Wer kann denn auf Anhieb den Unterschied zwischen Ethnologie, Völkerkunde und Soziologie erklären? Völkerkunde darf man nicht mehr sagen – stimmt das? Na, woll’n mal seh’n:
17 deutsche Unis bieten das Fach Völkerkunde an, etwa 10.000 Studenten belegen es. Die interessieren sich aber kaum für Friesen, Rheinländer, Bayern, selbst Basken, Schotten und Kroaten werden ignoriert. Dafür gibt’s die Volkskunde. Die Völker müssen schon recht weit weg sein: »Obwohl im Sinne unserer Wissenschaft unter Völkern alle Völker und auch kleinere nationale Einheiten wie Stämme verstanden werden, befaßt sich die völkerkundliche Forschung doch herkömmlicherweise aus praktischen und anderen Gründen bevorzugt mit den weniger komplizierten und daher der Untersuchung zugänglicheren Naturvölkern … mit geringen Mitteln zur Naturbeherrschung…« (Fischer-Lexikon Völkerkunde 1959).
Heckmann, F.
Nikolaus Bernau
Da hätten sie auch gleich von Primitiven reden können, nichts anderes ist doch gemeint! Das Mittelalter sah in solch unbekannten Fremden meist den Wilden Mann und Bilder zeigten Wunder- und Mischwesen, Exoten eben. Auch der Begriff Stamm wird heute vermieden und durch Volk oder Ethnie ersetzt, was griechisch ist und wiederum nichts anderes als Volk bedeutet und außerdem was anderes ist als ein Stamm.
Eingeborene sagt man auch nicht, hip sind derzeit indigene Völker. Die werden von der UNO definiert als Menschen, die historische und traditionelle Beziehungen zu ihrem Land haben. Indigen (lateinisch) übersetzt das Fremdwörterlexikon (Wahrig 1991) mit eingeboren – political correctness treibt schon seltsame Blüten: »Mit Worten läßt sich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten« (Faust).
Für den Großen Meyer ist die Völkerkunde noch 1979 eine »Wissenschaft der schriftlosen Völker«. Was wird denn daraus, wenn die »Naturvölker« alle Transistorradios haben und schreiben können? Oder sie können nicht schreiben und leben in Berliner, Dortmunder oder Frankfurter Ausländerghettos? Sind sie dann für die Völkerkunde interessant? Ein paar Unis betreiben bereits eine europäische Ethnologie und sind dabei, sie mit der Soziologie zu verschmelzen, die ja schließlich »die Formen des menschlichen Zusammenlebens und die dadurch hervorgerufenen Verhaltensweisen« untersucht. Auch das Völkerkundemuseum Basel suchte einen Ausweg und nennt sich nun Museum der Kulturen. Was ist damit gewonnen? Michel Leiris
fand eine schöne Metapher für das Problem des Ethnologen: »Was man zu fassen bekommt, ist immer der Schatten und nicht die Beute.«
So oder so: Das „Reisen“ bleibt weiterhin ausgeblendet und wird nicht Teil der Selbstbefragung, wobei doch ohne Reisen die Anderen nicht zu uns und die Ethnologen nich zu den Fremden kommen können.
Ebenso seltsam mutet die quantitative Explosion der Ausstellungskultur in den letzten Jahrzehnten an: die Selbstzweifel stehen dabei nicht im Gleichgewicht mit dem Bedürfnis zu zeigen, was man hat.
→ Wissen
→ Erforscher und Entdecker
→ Ausstellungen zu Wissen: Entdecken & Erforschen
Susi Colin
Harbsmeier, Michael
Margaret T. Hodgen
Kohl, Karl-Heinz
John Howland Rowe
Han F. Vermeulen
Camille Joseph
, Isabelle Kalinowski
Theodor Waitz
Agar, Michael H.
