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1764 Vorwort zu Hager: geographischer Büchersaal

Geneigter Leser,

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Ich eröfne hiermit einen geographischen Büchersaal zum Nußen und Vergnügen der Liebhaber der Geographie. So wohl das graue Alterthum, als die neuern Zeiten, sind von dem unstreitigen Nutzen und von dem reizenden Vergnügen der geographischen Schriften mehr als zu wohl überzeugt. Eben deswegen sind auch von einer Zeit zur andern eine beträchtliche Anzahl von dergleichen Schriften an das Licht getreten. Man könnte sich eine zahlreiche Bibliothek davon sammlen, wenn man sich auch nur

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die vornehmsten anschaffen wollte. Hierzu haben aber die wenigsten Gelehrten weder Mittel genug, selbige zu kaufen, noch Zeit und Lust genug, selbige zu lesen. Wenn man nur die besten und nothwendigsten davon besitzt, so ist man reichlich genug versorgt. Wo trift man aber eine ordentliche und vollständige Nachricht von den besten Schriften dieser Art an? Wenn ich, ohne jemand zu nahe zu treten, frey antworten darf: Nirgends. Man schlage einmal diejenigen Schriftsteller nach, welche die Geschichte der Gelahrheit erzählet haben: So wird man gar bald eingestehen mussen, daß derselbigen Erzählungen insgemein sehr kurz und unvollkommen gerathen sind. Ich schreibe dieses in der That nicht aus Uebereilung, vielweniger aus einer schändlichen Tadelsucht. Die Erfahrung hat mir vielmehr diese bittre Worte in den Mund geleget, welche ich vorjetzo meiner Feder anvertrauet habe. Da ich mich nun nicht etwann erst gestern, oder ehegestern, um eine genaue Kenntniß von dergleichen Schriften bekümmert habe: So habe ich zwar öfters theologische, juristische, medicinische, philosophische, moralische, historische, dconomische, musicalische und andere vermischte Bibliothecken und Büchesåle, in verschiedenen Sprachen, genug: Allein, ein geographischer Büchersaal ist uns zur Zeit noch unbekannt, der doch in der That eben so nützlich und nothig, als die andern, wåre, zumal, da wir zu unsern Zeiten mit geographischen Büchen recht überhäuft werden. Es kommt ja immer eine neue Geographie nach der andern zum Vorschein. Ungeubte Leser und Liebhaber wissen dahero nicht, worzu sie sich entschlussen sollen. Man wird es mir gewünschet, es mögte sich ein gelehrter Mann darüber machen, und diesen Theil der Geschichte der Gelahrheit in ein besseres Licht sehen; Allein, mein Wunsch ist bishero vergebens gewesen. Der sich um die gelehrte Welt unsterblich verdient gemachte Johann Albert Fabricius hat uns zwar vier

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hundert und neun und dreyfig Monathsschriften bekannt gemacht: *) und gleichwohl ist nicht eine einzige darunter, welche der Geographie alleine gewiedmet wäre. Man hat theologische, juristische, medicinische, philosophische, moralische, historische, öconomische, musicalische und andere vermischte Bibliothecken und Büchersäle, in verschiedenen Sprachen, genug: Allein, ein geographischer Buchersaal ist uns zur Zeit noch unbekannt, der doch in der That eben so nützlich und nöthig, als die andern, wäre, zumal, da wir zu unsern Zeiten mit geographischen Büchern recht überhäuft werden. Es kommt ja immer eine neue Geographie nach der andern zum Vorschein. Ungeübte Leser und Liebhaber wissen dahero nicht, worzu sie sich entschlüßen sollen. Man wird es mir dahero nicht verüblen, daß ich einen bishero noch unbekannten Büchersaal eröfne. Man wird aber in selbigem finden: I. Eine zuverläßige Nachricht, und ein unpartheyisches Urtheil von alten und neuen geographischen Schriften. Schenket mir GOtt mein Leben so lange, bis ich meinen Vorsatz erreichet habe, so soll nicht leichtlich ein * In der Vorrede zu Daniel Georg Morhofs Polyhift. Litter. Lübeck, 1732. in 4. Und wie viele sind nicht seitdem wieder dazu gekommen? Gewiß viele, und dennoch kein geographischer.

