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Das Bild des Orients

Wer sich orientiert, blickt nach Osten zum Sonnenaufgang, denn von dort kommen Licht (ex oriente lux) und der neue Tag. Die abendländischen (europäischen) Vorstellungen von Europa und Asien sind von dieser Richtung geprägt:

Kontinent Europa Asien
semitisch ereb `dunkel´ > Europa acu `Sonnenaufgang´ > Asien
Himmelsrichtung Westen Osten
indogermanisch u̯es- `herab´ au̯es `leuchten´
Metapher Abendland Morgenland
römische Weltgegend Okzident Orient
lateinisch occidere ‘niedergehen orīrī ‘sich erheben´
arabische Weltgegend Maghreb Levante
arab. gharaba `weggehen´ lat.levare `emporheben, aufgehen´

Die Unschärfe der Begriffe 1) ist ihr Vorteil, da sie damit flexibel den zeittypischen Strömungen angepasst werden. Orient und Orientalen bedienen Bilder im Kopf (ähnlich wie Insel(-paradiese), Südsee, Der edle Wilde) und werden damit auch Projektionsfläche für Utopien, also die Suche nach dem Schönen im Entfernten. Damit verbunden ist das Aneignen des Fremden, die Selbstentdeckung im Exotischen aus der Ferne. Zeittypische Auseinandersetzungen mit dem Orient fanden immer wieder statt

