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wiki:unterwegs-sein

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wiki:unterwegs-sein [2022/07/24 22:14] – ↷ Links angepasst weil Seiten im Wiki verschoben wurden 13.90.38.162wiki:unterwegs-sein [2024/04/05 03:46] (aktuell) – [Die Unterschiede im Unterwegs-sein] norbert
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   * ''Scheller-Boltz, Dennis''\\ //unterwegs: Deutsche Idiomatik im Spiegel der [[wiki:sprachen|Sprachen]].//\\ In: Koroliov, Sonja/ Weinberger, Helmut/ Scheller-Boltz, Dennis/ Scharr, Kurt (Hrsg.) (2019): Am Zug – [[wiki:aufbruch|Aufbruch]], Aktion und Reaktion in den Literaturen und Kulturen Ost- und Südosteuropas. Eine Festschrift für Andrea Zink zum 60. Geburtstag. Innsbruck: innsbruck university press, 208-222 [[https://www.academia.edu/42038205/unterwegs_Deutsche_Idiomatik_im_Spiegel_der_Sprachen|Online]].   * ''Scheller-Boltz, Dennis''\\ //unterwegs: Deutsche Idiomatik im Spiegel der [[wiki:sprachen|Sprachen]].//\\ In: Koroliov, Sonja/ Weinberger, Helmut/ Scheller-Boltz, Dennis/ Scharr, Kurt (Hrsg.) (2019): Am Zug – [[wiki:aufbruch|Aufbruch]], Aktion und Reaktion in den Literaturen und Kulturen Ost- und Südosteuropas. Eine Festschrift für Andrea Zink zum 60. Geburtstag. Innsbruck: innsbruck university press, 208-222 [[https://www.academia.edu/42038205/unterwegs_Deutsche_Idiomatik_im_Spiegel_der_Sprachen|Online]].
   * ''Gebhardt, Winfried'', ''Ronald Hitzler'', ''Bernt Schnettler''\\ //Unterwegs-Sein. Zur Einleitung.//\\ in: [[wiki:nomaden|Nomaden]], [[wiki:flaneur|Flaneure]], [[wiki:vagabund|Vagabunden]]. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006. 9-20. [[http://www.hitzler-soziologie.de/pdf/Publikationen_Ronald/Sammelbaende/3-104.PDF|Online]]   * ''Gebhardt, Winfried'', ''Ronald Hitzler'', ''Bernt Schnettler''\\ //Unterwegs-Sein. Zur Einleitung.//\\ in: [[wiki:nomaden|Nomaden]], [[wiki:flaneur|Flaneure]], [[wiki:vagabund|Vagabunden]]. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006. 9-20. [[http://www.hitzler-soziologie.de/pdf/Publikationen_Ronald/Sammelbaende/3-104.PDF|Online]]
 +  * ''Vaporis, Constantine Nomikos''\\ //Breaking Barriers : Travel and the State in Early Modern Japan.//\\ (=Harvard East Asian monographs, 163) XII, 372 S. Cambridge 1995: Council on East Asian Studies Harvard University.\\  Constantine Vaporis stellt die Annahme in Frage, dass ein ausgefeiltes und restriktives System von Reisevorschriften in Tokugawa, Japan, ein weit verbreitetes Reisen verhinderte. Stattdessen wird die These untersucht, dass sich in dieser Zeit eine „Kultur der Bewegung“ ("culture of movement") entwickelt habe.
   * ''Ortheil, Hanns-Josef''\\ //Schreiben und Reisen. Wie Schriftsteller vom Unterwegs-Sein erzählen.//\\ in:  Moennighoff, B./von Bernstorff, W./Tholen, T.(Hg.), Literatur und Reise. Hildesheim: Universitätsverlag (2013): 7-31.   * ''Ortheil, Hanns-Josef''\\ //Schreiben und Reisen. Wie Schriftsteller vom Unterwegs-Sein erzählen.//\\ in:  Moennighoff, B./von Bernstorff, W./Tholen, T.(Hg.), Literatur und Reise. Hildesheim: Universitätsverlag (2013): 7-31.