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einziges hieher gehöriges Buch meiner Aufmerksamkeit und Beurtheilung entwischen. Ich weiß gar wohl, daß ich hiermit überaus viel verspreche: Ich sehe aber keine gewisse Zeit, wenn ich damit fertig werden will. So viel kann ich unterdessen heilig versichern, daß ich ohne Ablassen, in meinen Nebenstunden, ungehindert damit fortfahren werde. Und wer weiß, wo hier und da ein Liebhaber und Gönner aufstehet, der mir hülfreiche Hände gütigst darbiethet. Viele Hände machen, nach dem bekannten Sprichworte, bald ein Ende. Ich ersuche auch hierdurch jedermann, der Zeit und Lust hat, um einen geneigten Beytrag. Es soll einem jeden frey stehen, ob er dabey genennet seyn will, oder nicht. Ich bin nicht gesonnen, mich an eine gewisse Zeitordnung zu binden. Ich werde vielmehr bald ein altes, und bald ein neues geographisches Buch vor die Hand nehmen, wie ich es für gut befinden werde. Aller Zwang ist mit einem gewissen Mißvergnügen verbunden. Man wird es mir dahero nicht zumuthen, daß ich meiner Freyheit selbst einige Fesseln anlegen, und meine Bemühung, mir zum Verdrusse, in gewisse Grenzen einschlüßen soll. Es wird dahero bald ein Buch aus der alten, mittlern, oder neuern Geographie, bald aus der Cosmographie, oder Chorographie, bald aus der Topographie und Hydrographie, oder aus der Orographie vorkommen. Bey einem

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jeden Buche werde ich hauptsächlich auf den Endzweck seines Verfassers, und hernach auf die Wahrheit, Vollständigkeit und Ordnung des Buches selbsten sehen. Ich werde auch nicht unerinnert lassen, ob selbiges deutlich und zierlich geschrieben sey. Meine Urtheile sollen bescheiden abgefaßt werden, jedoch kann ich niemand im Voraus die Versicherung geben, ob selbige jederzeit nach seinem Wunsche ausfallen werden. Finde ich vorher genannte gute Eigenschaften an einem Buche, so werde ich selbiges gebührend loben; Hat aber ein Verfasser darwider verstossen, so mag er es sich selbsten zuschreiben, daß ich nichts Lobenswürdiges in seinem Buche habe finden können. Hierdurch habe ich mir zwar schon ein weites Feld erwählet, daß ich meinen Lesern mit einer angenehmen Abwechslung beständig werde aufwarten können: Allein, meine Absicht geht noch viel weiter. Denn es sollen ferner noch eingerücket werden II. Allerhand Anmerkungen über alte und neue geographische Bücher, welche derselben Erklärung, Erweiterung und Verbesserung zum Endzwecke haben. Wie viele dunkle Stellen trift man nicht in den griechischen und lateinischen Schriftstellern dieser Art an? Wie oft fehlen nicht viele merkwürdige Oerter auch in den allerbesten neuern Geographien? Und wie leicht ist es nicht möglich, daß

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man auch, nach aller angewandten Mühe und Fleiße, dennoch einen Fehltritt begehet? Insgemein sieht man die Fehler an andern Leuten viel eher, als an sich selbst. Man schreibt aber nicht gleich eines solchen entdeckten Fehlers wegen ein Buch. Hierdurch geht manche gute Gedanke verlohren, daran dem gemeinen Besten doch viel gelegen ist. Wie viele Fehler werden nicht öfters bis ins zehendte Glied fortgepflanzet? Es ist mir, bey Verfertigung meiner Geographie selbst also gegangen. Man ist nicht allwissend. Man kann die ganze Welt nicht durchreisen. Man trauet seinen Vorgängern, weil man keine Ursache zu einigem Mistrauen hat. Und gleichwohl wird man dadurch öfters hintergangen. Man hintergehet dahero, auch wider seinen Willen, seine Leser. Es würde mir dahero überaus angenehm und dem Reiche der Wissenschaften höchst nützlich seyn, wenn mich auch hierinnen einige Freunde mit ihren Beyträgen gütigst unterstützen, und mit dergleichen Anmerkungen beehren wollten. In den gewöhnlichen geographischen Einleitungen kann und darf man nicht allemal so weitläuftig seyn, wie man will, damit man die Größe eines Handbuches nicht überschreitet. Ich biethe jedermann hiermit einen Platz an, und wenn er auch wider meine eigene Geographie etwas Erhebliches zu erinnern hatte, zumal, da selbige vortzeko wieder

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gedruckt werden soll. Nur mit Bescheidenheit. Denn sonst muß er sich gefallen lassen, daß man ihn mit baarer Münze wieder bezahlet. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich hierdurch Gelegenheit geben sollte, daß ich entweder bald eine gründliche Nachricht von einem Königreiche, Fürstenthume, Graf- und Herrschaft, oder eine zuverläßige Beschreibung einer Stadt, Marktfleckens und Dorfes erhalten könnte. Oder gefiele es denjenigen, die an einem Orte wohnen, von diesem Orte die vornehmsten Merkwürdigkeiten anzumerken: So könnte man hoffen, daß man mit der Zeit eine recht vollständige und von vielen Fehlern gesäuberte Geographie zu Stande bringen könnte. Teutschland mogte ich freylich zu allererst gerne ohne Fehler verbessert haben, weil wir darinnen wohnen: Allein, wer verbiethet uns denn, auch über diese Grenzen zu reisen? Ich muß es mit gebührendem Danke rühmen, daß mich bishero viele brave und gelehrte Männer von dem ersten Range inn- und auserhalb Teutschland, ihres mir angenehmen Briefwechsels gewürdiget, und mir manche gute Erinnerung mitgetheilet haben. Vielleicht werden noch mehrere dadurch ermuntert, wenn sie hier lesen werden, daß ich unter ihrem eigenen Nahmen ihre Beyträge bekannt machen will, wo durch auch andern gedienet werden kann. Ich bin nicht so eigennützig, daß ich alles Gute vor

