====== Übergang & Schwelle ====== ==== Fortbewegung: In der Wildnis unterwegs ==== Erwachen und Einschlafen bilden die Schwellen zwischen Bewußtsein und Traum; Geburt und Tod bilden die Schwellen (engl. threshold) zwischen Sein und Nicht-Sein, da aktive Hinüberschreiten [[wiki:unterwegs-sein|unterwegs]] bildet den Übergang zwischen Räumen und bestimmt die [[wiki:liste_raumvorstellungen|Raumvorstellungen]].\\ Die [[wiki:fortbewegung|Fortbewegung]] in der Natur folgt [[wiki:weg|Pfaden]], führt über Berge und Flüsse, durch Wald, in Höhlen. Dabei werden die natürlichen Schwellen der [[wiki:wildnis|Wildnis]] besonders wahrgenommen, etwa als: * Überschreiten eines [[wiki:alpenpaesse|Gebirgspasses]] * Durchwaten einer Furt * Eindringen durch den Waldsaum * Eindringen durch den Höhleneingang Schwellen ermöglichen den Übergang und gliedern so den [[wiki:zwischenraum|Zwischenraum]] - ein [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-sein]] ohne diese drei Komponenten ist nicht möglich und wiederholt daher immer wieder drei Schritte: - das Verlassen einer (vertrauten) Zone, eines Raumes, einer [[wiki:landschaft|Landschaft]]; - den Aufenthalt im [[wiki:zwischenraum|Zwischenraum]]; - den Eintritt in eine (unbekannte) Zone, einen Raum, eine [[wiki:landschaft|Landschaft]]. Schwellen hemmen den Übergang, weil besonders dort dem Antrieb das Bedürfnis nach Sicherheit entgegensteht. Diesem wird durch [[wiki:orientierung|Orientierung]] und [[wiki:wegfindung|den richtigen Weg]] entsprochen. Im [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-sein]] wiederholen sich daher unentwegt drei Phasen: - [[wiki:fortbewegung|Fortbewegung]] auf ein Ziel hin - Innehalten (Hemmung) an der Schwelle - Hoffnung im Übergang oder Umschwung zur Rückkehr Die indischen //Tirtha// (Sanskrit तीर्थ `Furt, Übergang´) haben eine geographische __und__ eine spirituelle Bedeutung und sind zudem Pilgerorte. Solche Schwellen sind als Übergangsbereiche (//liminal zones//) oft gekennzeichnet durch //liminal points// wie [[wiki:steinmann|Steinmännchen]], Wegekreuz, Gebetsfahne, Altar, Inschrift und erfordern dort bestimmte Handlungen (Übergangsriten) wie etwa einen Stein auflegen, ein Kreuzzeichen, ein Speise- oder Trankopfer für die zuständigen [[wiki:reisegoetter|Reisegötter]]. Ein kurzer Aufenthalt an diesen Stellen ist daher nötig, der dauernde Aufenthalt macht den [[wiki:wandern|Wanderer]] jedoch selbst zum suspekten [[wiki:grenzgaenger|Grenzgänger]]: im besten Fall als [[wiki:faehrmann|Fährmann]] (z.B. ''Charon'') oder [[wiki:fuehrer|Führer]] (z.B. ''Christophorus''), im schlechtesten Fall als [[wiki:trickster|Trickster]], [[wiki:wilde_jaeger|Wilder Jäger]] oder [[wiki:vargr|Werwolf]]. Die nordischen Seherinnen praktizierten an solchen Orten das [[wiki:utiseta|útiseta]]. ==== Das Eigene und das Andere ==== Seitdem der Mensch die Natur technisch gestaltet, schafft er sich neue Übergänge, oft mit Wächtern: * Schwelle & Türsturz * Pforte & Tor * Bannkreis & Schranke * Steg & Brücke * [[wiki:weg|Weg]]gabelung & [[wiki:strasse|Straßen]]kreuzung Erst dadurch entsteht der befriedete Raum als Heim für das Eigene mit einer [[wiki:grenze|Grenze]] zum Anderen, wobei der Eindringling ein [[wiki:der_fremde|Fremder]] ist, zum [[wiki:gast|Gast]] oder zum Feind werden kann. Sprachlich werden alle Übergänge fruchtbar als [[wiki:liste_reisemetaphern|Metapher]], also als Ausdruck der inneren Bewegtheit, man spricht von Schwellenangst, -erfahrung, -zauber, für die die Hüter der Schwelle oder deren //genius loci// beansprucht werden wie etwa der doppelgesichtige ''[[wiki:reisegoetter|Janus]]'' oder der [[wiki:genius_cucullatus|Genius Cucullatus]]. ==== Der Übergang im Bild ==== * ''Johann Wolfgang von Goethe''\\ //Scheideblick nach Italien vom Gotthard//, 1775\\ Faksimile, 34,5x43,5 cm Berlin, Nationalgalerie * ''Ludwig Richter''\\ //Die Überfahrt am Schreckenstein//, um 1840\\ Öl auf Leinwand, 36,7×48,4 cm Privatsammlung, Norddeutschland * ''Karl Friedrich Schinkel''\\ //Felsentor//, 1818\\ Öl auf Leinwand, 74× 48 cm Berlin, Nationalgalerie ==== Literatur ==== * ''Klara Löffler''\\ //Dahinter, daneben, darüber hinaus.//\\ Abseits im Fokus der Europäischen Ethnologie.\\ Gem. mit Judith Berkhout, Maria Takacs. In: Zeitschrift für Qualitative Forschung 10.2 (2010) 249-265 [[https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/35507|Online]] * ''Reuchelt E.''\\ //Die Fernreise als Initiation.//\\ In: Schröder E., Frießem D.H. (eds) George Devereux zum 75. Geburtstag. Eine Festschrift. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 1984. [[https://doi.org/10.1007/978-3-663-19640-2_23|Online]] * ''Saeverin, Peter F.''\\ //Zum Begriff der Schwelle. Philosophische Untersuchung von Übergängen.//\\ Zugl.: Oldenburg, Univ., Magisterarbeit, 2002. 172 S. (= Studien zur Soziologie und Politikwissenschaft) Oldenburg Bis 2003 [[http://oops.uni-oldenburg.de/576/|Online]] * Mit dem »Dazwischen« hat sich ''Albert Camus'' in seinem ersten Werk beschäftigt (//L'Envers et l'endroit//, 1937). Dieser Titel wurde vielfältig übersetzt als: | französisch ^ L'Envers et l'endroit | Vorderseite und Rückseite | | englisch ^ Betwixt and Between | Dazwischen und Zwischen | | englisch ^ Wrong Side and Right Side | Falsche und richtige Seite | | deutsch ^ Licht und Schatten | Licht und Schatten | | deutsch ^ Innen und außen | Innen und außen | | niederländisch ^ Keer en tegenkeer | Kehr und Widerkehr:\\ Wende und Gegenwende | | italienisch ^ Il rovescio e il diritto | Die Kehrseite und das Recht | | spanisch ^ El revés y el derecho | Rückseite und Recht | | russisch ^ Изнанка и лицо\\ Iznanka i litso | Der Rücken und das Gesicht | | griechisch ^ Απ' την καλή κι απ' την ανάποδη | Vom Guten und vom Gegenteil |