  
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 Der heutige Gebrauch verwischt dagegen solche Unterschiede, die im geschichtlichen Rückblick deutlicher zu erkennen sind. Das Unterwegs-sein als Oberbegriff zu setzen erlaubt daher eine umfassendere Betrachtung. Der heutige Gebrauch verwischt dagegen solche Unterschiede, die im geschichtlichen Rückblick deutlicher zu erkennen sind. Das Unterwegs-sein als Oberbegriff zu setzen erlaubt daher eine umfassendere Betrachtung.
   * ''Winfried Breidbach''\\ //Reise - Fahrt - Gang. Nomina der [[wiki:fortbewegung|Fortbewegung]] in den altgermanischen Sprachen.//\\ Peter Lang 1994  Diss. Köln   * ''Winfried Breidbach''\\ //Reise - Fahrt - Gang. Nomina der [[wiki:fortbewegung|Fortbewegung]] in den altgermanischen Sprachen.//\\ Peter Lang 1994  Diss. Köln
 +    * ''Hamiti, Vjosa''\\ //Das Vollverb fahren mit seinen möglichen Kombinationen mit trennbaren und untrennbaren Präfixen und die Äquivalente im Albanischen.//\\ S. 309–322 in: Elke Hentschel (Hg.): Wortbildung im Deutschen. Tübingen 2016: Narr/Francke/Attempto, 
 +  * ''Paolo Bianchi''\\ //Go, Travel, Drive, Move//.\\ in: ''Paolo Bianchi'' (Hg.): //Ankommen - Hiersein - Weggehen.// Köln 1997: Kunstforum International 136.
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 ==== Der Handlungsablauf des Unterwegs-seins ==== ==== Der Handlungsablauf des Unterwegs-seins ====
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 ==== Die Unterschiede im Unterwegs-sein ==== ==== Die Unterschiede im Unterwegs-sein ====
  
-Alle gebräuchlichen Begriffe für die Formen des Unterwegs-seins sind kulturell geprägtalso auch von den Zeitläuften abhängig+Die Bezeichnungen für die Formen des Unterwegs-Seins leiten sich in vielen Sprachen vom [[wiki:weg|Weg]] ab türk. yul ...) bzw. vom Gehen auf dem Weg, wobei dies nur zwei Perspektiven für dieselbe Vorstellung sind.  
-  * Die Umschreibung mit `sich fortbewegen´ betrachtet das beobachtbare Phänomenindem  die menschliche Dynamik ausgedrückt wird, setzt aber erstens einen `**[[wiki:weg|Weg]]**´ voraus, der weglose Reisen (Erkundungen, ForschungsfahrtExpeditionausschließtund umfasst zweitens nur die ersten beiden Phasen des oben strukturierten Prozesses+  * Lateinisch //via// 'Weg' und -āticus 'zum Weg gehörig' > viaticum > it. viaggiospan. viaje, port. viagem, frz./engl. voyage ..