    • 1172: Syrien und Palästina nach dem Reisebericht des Benjamin von Tudela [Sefär ha-Massa'ot]. Übersetzt und erklärt von Hans Peter Rüger. Kommentierte Übersetzung der Syrien und Palästina betreffenden Partien. XI, 80 S. zwei Falttafeln, (= Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins; Band 12) Harrassowitz 1990. Tudela reiste 1165 bis etwa 1173 durch Spanien, Italien, Griechenland,Türkei, Palästina, das Zweistromland nach Ägypten.
  • bis 1453 Reisen nach Konstantinopel & Byzanz
  • ab 1453 Reisen zu den Türken
    • 1477/78 Wilhelm Tzewers: Itinerarius terre sancte 2)
  • 1574 Adam Reißner (um 1496 – † um 1582)
    Ierusalem, Die Alte Haubtstat der Jüden … Frankfurt / M.
    Ohne selbst dort gewesen zu sein beschreibt Reißner ein Idealbild Jerusalems »auf hohem Gebirg mitten in der Welt als das irdische Paradies und Vorbild der ewigen Stadt Gottes«.
  • 1598 Jan Huygen van Linschoten
    Discours of Voyages into ye Easte & West Indies … (= Bericht über die Reise zu den Ost- und Westindischen Inseln …)
    4 Bde. [10], 197, [4], 198-259 [i.e. 295], [3], 307-462 S., [4] Falttafeln: Ill. Karten. London 1598: Iohn Wolfe.
    Jan Huygen van Linschoten (1563 – 1611) war ab 1581 Sekretät des Erzbischofs im portugiesischen Goa und kehrte 1592 nach dessen Tod zurück in die Niederlande. Mit zurück brachte er auch Kopien der geheimen portugiesischen Seekarten und schuf damit die Voraussetzung für die niederländische Expansion in den südostasiatischen Raum. 1594 gründeten holländische Kaufleute die Compagnie van Verre (= Kompanie für die Ferne). Am 2. April 1595 segelten die vier Schiffe Amsterdam, Hollandia, Mauritius und Duyfken unter dem Kommando von Cornelis de Houtman Richtung Bantam (heute die Hafenstadt Semarang auf Java), zielführend war der Gewürzhandel. Daraus entstand 1602 dann die Vereenigde Oostindische Compagnie VOC. Sie wurde zu einem der weltweit größten Handelsunternehmen des 17. und 18. Jahrhunderts.
  • 1614 Pietro Della Valle
    eines vornehmen römischen Patritii, Reiss-Beschreibung in unterschiedliche Theile der Welt : nemlich in Türckey, Egypten, Palestina, Persien, Ost-Indien und andere weit entlegene Landschafften …
    4 Teile. 929 S. Genf, 1674.
    Pietro Della Valle (1586–1652) pilgerte 1614 von Venedig aus via Türkei, Ägypten, Arabien nach Jerusalem. Im Anschluss reise erdurch Syrien und Persien nach Indien und beendete seine Reise 1626 in Rom.
  • 1628 Herrn Johann Baptisten Taverniers, Freyherrns von Aubonne, Vierzig-jährige Reise-beschreibung. Worinnen dessen, durch Türkey, Persien, Indien, und noch mehr andere Oerter, Höchst-löblichst-vollbrachte sechsmalige Länder-reise … Samt einer Relation von ausführlicher beschaffenheit dess Serrails oder türkischen Palasts vorgestellet …
    Nürnberg 1681: J. Hofmann.
    Sechs lange Reisen zwischen 1628 und 1668 bildeten die Grundlage für diese Reisebeschreibung. Tavernier war Diamantenhändler, Vater und Onkel waren Kartographen und Kartenhändler, er selbst trug sammelte unterwegs systematisch das geographische Wissen anderer Reisender.
  • 1644 Orientalische Reise-Beschreibung: Jürgen Andersen aus Schleßwig/ Der Anno Christi 1644 außgezogen/ und 1650 wieder kommen. Und Volquard Iversen aus Hollstein/ So Anno 1655 außgezogen/ und 1668 wieder angelanget : Sind beyde respective durch Ost-Indien/ Sina, Tartarien/ Persien/ Türckeyen/ Arabien und Palestinam gezogen: und haben zu Wasser und Land viel merckliche Dinge gesehen und erfahren … 175 S., [2], Ill., Karten. Hamburg 1696: Zacharias Herteln und Thomas von Wiering.
  • 1654 Philippus Baldaeus
    Naauwkeurige beschryvinge van Malabar en Choromandel, der zelver aangrenzende ryken, en het machtige eyland Ceylon… Amsterdam 1672: Jansson van Waasberge.
    Philippus Baldaeus (1632 – 1671) verpflichtete sich als Prediger für zehn Jahre (um 1654–1665/1666 ) im Dienst der Niederländischen Ostindischen Kompanie.
  • 1712 Olfert Dapper (um 1635 – † um 1689)
    Delitiae Orientales, Das ist Die Ergötzlich- und Merkwürdigkeiten des Morgenlandes : Nach dessen vornehmsten Landschafften, Jnsonderheit Syriens, Und des Gelobten Landes, sam[m]t dero berühmtesten Städten, Gottesdienst … Jngleichen der alten und neuen Geschichten…
    Nürnberg, 1712. Online.
    Der Niederländer war kein Reisender, kollationierte jedoch umfassende Werke über Afrika, China, Persien, Georgien und Arabien, vermied dabei jedoch eine bewertende Sichtweise und strebte objektive Schilderungen an.
  • 1711 übersetzte Antonio Galland die Märchen der Tausendundeinen Nacht ins Französische und begann damit, dieses Werk ins europäische Bewußtsein zu bringen.
  • 1721 erschienen die Persischen Briefe (Lettres Persanes), ein Briefroman von Charles de Secondat, Baron de Montesquieu (1689-1755).
  • 1716-1718 lebte Lady Mary Montagu (1589-1672) als Frau des britischen Gesandten in Konstantinopel (=Adrianopel). Ihre Turkish Embassy Letters wurden posthum und bis heute immer wieder veröffentlicht.
  • 1802-1810 reiset der Arzt und Naturforscher Ulrich Jasper Seetzen (1767-1811) von Syrien bis Unter-Ägypten: Ulrich Jasper
    Seetzens Reisen durch Syrien, Palästina, Phönicien, die Transjordan-Länder, Arabia Petraea und Unter-Ägypten.