Kohl, Karl-Heinz
Kohl, Karl-Heinz
Kramer, Fritz
Kauz, David
Leonardo Piasere
Rubiés, Joan Pau
Giovanni di Buonagrazia
's letter to his father concerning his participation in the second expedition of Vasco da Gama
(1502-1503)Mendes Pinto
, or the traveller as ethnologist in Portuguese IndiaAntonio Rubino
's account of the history and religion of Vijayanagara (1608)Hugo Grotius
's dissertation on the origin of the American peoples and the use of comparative methodsBernd Schmelz
Alexander Hoffmann
, Doktorand beim Ethnologen Professor Josef Ritter von Waldstätten
an der Friedrich-Wilhelms-Universität, lernt anlässlich der Berliner Kolonialausstellung 1896 die Dolmetscherin der Herero aus Deutsch-Südwestafrika kennen, Kezia Kambazembi
. Jahre später sammelt Hoffmann begleitet von der Schutztruppe Deutsch-Südwestafrika Artefakte und Kunstgegenstände der Herero und Nama nach deren Genozid und öffnet Gräber, um ältere Schädel vermessen zu können. Willi Stegner (Herausgeber und Bearbeiter) Taschenatlas Völker und Sprachen 1. Auflage, Klett-Perthes Verlag Gotha & Stuttgart 2006 Broschur mit Fadenheftung 12x17,5 cm 288 Seiten, 57 farbige Karten, 130 Abb. völkerkundliches Glossar, Register
Endlich hat sich mal jemand an dieses schwierige Thema gewagt und ein Nachschlagewerk konzipiert, das in Deutschland kaum seinesgleichen findet. Das Grundproblem stellt sich so dar: Ein geograpischer Atlas der Erde kann nach weitgehend anerkannten Regeln dargestellt werden und hat recht lange Bestand; die Haltbarkeit eines politischen Atlasses bemißt sich kaum in Dekaden, wobei viele Darstellungen politisch umstritten sind. Die Welt jedoch anthropologisch zu erschließen: nach Völkern, Kulturen, Religionen, Sprachen … ist ein Projekt, das Autor und * Kartographen gleichermaßen zur Verzweiflung treibt.
Nicht nur, daß sich der Erkenntnisstand rasch ändert – vor allem ändern sich die Kategorien der Erkenntnis, die sozial und politisch bedingt sind und vor allem die Sichtweise des Betrachters spiegeln. So beginnt dieses Buch damit, Ethnologie, Völkerkunde und Volkskunde zu erklären, um sich dann den diffizilen Begriffen von Volk, ethnischer Gruppe und Ethnie, von Stamm und Rasse zu widmen. Was ist eigentlich Kultur? Wo hört eine Sprache auf und wo beginnt ein Dialekt?
Nun, die Probleme sollen nur angedeutet werden, weil es den Mut zeigt, sich festzulegen und solch ein Werk zusammen zu zurren. Widerspruch ist unvermeidlich.
Das man dennoch viel daraus lernen kann, zeigt schon ein Blick in den Abschnitt Deutschland. Welche Amtssprache? Deutsch – stimmt. Aber wer hat gewußt, daß es bei uns – neben der Sprachen der hier wohnenden Ausländer – auch die anerkannten Sprachen Sorbisch, Dänisch, Friesisch, Niederdeutsch und Romani gibt, wobei Sorbisch ebenfalls Amtssprache ist? (siehe auch Schmalz-Jacobsen, Hansen: »Kleines Lexikon der ethnischen Minderheiten in Deutschen«) Erhellend ist jedenfalls der Blick ans Reiseziel, denn der Band ist geographisch-politisch gegliedert, um einen ersten Einblick zu erhalten, welche Völker unter welchen Namen dort leben. Die Begriffsvielfalt zu ordnen und in Bezug zu setzen, ist die Stärke dieses Werkes. Die Themen Sprachen und Religion scheinen mir vergleichsweise knapp gehalten. Die Schriften anderer Völker werden anhand einiger Schriftzeichen illustrativ gezeigt, ohnen daß damit ein praktischer Nutzen oder ein Erkenntnisgewinn verbunden wäre. Sicher gibt es zu jedem Aspekt tiefergehende Literatur, doch findet man hier den Einstieg zu einem konkurrenzlosen Preis. (Norbert Lüdtke, Der Trotter)