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mich alleine behalten will. Ich bin auch nicht so hochmüthig, daß ich einen geographischen Dictator vorstellen will, der nicht fehlen könne, oder andern verbiethen wollte, daß sie neben mir sich nicht ebenfalls um die Erweiterung und Verbesserung der Geographie bekümmern sollten. Ich vergnüge mich vielmehr, wenn ich zum allgemeinen Nutzen etwas beytragen kann, wozu mich mein Amt verbindet. Dahin ist bishero mein Bestreben gegangen, und es gehet noch ferner dahin. Ich werde mich nicht abwendig machen lassen, wenn auch einige Marktschreyer aus Brodneid noch so sehr schreyen, oder wohl gar lästern werden. Genug, meine Absicht ist, GOtt, meiner Schule und meinem Nächsten redlich zu dienen, worzu auch dieser Büchersaal bestimmt ist. Außer diesen Anmerkungen, will ich auch III. Eine Nachricht von den meisten und besten Landcharten mittheilen, damit ein Liebhaber der Geographie erfahre, welche er sich zu seinem Gebrauche anschaffen soll. An einer guten Landcharte ist gar zu viel gelegen. Finde ich, oder ein anderer, einen Fehler, so wollen wir selbigen sorgfältig entdecken, damit diejenigen Herren, welche mit derselben Verbesserung beschäftiget sind, sich darnach richten können. Endlich will ich auch IIII. Das Andenken derjenigen erneuern, welche sich um die Geographie vorzüglich

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verdient gemacht haben. Ihre Lebensbeschreibungen werden sie auch nach ihrem Tode unsterblich machen. Ihre Lebensbeschreibungen werden auch andere zu gleicher Bemühung ermuntern. Hieraus wird man nunmehro meine Absicht deutlich genug erkennen, jedoch mit der ausdrucklichen Bedingung, daß es mir frey stehen möge, meine Einrichtung zu vermehren und zu vermindern, so, wie es die Umstände, oder meiner Freunde und Gönner gute Erinnerungen erfordern werden. Und das von Rechts wegen! Immittelst bin ich allerdings begiehrig, ob mein Unternehmen bey den Kennern und Liebhabern der Geographie und andern gelehrten Männern einigen Beyfall finden werde. Darauf wird es auch ankommen, ob dieses das erste und letzte Stuck meines neu eröfneten geographischen Büchersaals seyn wird; oder ob derselbigen noch mehrere folgen werden. Wird mir der gütige Beyfall, wie ich hoffe, mehrere zu liefern anbefehlen: So will ich zwar im Voraus nicht bestimmen, wie viel jährlich Stucke heraus kommen, oder wie viel Stücke einen Band ausmachen sollen: Unterdessen verspreche ich doch so viel, daß ich meine Leser nicht über die Gebühr auf mich will warten lassen. Und wenn ich so viele Bogen werde angefüllet haben, daß selbige füglich einen Band werden ausmachen, so will

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ich selbigen mit einem brauchbaren Register beschlüßen, und alsdenn einen neuen wieder anfangen. Komme ich so weit, als ich mir vorgesetzt habe, so wird es alsdenn leicht seyn, eine vollständige Geschichte der Geographie und derselbigen Schriftsteller zu liefern. Sollte es aber GOtt gefallen, mich vor dem erreichten Ziele von Dieser Zeitlichkeit abzufordern; So wird sich hoffentlich ein anderer Liebhaber finden, der in meine Fußstapfen treten, und diese Arbeit fortsetzen wird. Wollten sich einige gelehrte Manner gefallen lassen, mir hierinnen beyzustehen, die belieben ihre Aufsätze entweder an mich, oder an meinen Verleger einzusenden. Ich ersuche auch endlich diejenigen, welche einige hieher gehörige Bücher, oder Abhandlungen durch den Druck bereits heraus gegeben haben, daß sie mir selbige gütigst zuschicken wollen, damit ich selbige bey Zeiten bekannt machen könne, ehe sie alt werden. Uebrigens empfehle ich alle meine Leser der göttlichen Obhut, mich und meine Bemühungen aber: derselbigen Gewogenheit. Chemnitz, den 12. Febr. 1764.