    Fr. Kruse (Hg.) Berlin: 1854, Reimer (= Reprint Hildesheim 2004: Olms.
  • Carsten Niebuhrs (1733-1815)
    Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern erschienen 1773, 1778, 1837.
  • 1825 berichtete der Schneidergeselle Johann F. J. Borsum:
    Reise nach Constantinopel, Palästina und Egypten oder Lebendiger Beweis, wie gnädig Gott dem durchhilft, der seine Hoffnung auf ihn setzet.
    Berlin 1825. Überarbeitet von David Traugott Kopf als Reprint. XX, 261 S. (=Documenta Arabica. Teil 1: Reiseliteratur) Olms 2005).
  • 1838 erschienen die Reiseerinnerungen von Herzog Maximilian aus Bayern 3)
  • 1846 Friedrich Wilhelm Hackländer: Reise in den Orient. Text der 2., verbesserten Auflage Stuttgart 1846. Reprint zwei Bände in einem Band, X, 459 S. (=Documenta Arabica. Teil 1: Reiseliteratur) Olms 2004.
  • Die orientalischen Märchen von Wilhelm Hauff (1802-1827) und die Reiseerzählungen von Karl May (1842-1912) prägten das Bild des Orients in der Öffentlichkeit stärker als mehrbändige Reiseberichte.
  • Jules Verne (1828-1905), Guy de Maupassant (1850-1893), André Gide (1869-1951), Louis Ferdinand Céline (1894-1961) und andere reisten in die französischen Kolonien des Orients; ihre Reiseerfahrungen beeinflussten ihre Werke.
  • 1898 bewirbt das Reisebüro Thomas Cook & Son, Wien, eine Orientfahrt mit den Dampfern der Hamburg-Amerika Linie.