Klaus Rosen Die Völkerwanderung 1. Auflage (=Beck’sche Reihe 2180), München: C.H. Beck 2001 Broschur 11,5x18 cm: 127 Seiten, 2 Karten, Register
Klaus Rosen, Professor für Alte Geschichte hat ein äußerst informatives Buch geschrieben: gut zu lesen und ohne die bei diesem Thema oft mitschwingenden ideologischen Töne. Es war für mich seit dem lange zurückliegenden Geschichtsunterricht die erste Beschäftigung mit dem Thema. Ich finde es spannend, denn vor dem Hintergrund eigener Reiseerfahrungen laufen andere Bilder auf meinem inneren Monitor ab als damals in der Schule. Langweilig geblieben ist allerdings das (unvermeidbare?) Abhaspeln von Namen und Daten über viele Seiten im Mittelteil des Buches, das liest sich wie eine in Sätze gebrachte Tabelle. Man spürt das bemühen, die120 Seiten möglichst effektiv zu füllen. Ein paar Bögen mehr hätten sicher dem Text gutgetan. Hilfreich wäre es sicher auch, zuvor den Band „Germanen“ aus der gleichen Reihe zu lesen. (Norbert Lüdtke, Der Trotter)
Anthony Swift, Ann Perry Nomaden. Auf den Spuren der [[wiki:tuareg|Tuareg]], Inuit und Aborigines München: Knesebeck 2001. Leinenband mit Fadenheftung 23,5 x 28,5 cm 144 Seiten, 100 Farbfotos doppelseitige Farbkarte mit Hinweisen auf die Nomadenvölker lexikalische Kurzübersicht über die bedeutendsten Nomadenvölker Quellenverzeichnis
Der großformatige Band ist ansprechend gestaltet, er verlockt zum Blättern und gucken, insbesondere im zweiten Teil, der aus drei »Fotoessays« besteht: Hirten, Jäger und Sammler – Die Bewohner der Wälder – In Schnee und Eis. Die Farbfotos sind gut und nehmen den größten Teil des Inhalts ein, oft ist ihnen ein Zitat über Nomaden zur Seite gestellt. Die ersten 60 Seiten verteilen sich auf vier »Kapitel«, in denen der Textanteil etwas höher ist. Genau genommen handelt es sich um einen bildorientierten Materialienband, denn die beiden Autoren sind eigentlich Herausgeber. Fast alle Fotos und die meisten Texte stammen von anderen – die Autoren ordnen Text- und Bildzitate lediglich an. Ich vermute, daß auch einige Textteile von ihnen stammen, jedoch ist das schwierig auszumachen. Diese Texte sind Reiseberichten entnommen, das Quellenverzeichnis wird fälschlich Bibliographie genannt. Auch der Untertitel weckt falsche Erwartungen, denn diese Völker kommen zwar vor, sind aber nicht explizit Gegenstand einzelner Kapitel. Zum Gucken und Schmökern ist der Band gut. Wer systematische Informationen erwartet, etwas zum Nachschlagen sucht oder sich ins Thema einlesen will, sollte ein anderes Werk kaufen. Leider gibt die »Bibliografie« dazu keine geeigneten Hinweise wie etwa auf das Standardwerk von
F. Scholz Nomadismus. Theorie und Wandel einer sozio-ökologischen Kulturweise Erdkundliches Wissen Band 188 Stuttgart 1995
Mit verwandten Themen beschäftigt sich auch
John H. Bodley Der Weg der Zerstörung. Stammesvölker und die industrielle Zivilisation Trickster Verlag 1983
Das ist sicher informativer, doch ebenso sicher weniger unterhaltsam. (Norbert Lüdtke, Der Trotter)
Amélie Schenk, Galsan Tschinag Im Land der zornigen Winde Geschichte und Geschichten der Tuwa-Nomaden aus der Mongolei 2. Auflage, Hrsg., Frauenfeld: Im Waldgut 1998 15x22: 237 S., 8 Farbtafeln
»Tuwa ist die einzige Region der Welt, wo das Rentier … und das Kamel … in enger Nachbarschaft gezüchtet werden.« dzg-Mitglied und Ethnologe Ilja Brustein
berichtete in Trotter 92, S. 74-83 von seinen Reisen in die lang verschlossene Region Südostsibiriens. Ebenso außergewöhnlich und kaum bekannt wie die Nomaden ist dieses Buch.
