreren Schnittpunkten ausgeht.
Dieses Liniennetz ist insbesondere dann hilfreich, wenn ein Kompass zur Orientierung eingesetzt wird.

Darin fließen mehrere Techniken zusammen:

  1. nautische Informationen wie Landmarken, Windrichtungen, Strömungen, Untiefen usw. wie sie auch in den antiken Periploi gesammelt wurden;
  2. die geographische Lage von Orten an den Küsten, die eine Routenplanung ermöglichen wie in den antiken Itineraren für das Reisen an Land;
  3. die Anwendung des Kompasses und die Definition von Himmelsrichtungen (4,8,12,16);
  4. die graphische Darstellung der Informationen auf einer Karte, also Himmelsrichtung (Windrose), Maßstab, Kartenausschnitt, Gitterkonstruktion, Küstenlinien, Informationsgehalt von Farben und Signets und deren Kommunikation über eine Legende, kurz: die Grundlagen der Kartographie;
  5. die mathematischen Fähigkeiten, Richtungen, Entfernungen und Maßstäbe konsistent zu verarbeiten:
  6. die künstlerischen und kalligraphischen Fähigkeiten, den Raum in der Fläche anschaulich und erfassbar darzustellen.

Es ist nicht bekannt, wie die ersten Portolankarten entstanden und wer an ihrer Entwicklung beteiligt war. Da die ältesten jedoch das Mittelmeer und das Schwarze Meer zeigen, werden sie auch in diesem Raum entstanden sein, sprachlich verweist der Begriff auf den italienischen Raum. Portolankarten lassen sich nicht aus anderen kartographischen Wurzeln ableiten. Man kennt:

Ausführlich ist der Erkenntnisstand zu diesem Problemkreis bei Maphistory dargestellt und mit zahlreichen Quellen versehen.

Bereits im 1. Jahrhundert nach Christus hatte Claudius Ptolemäus Kriterien für den Enturf von Karten formuliert, denen erst die Portolankarten ab dem 13. Jahrhundert nahekamen. Diese sollten

Ein soziotechnischer Handlungskreis muss alle daran Beteiligten ab dem 12./13. Jahrhundert eng verbunden haben, denn einerseits erfassten und speicherten die Kapitäne und Navigatoren Informationen aus der Segelpraxis und erklärten den Kartographen diese verständlich; andererseits mussten Kapitäne und Navigatoren in der Lage sein, die erstellten Karten zu lesen und zu verstehen. Dieser gegenseitige Prozess zwischen Verwendungszusammenhang und Entstehungszusammenhang ist an den Verbesserungen der Karten im Laufe von Jahrzehnten ablesbar. Die Voraussetzungen für die Erstellung und die Bedürfnisse für die Verwendung waren im oberitalienischen Raum gegeben (Seerepubliken). Die ab dem 14. Jahrhundert namentlich bekannten Kartographenschulen lagen in Genua, Venedig und Ancona und waren familiär organisiert, lassen also auf Vorfahren schließen, die die kartographischen Kenntnisse weitergegeben haben.

Im Handelsverkehr der norditalienischen Städte mit den Mittelmeeranrainern mittels Schiffsverbindungen stechen besonders Genua und Venedig hervor. Genua und wenig später Venedig bildeten die südlichen Ziele des mitteleuropäischen Handelsnetzes und wurden als Hafenstädte zum Scharnier für den Anschluss an das mediterrane Handelsnetz zwischen dem Schwarzem Meer im Osten und dem Atlantik im Westen, mit dem Fernen Osten über das Schwarze und das Asowsche Meer, über die Häfen der Levante (Syrien, Libanon) und mit Anschluss an den afrikanischen Karawanenhandel über Alexandria (Ägypten), Tunis und Tripolis (Libyen). Dieses Netz hatte um 1250 seine größte Ausdehnung 1).

Literatur

1)
Ulrich Menzel
Genua und die mediterrane Weltwirtschaft 1261-1350.
(= Forschungsberichte aus dem Institut für Sozialwissenschaften ISW, 80) 70 Bl. Braunschweig 2007: ISW. DOI