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Der weise Narr

Liste berühmter Narren

Narrenliteratur

Die heutige Wissenschaft versteht unter Narrenliteratur eine Literaturgattung, in der sich Weisheit (lat. sapientia) und Narrheit (lat. stultitia) begegnen, wobei die Narrheit durch einen weltlichen Menschen personalisiert wird, der ungläubig Gott verneint; als Vorbild gilt Psalm 52.

Satirisch geprägt sind dabei volkstümliche Erzählungen die den in der Moderne alleingültigen Weg zur Weisheit konterkarieren. Erasmus meinte in seinem Lob der Torheit 1), dass die Vernunft (Aufklärung)ergänzt werden müsse und nannte den weisen Mann, der diesen Weg ginge, einen Morosophen im Unterschied zum Philosophen. Den Begriff Morosophoï prägte sein Vorbild, der Satiriker Lukian von Samosate (um 120 bis 180 BC). In manchen Staaten werden heute noch Schüler und Studenten im zweiten Jahr der Ausbildung als Sophomores bezeichnet (griechisch σοφός sophós ‚weise‘ und μωρός mōrós `närrisch‘).

Die Erfahrung, dass die Welt getäuscht sein will und Illusionen liebt, zeigt den Sieg der Torheit über die Vernunft: Englisch fool, jester, prankster, storyteller, minstrel, altertümlich: disour, buffoon, bourder; im antiken Rom balatro 2). Wahr daran bleibt, dass auch die Vernunft der Phantasie bedarf, damit der Möglichkeitssinn unbekannte Räume und phantastische Orte erkunden kann, damit das Prinzip der Serendipity wirken kann.

Ob satirisch oder nicht, die seit Jahrtausenden beliebten Geschichten weiser Narren legen nahe darin einen archetypischen Zug der menschlichen Psyche zu erkennen, der jedem vertraut ist und der mit dem Trickster verwandt ist. Charakteristisch für ihn ist, dass er immer ein Einzelner ist, meist ein Heimatloser, ein unstet wandernder Reisender, manchmal ein Wandermönch oder ein Wanderpoet.

Literatur


→ Listen von Figuren
→ Zeitleiste beispielhafter Figuren

1)
Lateinisch Moriae encomium, auch: Lob der Narrheit, griech. Laus stultitiae, Paris 1511
2)
Horaz: Satiren 2.2