Dialogisierend erfährt der Leser Mythen und Riten, Hintergründe und Alltägliches aus der Welt der Tuwa. Dabei wechseln sich die beiden Autoren ab: Ethnologin und Schamanenexpertin Amélie Schenk und Galsan Tschinag, Stammesoberhaupt und Schriftsteller. Vergangenheit und Gegenwart, Theorien und Erfahrungen werden zu ungewöhnlichen Collage verwoben. Ausgesprochen lesenswert! Leider fehlt ein Sachregister, um zu den verstreuten Themen zu gelangen. (Norbert Lüdtke, Der Trotter)
Egidius Schmalzriedt & Hans W. Haussig (Hg.) Götter und Mythen in Zentralasien und Nordeurasien Wörterbuch der Mythologie, Erste Abteilung, Band VII, Zweiter Teil 1. Auflage, Unter Mitarbeit von Juha Pentikäinen, Per Kvaerne, Agnes Birtalan, Karénina Kollmar-Paulenz. Stuttgart: Klett-Cotta 2004. Pappband mit Umschlag, Lesebändchen und Fadenheftung 15 x 24 cm: XXIV, 689 Seiten, 72 Tafeln, 7 Karten, Sach- und Namenregister
Mythologie bezeichnet die Wissenschaft der Mythen, Sagen und Märchen einer Kultur oder eines Volkes. Das Wörterbuch der Mythologie ist das erste Lexikon, in dem versucht wird, die Mythen des gesamten eurasischen Kulturkreises systematisch nach dem neuesten Stand der historischen und religionswissenschaftlichen Forschung aufzuarbeiten. Seit 1983 arbeiten Editionszentrale und Redaktion in Tübingen. Der zuletzt erschienene Band VII.2 »Götter und Mythen in Zentralasien und Nordeurasien. Zweiter Teil« enthält:
• Die lappische (saamische) Mythologie von Juha Pentikäinen • Die Mythologie der Bon-Religion und der tibetischen Volksreligion von Per Kvaerne • Die Mythologie der mongolischen Volksreligion von Agnes Birtalan • Die Mythologie des tibetischen und mongolischen Buddhismus von Karénina Kollmar-Paulenz
Zusammen mit dem ersten Teil deckt der Band ein riesiges geographisches Gebiet ab und umfaßt eine Vielfalt sprachlich und kulturell heterogener Völker der mandschu-tungusischen, ural-altaischen, finno-ugorischen und tibeto-birmanischen Sprachfamilien. Teilweise wurde deren Mythologie in diesem Band erstmals in deutscher Sprache umfassend dargestellt. Der Band ist einzeln bestellbar; die Reihe umfaßt: Band 1: Götter und Mythen im Vorderen Orient Band 2: Götter und Mythen im Alten Europa Band 3 (in Vorbereitung) : Götter und Mythen der Griechen und Römer Band 4: Götter und Mythen der kaukasischen und iranischen Völker Band 5: Götter und Mythen des indischen Subkontinents Band 6: Götter und Mythen in Ostasien Band 7/I: Götter und Mythen in Zentralasien und Nordeurasien. Darin: Mythologie der mandschu-tungischen Völker, der Uralier Sibiriens, türkische und alttürkische Mythologie. (Norbert Lüdtke, Der Trotter)
Gert Chesi Voodoo in Afrika Menschen im Banen der Götter 1. Auflage, Innsbruck: Haymon 2003 Pappband mit Umschlag und Fadenheftung 21 x 26 cm 240 Seiten, zahlreiche Abbildung, meist farbig, Glossar und Literaturverzeichnis
Der Journalist, Fotograf und Ethnologe Gert Chesi
leitet das von ihm 1995 gegründete Museum der Völker in Schwaz bei Innsbruck, mit den Schwerpunkten buddhistische Kultur, insbesondere aus Thailand und Burma sowie Voodoo. Sein Reiseleben schilderte er in einer Biografie, die ich hier vor einiger Zeit vorgestellt habe (Afrika im Herzen, Haymon 2002)
So erfahren wir, daß er sich bereits vor mehr als 40 Jahren erstmals mit Voodoo befaßt hat, einem Oberbegriff für verschiedene religiöse Bewegungen, die sich aus unterschiedlichen Wurzeln speisen (afroamerikanische Synkretismen).
