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wiki:tragstange

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Tragstange

Die Last in den Händen zu tragen behindert die Arm- und Beinfreiheit des Trägers, daher bietet sich das Tragen auf dem Kopf als einfachste Tragetechnik an und ist in vielen afrikanischen Ländern bis heute verbreitet, während das Tragenetz (z.B. bilum in Papua-Neuguinea) das Tragen mit der Stirn, der Schulter und dem Rücken ermöglicht. Wasserträger 1) (ahd. lixę, waʒʒerdregera) gab es weltweit als Berufsgruppe und als Teil des Alltags im täglichen Gang zur Wasserstelle:
siehe, der dumpfe wasserträger, der des morgens von haus zu haus, schreit wasser in allen gassen aus. 2).

Ein assyrisches Relief zeigt gleich mehrere Tragetechniken nebeneinander, auch Tragstange und Tragjoch 3). Die Tragstange (seltener: Tragstecken, 1631: Tragprügel, Tragholz; ndd. Dracht, Reedschop, Peed) 4) bildet technisch den nächsten Schritt, da sie die Last auf die Schultern des Trägers legt und vom Körper fernhält. Dazu muss sie ergonomisch geformt sein und Befestigungsmöglichkeiten für Behälter (Sack, Beutel, Korb, Rohr > Eimer) bieten. Das altgriechische `ζυγός zygos´ 5) umfasste mit den Bedeutungen `Gabel, Tragstange, Schultertrage, Joch, Bügel´ eine ganze Reihe von Tragwerkzeugen.