-  Der **Gang** verengt diese Perspektive auf die dem Menschen urtümlichste Form der [[wiki:fortbewegung|Fortbewegung]]. Das urgermanische Wurzelverb *gan-gan spiegelt durch die Verdoppelung der Silben das rhythmische Schwingen der BeineDer Gang ist zwar eine notwendige  Voraussetzung des Reisensdefiniert eine solche jedoch nicht hinreichend. +  * Griechisch //pontos// 
-  `**[[wiki:wandern|Wandern]]**´ ist verwandt mit `wenden´ und `wandeln´, also `(sich) verändern´. Das Altnordische bezeichnet den Wanderer als //vǫnsuðr // bildlich für `Der Schwingende´ (([[https://skaldic.abdn.ac.uk/m.php?p=wordtextlp&i=308687|Þul Veðra 1 III/1]])). Dieselbe Vorstellung findet sich auch im Persischen und Arabischen  (//mosāfer// مسافر von //Musāfahat// `die Flügel schwingen´) und im I-Ging-Zeichen [[https://de.wikipedia.org/wiki/I_Ging#/media/Datei:Iching-hexagram-56.svg|I-Ging-Zeichen]] 56: Der Wanderer 旅 lǚ. `Achse´ bedeutet schwingen, daher auch `Achsel´, weil die Arme beim Gehen schwingen.+  * altslaw. //пѫть, pǫtĭ// aus proto-slaw *pǫtь путь aus indogerm. *pónteh₁s, verwandt mit sanskrit पथिन्pathin lat. pons, pontis altgr. πόντος, póntos > russ. путь (putʹ) +‎ -е- (-e-) +‎ ше́ствие (šéstvije) ((Proto-Slaw. *šьdlъ (resultative participle, later past tense, of *jьti (“gehen”) + *-ьstvo + *-ьje   )) > шествие shestviye Prozession > Puteshestviye 
 +  * Türkisch yol + -cu 'zum Weg gehörige Gruppe' 
 +  * Germanisch //gangan// und //wegan// > Gang, Weg 
 + 
 +Aus dem zugrundeliegenden Handeln (angezeigt durch Verben der Fortbewegung wie germ. //gangan//, wegan) wird eine abstrakte Tätigkeit (Nomina wie **Gang** oder Weg). Diese grenzt sich zwar ab vom weglosen Gang (z. B. Jagd) und vom zweckfreien Gang (z. B. WallernWandern), enthält jedoch weder Angaben über verwendete technische Mittel noch über ein bestimmtes Ziel oder den verfolgten Zweck. Der Gang nutzt den Weg, weil es ein gemeinsamer Weg ist. Gemeinschaftlich entstandene Wege führen zu anerkannten Zielen, also liegen sowohl dem dem Weg als auch dem Gang immer bekannte Ziele zugrunde.  
 +  * Im Deutschen wurde die Grundform ‚Gang‘ verdrängt durch //Fahrt// und //Reise//
 +  * Im Englischen verdrängten //travel// und //journey// die wegbezogenen Begriffe. 
 + 
 +Die **[[wiki:fahrt|Fahrt]]** wurzelt begrifflich in der Landwirtschaft und verweist im ursprünglichen Sinne auf ein Hilfsmittelsetzt also [[wiki:fuhrwerke|Fuhrwerke]] voraus. Die Fahrt ist eine gemeinschaftlich anerkannte Methode (Ackerbau), die zielgerichtet auf unbekannte Wege außerhalb angewandt wird. Anerkannte Ziele lassen Figuren erkennen: Boten, Gesandte, Kundschafter, Pilger, Entdecker ..
 + 
 +Das **Reisen** erhält erst später in mittelhochdeutscher Zeit die Bedeutung von `unterwegs-sein´ ([[wiki:reisegenerationen#dies inhaltlich unzureichend, untereinander nicht konsistent oder gar widersprüchlich ist|Heidenreise, Preußenreise]]) mit einer aggressiven Bedeutung bereits im Althochdeutschen (reisa), die im englischen //rise on// noch anklingt: Aufstehen und etwas unternehmen, meist im Sinne von Segel setzen, kämpfen, plündern, rauben (ahdrīsan = sich erheben, steigen, fallen).\\ Solch eine aggressive  Bedeutung findet sich hier und da einzelsprachlich auch für die Fahrt, nicht aber für den Gang, das Wandern und WallernDieselbe Bedeutung hat das griechische //Ταξείδιον// (latinsiiert tassedium), ursprünglich als eine //expeditio bellica// ‚kriegerische Reise‘ gedeutet ((''Du Cange'': ''Glossarium ad scriptores mediae et infimae Graecitatis'')), wobei die Aufgabe des Anführers //‚procertari‘// genannt wirdalso ‚sich auf einen Kampf einlassen‘. Das zugrunde liegende Verb //ταξείδεὑειν// kann auch mit //navigare// (‚segeln‘) übersetzt werden. Im 11. Jahrhundert schließlich bezeichnet das Wort //Taxedion// im Venezianischen eine bestimmte Art von Geschäftsunternehmungen (‚Collegantia‘)  ((''Stefania Gialdroni'', ''Albrecht Cordes'', ''Serge Dauchy'', ''Dave De ruysscher'', ''Heikki Pihlajamäki'' (Hg.)\\ //Migrating Words, Migrating Merchants, Migrating Law. Trading Routes and the Development of Commercial Law.//\\ 337 S. Leiden 2020: Brill. [[https://library.oapen.org/bitstream/id/4b7fab3f-6761-4966-ab65-a0a77a15a2be/9789004416642.pdf|Online]] Dort wird verwiesen auf die Quelle: //Constituta legis et usus of Pisa// von 1146-56. In  Kapitel 12 (De socie tate facta inter extraneos, „Von der Gesellschaft zwischen Fremden") erscheint der Begriff tassedium (gr. Ταξείδιον) 23 mal im Sinne von ‚Handelsreise‘)). 