Chesi wurde ob dieser Beschäftigung zum Spezialisten, der sich seinem Thema nicht in erster Linie museal oder akademisch nähert, sondern durch Reisen in die Länder, zu den Menschen, die Voodoo praktizieren. Er beobachtet sie in Trancezuständen, spricht mit Magiern und Priestern, dokumentiert die Objekte, die in Riten verwendet werden. Hunderte dieser wundervollen Artefakte, Figuren, Bilder … haben wir im vergangenen Jahr in seinem Museum bewundert. Doch bilden die Kunstobjekte nur die sichtbare Oberfläche des Glaubens. Was darunter geschieht, ist in diesem kenntnisreichen Band nachzulesen und auf einmaligen Bilddokumenten zu sehen:
»Ich möchte meine sehr intime Kenntnis der äußeren und inneren Vorgänge an die sogenannte westliche Welt weitergeben, denn weder schockierte oder besserwisserische Ablehnung noch romantisch verklärte, vom Geheimnis faszinierte Bewunderung wird dem Phänomen Voodoo gerecht.« (Norbert Lüdtke, Der Trotter)
Evangelisches Missionswerk in Deutschland EMW Adivasis Indigene Völker in Indien 1. Auflage (=Weltmission heute Band 58) Redaktion: Kirsten Kleine & Martin Keiper Broschur 15x21 cm: 204 Seiten, Textabb.
Adivasis bezeichnet zusammenfassend die ersten, ursprünglichen Bewohner Indiens, die früher als tribals oder Stammesvölker bezeichnet wurden. Das vorliegende Buch versucht im ersten Teil einen Einblick in die Lebenswirklichkeit der Adivasis zu geben und dabei ihren Aufbruch zum Kampf für ihre Rechte zu dokumentieren. Im zweiten Teil wird reflektiert, wie die Adivasis dem Christentum begegnen. Durchgängig will das Buch die Solidarität mit den Adivasis fördern. Diese Ziele haben ein gut strukturiertes und fundiertes Werk entstehen lassen, das in ein Thema einführt, welches auf dem deutschen Buchmarkt so gut wie nicht präsent ist. (Norbert Lüdtke, Der Trotter)
Anna Voigt, Nevill Drury Das Vermächtnis der Traumzeit Leben, Mythen und Traditionen der Aborigines Aus dem Englischen von Martina Bauer München: Droemer 1998. 23x28 cm: 192 Seiten, zahlr. farb. Abb., Anmerkungen, Auswahlbibliographie, Register
Das ist ein Buch für Reisende, die gerne träumen. Kein Bildband der “exotischen Ureinwohner Australiens”, sondern ein verständnisinniges Suchen, liebevolles Herantasten, vorsichtiges Formulieren und vor allem wunderschönes Zitieren von Liedern und Bildern der Aborigines.
Die Autoren haben lange bei den Aborigines gelebt und versuchen zum Ausdruck zu bringen, was sie dort “erfahren” haben. Man spürt ihre Ehrfurcht vor der Kultur dieser Menschen und sie hüten sich vor Pauschalisierungen. Dementsprechend schwer fällt es mir, Beispiel und einzelne Aussagen herauszupicken, denn dies käme einem unzulässigen Vereinfachen gleich.
Man möge mir verzeihen, wenn ich dieses Werk uneingeschränkt empfehlen kann: schauend und lesend wird uns eine fremde Welt näher gebracht: Schöpfung; Mythen der ewigen Traumzeit; Heilige Erde, heiliges Land; Traumpfade, Musik und Tanz; Ritual und Zeremonie; Totem, Verwandschaft; Frauenangelegenheiten, Männerangelegenheiten; Lebenszyklen – diesen Themen widmen sich die einzelnen Kapitel. (Norbert Lüdtke, Der Trotter)
Frank Semper Die Rechte der indigenen Völker in Kolumbien Vorwort von Prof. Prof. h.c. Dr. Wolf Paul 1. Auflage, Hamburg: Sebra 2003 zugleich Diss. Universität Frankfurt am Main Broschur 15,5 x 23,5 cm: 386 + XII Seiten, 12 Farbfotos, einigen Textabb. Literaturverzeichnis (14 Seiten), 1200 Fußnoten
Kolumbien findet sich in der deutschsprachigen Literatur nur als Marginalie, seine Indígenas werden hierzulande kaum wahrgenommen. Frank Semper
ist so etwas wie der Pfadfinder dieses Landes, dieser Völker in Deutschland. Mit „Nah dran: Kolumbien“ und „Tor zum Amazonas“ hat er bereits zwei Bücher zur Region vorgelegt. Dies zeigt die ernsthafte und andauernde Beschäftigung Sempers mit „seinem“ Thema.
Mit seinem neuen Buch geht er nun gründlich in die Tiefe und untersucht am Beispiel Kolumbien die Rechtssituation und Lebenswirklichkeit der Indigenen. Kleingedruckt erfährt man, daß die Arbeit gleichzeitig an der Frankfurter Universität als Dissertation eingereicht wurde – man darf den Autor also auch zum „Dr. jur.“ beglückwünschen! Verständlich, daß er den Band Völkerrechtlern, Ethnologen und Lateinamerikanisten empfiehlt. Die Resonanz der Fachpresse zeigt, daß mit diesem Werk eine Lücke geschlossen wurde und überschüttet es mit Lob.