  • Über einer Schulter getragen hängen Lasten an der einfachen Tragstange vor und hinter dem Körper. Technisch entscheidend ist dafür das Biegemoment des Materials. In Europa wurde besonders die Esche (Fraxinus excelsior, engl. ash) verwendet, wegen ihrer Dauerhaftigkeit, Elastizität, Biegsamkeit, Festigkeit, Splitterfreiheit; in Asien wurden Bambusstangen hergestellt.
    • Die Landschaft ist voll von Trägern, die durch ihre charakteristischen Tragstangen zu einem federnd-trippelnden Lauf gezwungen sind. Frauen tragen dagegen ihre Lasten auf dem Kopf …6)
  • Über beide Schultern getragen wird die Tragstange zum Tragejoch, die Lasten hängen seitlich des Körpers. Technisch entscheidend ist dafür der ergonomische Formschluss im Nackenbereich: Hebräisch mōtā `Traggestell, Joch´ 7); Rum. coácă, obránită, obrámnită `Tragjoch der Wasserträger’, poln. Koromysło, russ. Коромы́сло. Die Last kann schwerer sein, weil sie gleichmäßig auf dem Körper liegt.
  • Die Tragstange mit endständiger Gabel (ahd. gaffel, lat. furca) für das Reisegepäck der römischen Legionäre wurde senkrecht getragen, daher die Y-Form, die die Tragstange mit der Deichsel verbindet. Technisch entscheidend ist dafür die bruchfeste, also natürlich gewachsene Gabelform. Solche gestörten Wuchsformen heißen Zwiesel (z.B. im 12. Jh.: furca zvisela, furgca haggo vel zuisilla). Es gibt nur eine einzige bildliche Darstellung der furca auf der Trajanssäule in Rom, die Einzelheiten nicht erkennen lässt, jedoch das Gepäck über den Köpfen der Marschierenden darstellt.
    • Michel Feugère
      Weapons of the Romans. Tempus, 2002. Online
  • Eine Tragstange mit Hängematte („Tragbahre“) für zwei Träger (türk. syryk, rum. păringă) oder mit Tragetuch und zwei Stangen für vier Träger:
    • »An einer 2 Klafter langen, etwas elastischen Stange, welche zwei starke Männer auf den Schultern tragen, ist eine Hängematte angebunden, in der der Reisende ganz bequem liegt …« 8)
    • Im indischen Himalaya: „ein Dandy … ist ein Teppich, der von einer Tragstange hängt wie eine Hängematte“, vergleichbar mit einem Reisestuhl und vier Trägern als Kago in Japan und als Dschampan in Südchina und mit fließendem Übergang der Bauarten zum Palanquin 9)
1)
Rauchegger, Andreas: Der Homo aquamportans: Wasserträger, Wasserverkäufer, Wasserschenker. Ein Beitrag zur historischen Trink-und Nutzwasserversorgung im europäischen Kulturraum.
(=Schriften des Landwirtschaftlichen Museums Brunnenburg, 13) Inhaltsverzeichnis. 388 S. Studia Univ.-Verlag, 2014.
Ital. Acquaioli, Portatrici d'acqua, frz. Porteurs d'eau, engl. Water carriers, span. Aguadores. Mit einem Glossarium von Behältern zum Wassertragen in Tirol. Schläuche und Fässer: colodra, baril, buttis, baga, uter, tuluk, mask s. Beutel.
Eichler, Selke Untersuchungen zu den Wasserträgern von Deir-el-Medineh. In: Studien zur altägyptischen Kultur 17 (1990) 135–175 Online
2)
Rückert Werke 5, 319 zit. nach Grimm: DW Bd. 27, Sp. 2535 Online
3)
Brunner, Hellmut: Ein Assyrisches Relief mit einer ägyptischen Festung. Archiv für Orientforschung (AfO)/Institut für Orientalistik, 16 (1952) 253–62, Online, insbes. Fußnote 52
4)
engl. Carrying pole, dän. åg, norw. ok, altengl. geoc, lat. jugum, altgr. asilla ἄσιλλα Bild (Lehnwort? axilla?), Ceylon pingo, indonesisch pikulan siehe Stab
5)
aus `zusammenbinden´ Bertram, Georg: A. ζυγος in LXX, Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament ThWNT 2, 898-900: B. ζυγος im NT, ετεροζυγεω, ThWNT 2, 900-904, 904-908
6)
Ruben, Walter: Eisenschmiede und Dämonen in Indien. Ergebnisse einer Reise, die mit Unterstützung des Forschungs-Institutes für Kulturmorphologie in Frankfurt a.M. und des Türkischen Unterrichtsministerium durchgeführt wurde. Mit 60 Abb. auf 33 Taf. XX, 306 S. Leiden 1939: Brill.
7)
abgeleitet von `schwanken´; 1Kön 8,8; Mota: 3Mos.26,13; Ez.34,27; Mot (größere Tragstange): Nah. 1,13; Traggestell 4Mos.4,10,12
8)
Hochstetter, Ferdinand von: Madeira, ein Vortrag gehalten am k. k. polytechnischen Institute, den 22. December 1860, von Dr. Ferd. von Hochstetter. Wien 1861: W. Braumüller. S. 30-31 Bescheibungen von Trägern
9)
Hesse-Wartegg, Ernst von Indien und seine Fürstenhöfe. 484 S. Stuttgart, 1890.
  • Bourne, Samuel: Sieben Jahre Indien die Photographien und Reiseberichte von Samuel Bourne ; 1863-1870. München 2000: Schirmer-Mosel., S. 254 mit Abb.
  • Longmore, T., William A. Morris: A manual of ambulance transport. London 1893, s. „Conveyances borne by men“ unterscheidet Hammocks, Dandies, Strechers und zeigt Beispiele und Bauarten aus aller Welt mit Konstruktionshinweisen: Ashanti cots, Himalayan dandy, Lushai dandy, Amoo der Maori (Abb. 36), S. 122-163)).
  • Zwei Tragstangen mit vier Trägern für schwere Lasten oder für Sänften (auch: Chaise, Palanquin, engl. litter).
  • Haafner, Jacob
    Reise in einem Palankin. Erlebnisse und Begebenheiten auf einer Reise längs der Koromandelküste Südindiens in den Jahren 1785 und 1786.
    Aus dem Niederländischen übersetzt und herausgegeben von Thomas Kohl. 577 S. Ill., [Mainz] [Johannes-Gutenberg-Buchh. Kohl] 2003
  • Zwei Tragstangen in A-Form verbunden werden zur Schleife als Transportmittel für Zugtiere; die beiden letzten Varianten bilden den Übergang zu den Fuhrwerken im indoeuropäischen Raum.
==== Literatur ====
  • Arnim, B. von
    Slavische Sternsagen und Sternnamen. 1. Die Vorstellung: Mädchen mit Eimer und (oder) Tragstange.
    Zeitschrift für Slavische Philologie, 18.1 (1942) 86–104, Universitätsverlag Winter, Online.
  • Basler, A.
    Tragen mit Hilfe einer Stange.
    Arbeitsphysiologie 2 (1929) 76–84. https://doi.org/10.1007/BF02020128
  • urdravidisch *karai ´Tragstange´ siehe:
    Berger, Hermann
    „Buchbesprechung“: Decipherment of the Proto-Dravidian Inscriptions of the Indus Civilization.
    A first announcement„ und“ Progress in the Decipherment of the Proto-Dravidian Indus Script
    .
    Asko Parpola, Seppo Koskenniemi, Simo Parpola, Pentti Aalto. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 120.2 (1970) 420-421.
  • Cook, J. R.
    Crucification in the Mediterranean World.
    (= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 327 ) XXIV, 522 S. Tübingen Mohr Siebeck 2015.
    Kapitel furca S. 37 und furcifer S. 44, abgrenzend zu Patibulum and stauros
  • Kenntner G.
    Gebräuche und Leistungsfähigkeit des Menschen im Tragen von Lasten.
    Biogeographica 3 (1973) Springer, Dordrecht. https://doi.org/10.1007/978-94-010-2704-5_1
  • Mountjoy, Guido
    The comic alpenstock.
    The University magazine, 1878-1880 30.179 (1847): 560-566.
  • Reise mit der Tragstange [in Madagaskar].
    in: Bilder-Tafeln zur Länder- und Völker-Kunde mit besonderer Berücksichtigung der evangelischen Missionsarbeit. Herausgegeben von dem Calwer Verlagsverein. Calw & Stuttgart. 1883: Tf. 114, 2.
wiki/tragstange.1647774602.txt.gz · Zuletzt geändert: 2022/03/20 11:10 von norbert

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