Literatur

  • Amin, Abbas
    Ägyptomanie und Orientalismus
    Ägypten in der deutschen Reiseliteratur (1175-1663).
    Mit einem kommentierten Verzeichnis der Reiseberichte (383-1845).
    507 S. Tübingen, Univ., Diss., 2011. Berlin: De Gruyter, 2013, u.a. mit den Kapiteln:
    • Reisende, die nicht in Ägypten waren;
    • Edward W. Said und die Orientalismus-Debatte;
    • pharaonische, biblische, orientalische Komponenten des Ägyptenbildes;
    • Kulturkontakte und Reisewege;
    • Egerias biblisches Ägypten und Frauenreisen in Ägypten;
    • der Pilger von Piacenza [Anonymus 6. Jh.];
    • Arkulf [7./8. Jh.];
    • Bernardus Monachus (876);
    • Burchard von Straßburg (1175);
    • Burchardus von Monte Sion (1283/5);
    • Wilhelm von Boldensele (1334);
    • Lorenz Egen aus Augsburg (1385);
    • Graf Philipp von Katzenellenbogen (1433);
    • Hans Tucher (1479);
    • Löwenstein und Wormser (1561);
    • Nützel (1586) und Fernberger (1588);
    • Michael Heberer von Bretten (1585-1588);
    • Nicolaus Schmidt (1605-1611);
    • Christian von Wallsdorff (1660-1663)
  • Ammann, Ludwig
    Östliche Spiegel: Ansichten vom Orient im Zeitalter seiner Entdeckung durch den deutschen Leser, 1800-1850.
    178 S. (= Germanistische Texte und Studien, 32 ) Hildesheim 1989: G. Olms. Inhalt
  • Bode, Christoph
    West meets East Klassiker der britischen Orient-Reiseliteratur.
    234 S. Bibliographie S. 219-231, u.a. zu Lady Mary Wortley Montague, Alexander W. Kinglake, Richard F. Burton, Freya Stark, Robert Byron, Wilfred Thesiger (=Anglistische Forschungen, 246) Heidelberg Winter 1997. Inhalt
  • Erker-Sonnabend, Ulrich
    Das Lüften des Schleiers: die Orienterfahrung britischer Reisender in Ägypten und Arabien : ein Beitrag zum Reisebericht des 19. Jahrhunderts. Zugl.: Bochum, Univ., Diss. 310 S. (=Anglistische und Amerikanistische Texte und Studien, 5) Hildesheim [etc.] 1987: Olm. Inhalt
  • Denys Lombard & Roderick Ptak (Hg.)
    Asia Maritima. Images et réalité/Bilder und Wirklichkeit 1200-1800.
    XVII, 218 S. 11 Abb. (= South China and Maritime Asia, 1) Harrassowitz Verlag 1994. Inhalt
  • Keller, Ulrike Reisende in Ägypten: ein kulturhistorisches Lesebuch. 229 S. Wien 2001: Promedia.
    34 Reiseberichte aus dem Zeitraum von 2200 v.Chr. bis 2000 n.Chr., teil erstmals auf Deutsch erschienen, zusammengetragen von der Geographin Ulrike Keller. Texte von Herchuf/Pepi II., Herodot, Arrian, Plutarch, Strabo, Ätheria, Pater Fidelis, Oliver (Kreuzfahrer), Calcaschandi, Felix Fabri, Leo Africanus, Samuel Kiechel, Evliya Celebi, Paul Licas, Abbé de Binos, Napoleon Bonaparte, Giovanni Belzoni, Jean François Champollion, Sophia Lane-Poole, Ida Hahn-Hahn, Richard Lepsius, Constantin Tischendorf, Carl Klunzinger, Gerhard Rohlfs, Kronprinz Friedrich Wilhelm, Max Eyth, Amelia Edwards, J.C. Ewald Falls, Otto Julius Bierbaum, Eduard von Hoffmeister, Howard Carter, Hellmuth Schroetter, Anton Zischka,Jehan Sadat.
  • Kirschnick, Sylke
    Tausend und ein Zeichen: Else Lasker-Schülers Orient und die Berliner Alltags- und Populärkultur um 1900.
    Zugl.: Berlin, Univ., Diss., 2004. 252 S. Würzburg 2007: Königshausen & Neumann.
    Orientalismen in der wilhelminischen Alltags- und Populärkultur Berlins, insbesondere die Inszenierung des Orients im Rahmen der Weltausstellung 1896 mit der Sonderausstellung Kairo, Tableaus im Panoptikum, Pantomimen im Circus Busch, Stereofotografien im Kaiserpanorama, Schaustellungen im Lunapark und Angebote in den Warenhäusern oder öffentliche Festakte und Paraden zeugten von einer sinnfälligen Theatralität. Else Lasker-Schüler verarbeitete dies in ihren Büchern: Die Nächte Tino von Bagdads (1907), Der Prinz von Theben (1914), Mein Herz (1912), Der Malik (1919). Als bezeichnende Objekte dienten u.a. Palmen, Pyramiden, Teppiche, Mumien, Fakire, Derwische, Halbmond.
  • Kochwasser, F. H. Heinrich von Maltzans Algerien-Reisen um die Mitte des 19. Jahrhunderts.
    Sein Reisewerk: ein bemerkenswertes deutsches Quellenzeugnis.
    In: Zeitschrift für Kulturaustausch 20.2 (1970) 216-222
  • Tilmann Nagel (Hg.)
    Begegnung mit Arabien. 250 Jahre Arabistik in Göttingen.
    72 Seiten mit 10 Farb- und 60 s/w-Abb., Wallstein Verlag 1998
  • Pückler-Muskau, Hermann
    Fürst Pücklers orientalische Reisen: aus den abenteuerlichen Berichten des weltkundigen Fürsten Hermann von Pückler-Muskau.
    Enthält die Reiseschilderungen 'Semilasso in Afrika', 'Aus Mehemed Alis Reich', 'Die Rückkehr. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Erwin Wackermann. 438 S., 11 Tafeln, Hamburg 1966: Hoffmann und Campe.
  • Gereon Sievernich, Hendrik Budde (Hg.)
    Europa und der Orient 800­ bis 1900.
    Gütersloh /München 1989
  • Stolberg, Doris
    A travel guides’ view on a (post) colonial place: Tsingtau/Qingdao, China.
    Journal of Postcolonial Linguistics 5 (2021): 81-117.
1)
Vorderer Orient; Naher Osten, Mittlerer Osten und Ferner Osten
2)
Gritje Hartmann: Lateinisch/deutsch. Einleitung, Edition, Kommentar und Übersetzung. Der Kommentar untersucht die Quellen und identifiziert die erwähnten Orte und Gebäude. 455 S. (= Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins, 33) Harrassowitz 2004
3)
Maximilian Herzog in Bayern, Walter Hansen (Hg.):
Wanderung nach dem Orient im Jahre 1838. 155 S. Querformat. Pfaffenhofen 1978: Ludwig.
wiki/das_bild_des_orients.txt · Zuletzt geändert: 2023/04/18 17:00 von norbert

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