Doch der Autor wendet sich auch an die breite Leserschaft – das ist löblich und ich wünsche ihm und seinem Buch viele Leser, doch ist das mehr als ein frommer Wunsch? Es verlangt einiges an Durchhaltevermögen, man muß es sich erarbeiten. Erleichtert wird dies, weil Semper selbst Reisender und Reiseschriftsteller ist. Er geht aus vom selbst Erlebten und hält sich nah an der Lebenswirklichkeit. Auf 12 Seiten schildert seine Begegnungen mit den Indianern Kolumbiens: »Denn es ist mir ernst damit, dieses außerordentlich wichtige Thema - die Indigenen in Kolumbien sind vielerorts in ihrer Existenz bedroht - nicht allein der Fachdiskussion zu überlassen. Bisherige Quintessenz eines langen Reiselebens, das mich durch alle Länder Lateinamerikas, viele asiatische und afrikanische Länder geführt hat: Kolumbien ist eines der wirklich noch geheimnisvollen und aufregenden (nicht unbedingt gleichzusetzen mit gefährlich) Orte auf diesem Planeten, ein Land, dem ich mich immer wieder mit großer Begeisterung nähere.« Für ernsthafte Kolumbienreisenden, für jeden, der sich für die indigenen Völker Lateinamerikas interessiert, wird seine Lektüre ein Gewinn sein. (Norbert Lüdtke, Der Trotter)
Hans-Jürgen Heinrichs Die fremde Welt, das bin ich Leo Frobenius: Ethnologe, Forschungsreisender, Abenteurer 1. Auflage (=Reihe), Wuppertal: Hammer 1998. 12,5x20,5cm: 262 S., 59 Abb.
Die erste Biographie des umstrittensten und berühmtesten deutschen Völkerkundlers legt ein Autor vor, der seine Kompetenz bereits bei Werken über die Ethnologen Leiris, Hubert Fichte, Lacan und Lévi-Strauss bewiesen hat. Der Schriftsteller und Kulturanthropologe Heinrichs geht jedoch über eine Biographie hinaus. Frobenius war ein Außenseiter mit »anderen« Vorstellungen. Die von ihm geprägten Begriffe und Theorien standen in krassem Gegensatz zur Völkerkunde seiner Zeit. In dem von Heinrichs entworfenen Bild ordnen sich fachliche und persönliche Verhältnisse von Frobenius zu seinen Kollegen vor dem Hintergrund zeittypischer Denkmuster und -moden. Titel und Untertitel treffen ins Schwarze – wer sich davon angesprochen fühlt, sollte sich das Buch kaufen. Doch die Ansprüche an den Leser sind hoch; auch ein Fremdwörterlexikon hilft nicht immer. (Norbert Lüdtke, Der Trotter)
Robert Mohr Sex-mal um den Globus! Über das Liebesleben der Völker – Ein Ethno-Bericht Deutsche Erstausgabe, Stuttgart: Gatzanis 1996,21 x 13 cm: 167 S.
Falsch! Hier geht es nicht darum aufzuzeigen, wo man die besten Liebesabenteuer erlebt. Auch wenn Titel und äußere Aufmachung des Buches dies erahnen lassen. Vielmehr hat sich der Autor damit beschäftigt, wie die verschiedenen Kulturen der Erde mit Sex umgehen. Was in der einen Kultur als undenkbar gilt, kann in der nächsten als das gewünschte Ziel gelten. Unter anderem werden Themen aufgegriffen wie Inzucht, Beschneidungen, Treue oder Prostitution. Zusammenhänge und Hintergründe werden dargelegt, was dem Leser ein besseres Verständnis des Verhaltens anderer Völker in Bezug auf Sex gibt. Einzig der Umgang mit dem Thema in den heutigen Industrienationen kommt meiner Meinung nach dabei etwas zu kurz. Lohnenswert. SR
Charles King Schule der Rebellen Wie ein Kreis verwegener Anthropologen Race, Sex und Gender erfand. Aus dem Englischen von Nikolaus de Palézieux Hanser Verlag, München 2020, 480 S.
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