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 +`**[[wiki:wandern|Wandern]]**´ ist verwandt mit `wenden´ und `wandeln´, also `(sich) verändern´. Das Altnordische bezeichnet den Wanderer als //vǫnsuðr // bildlich für `Der Schwingende´ (([[https://skaldic.abdn.ac.uk/m.php?p=wordtextlp&i=308687|Þul Veðra 1 III/1]])). Dieselbe Vorstellung findet sich im I-Ging-Zeichen [[https://de.wikipedia.org/wiki/I_Ging#/media/Datei:Iching-hexagram-56.svg|I-Ging-Zeichen]] 56: Der Wanderer 旅 lǚ. `Achse´ bedeutet schwingen, daher auch `Achsel´, weil die Arme beim Gehen um dieselbe schwingen.
     * ''Hupfeld, D. H.'': //Noch ein Wort über ἅξιoς und Verwandtes.//\\ Zeitschrift für Vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen, 8.5 (1859) 370–375. [[http://www.jstor.org/stable/40845341|Online]] Mit Bezügen zu Achse, Weg u.a.     * ''Hupfeld, D. H.'': //Noch ein Wort über ἅξιoς und Verwandtes.//\\ Zeitschrift für Vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen, 8.5 (1859) 370–375. [[http://www.jstor.org/stable/40845341|Online]] Mit Bezügen zu Achse, Weg u.a.
-  * Die **[[wiki:fahrt|Fahrt]]** verweist im ursprünglichen Sinne auf ein Hilfsmittel, setzt also die ältesten technischen [[wiki:fuhrwerke|Fuhrwerke]] voraus: [[wiki:schleife|Schleifen]], [[wiki:schlitten|Schlitten]], Boote, später [[wiki:karre|Karren]] und [[wiki:wagenbau|Wagen]] und/oder [[wiki:lasttier|Last]]- und [[wiki:zugtier|Zugtiere]]. 
-  * Das **Reisen** erhält erst später in mittelhochdeutscher Zeit die Bedeutung von `unterwegs-sein´ ([[wiki:reisegenerationen#dies inhaltlich unzureichend, untereinander nicht konsistent oder gar widersprüchlich ist|Heidenreise, Preußenreise]]) mit einer aggressiven Bedeutung bereits im Althochdeutschen (reisa), die im englischen //rise on// noch anklingt: Aufstehen und etwas unternehmen, meist im Sinne von Segel setzen, kämpfen, plündern, rauben (ahd. rīsan = sich erheben, steigen, fallen).\\ Solch eine aggressive  Bedeutung findet sich hier und da einzelsprachlich auch für die Fahrt, nicht aber für den Gang, das Wandern und Wallern. 
  
 ==== Die Legitimation des Aufbruchs ==== ==== Die Legitimation des Aufbruchs ====
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