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wiki:geleisestrassen

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Inhaltsverzeichnis

Geleisestraßen

Im neuen Gleise geht der Wagen wohl.
Wer aus dem Gleise kommen ist, dem muss man wieder hineinhelfen.

Deutsches Sprichwörter-Lexicon von Karl Friedrich Wilhelm Wander  

Geleisestraßen sind Einrichtungen für das Fahren im Gelände, aber keine Pisten, es sind angelegte Straßen, keine Wege. Es gab sie sicher in römischer Zeit, wahrscheinlich bereits vorher und sie wurden bis ins 16. und 17. Jahrhundert gebaut, dann jedoch durch den Bau von glatten Fahrbahnen abgelöst 1). Möglicherweise hängt dies zusammen mit der Verbreitung der gefederten Kutsche ab dem 16. Jahrhundert und der Einführung des Postkutschensystems im 17. Jahrhundert.

Etymologie

Aus der indogermanischen Wurzel *leis- im Sinne einer ‘Ackerfurche’, die durch den Boden gezogen wurde, übertragen auf die Furche der Wagenräder, die diese durch das Fahren im Boden hinterlassen (9. Jh. ahd. waganleisa ‘Wagenspur’) 2), dann abstrahier als geleise (14. Jh. spätmhd.) für die Rille im Boden, die das Rad führt, damit es nicht `entgleist´. Daher meint `entgleisen´ auch ein unkontrolliertes, ausfallendes Verhalten. Anschließend muss man die Sache wieder in das rechte Gleis bringen.

Geleisestraßen entstanden natürlich dort, wo schwere Wagen immer wieder dieselbe Spur nahmen.
Geleisestraßen wurden jedoch meist gezielt angelegt, damit sie lenkbar und bremsbar blieben, also an Gefällestrecken auf felsigem Gelände. Natürliche Geleise sind daher wannenförmig ausgefahren (Spurrinnen), während führende Geleise mindestens vier Zentimeter tiefe U- oder V-förmige Spuren aufweisen. Weil dadurch die Seitenkräfte geringer werden, kann die Zugkraft an Steigungen optimaler genutzt werden. Solche angelegten Geleisestraßen unterscheiden sich daher auch durch die Trassenführung (Breite, Steigung, doppelte Geleise) von durch Abnutzung entstandenen Geleisewegen und sind häufig Hohl- oder Hangwege. Experimentell (Schneider 2007) wurde ermittelt, dass Steinmetze im Kalkgestein 5–7 m, im Gneis 1,5–2 m und im Granit bis zu einem Meter Geleise täglich erstellen können. Die Spurweite war zumindest regional standardisiert, damit die Wagenbauer dies bei der Spurbreite berücksichen konnten.

Literatur

  • Georg Brunner
    Der Nachweis römischer Wege und Karrengeleise durch Funde von Hufschuhfragmenten (Julier, Septimer, Maloja, Lenzerheide). in: Jahresbericht Archäologischer Dienst Graubünden (2002), S. 116–123.
  • Georg Brunner
    Sind Karrengeleise ausgefahren oder handgemacht?
    in: Helvetia Archaeologica 30 (1999) 31-41.
  • Bulle, Heinrich
    Geleisestraßen des Altertums
    Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1947, Heft 2
    München 1948, 133 S., 30 Tafeln
  • Denecke, Dietrich
    Methoden und Ergebnisse der historisch-geographischen und archäologischen Untersuchung und Rekonstruktion mittelalterlicher Verkehrswege.
    in: H. Jankuhn/R. Wenskus(Hg.), Geschichtswissenschaft und Archäologie. Untersuchungen zur Siedlungs-, Wirtschafts-, und Kirchengeschichte (Sigmaringen 1979) 433-483
    Eine systematische Begrifflichkeit, insbesondere S. 444-446
  • David P. Drew
    Cart ruts and karren. Karstificationand human impacts in Malta. in: Joan-Josep Fornós, Àngel Ginés (Hg.), Karren Landforms. Proceedings of the international Symposium held in Sóller (Mallorca) on 19 th –24th of September 1995, Palma 1996, S. 403–420
  • Ehrensperger, C. P.
    Hohlwege und Karrengeleise. Zwei Merkmale urgeschichtlicher Verkehrswege.
    In: Scheidegger, F. (Hrsg.): Aus der Geschichte der Bautechnik. Bd. 2: Anwendungen. Basel 1992, S. 72–81
  • L. Franz
    Alte Geleisestraßen in Tirol.
    in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums 31 (1951) 138ff.
  • Beat Horisberger
    Zur Problematik der »römischen Karrgeleise« im schweizerischen Jura. in: Archäologie des Kantons Solothurn 8 (1993) 7-35
  • Karel J. Hughes
    Persistent features from a palao-landscape: the ancient tracks of the Maltes Islands. in: The Geographical Journal 165 (1999) 62–78
  • Karrenweg.
    In: Grimm, W./Grimm, J. (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Bd. 11: K - Kyrie. München 1999, S. 229 f.
  • P. Mayr
    Randbemerkungen zur „Via Claudia Augusta“
    I: Karrenweg oder Monumentalstraße?
    in: Der Schlern 57 (1983) 147 ff;
    II: Die „römischen Geleisestraßen“.
    in: Der Schlern 57 (1983) 267 ff.
  • Pöll, Johannes
    Spuren alter Verkehrswege in Nordtirol–Geleisestraßen.
    in: Über die Alpen (2002), S. 73-81
  • Rottländer, Rolf
    Gebrauchsspuren an Wegen. Archäologische Informationen 11.2 (1988) 183-187.
  • Schaffner, Stefan Untersuchungen zu ausgewählten Problemen der nominalen Morphologie und der Etymologie der altindogermanischen Sprachen … Habilitationsschrift 2005 Online.
  • Schneider, Guy
    Alle Wege führen nach Rom. Auch Geleisestraßen?
    In: Harald Koschik (Hg.): Alle Wege führen nach Rom … Internationales Römerstraßenkolloqium Bonn [vom 25. bis 27. Juni 2003]. Pulheim-Brauweiler 2004: Rhein-Eifel-Mosel-Verl. (Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland, 16), S. 67–78.
  • Schiedt, Hans-Ulrich, Guy Schneider, Heinz E. Herzig. „Historische Straßen-und Wegeforschung in der Schweiz.“ Vorträge und Forschungen 66 (2007): 119-159.
  • Schneider, G. „Geleisestraßen. Ein Verkehrsträger für Jahrhunderte.“ HU Schiedt, G. Schneider and HE Herzig, Historische Straßen-und Wege forschung in der Schweiz, Strassen und Verkehrswesenimhohen und späten Mittelalter (2007): 124-146.
  • Uwe Topper
    Unerklärliche Felsengleise. 25 Jahre Forschung und keine Lösung des Rätsels in Sicht.
    Synesis 3 2016 50-57
  • Veling, Alexander. „Altwegeforschung. Forschungsstand und Methoden.“ (2014). aventinus varia Nr. 44 [28.03.2014] https://www.aventinus-online.de/varia/wissenschaftsgeschichte/art/Altwegeforschun/html/ca/view.html
1)
G. Kühn: Der gleislose Erdbau. Berlin Springer 1956
2)
as. waganlēsa, ahd. waganleisa ’Wagenspur’, mhd. leise ’Spur’ < *loisáh2- : Wz. *leis- ’einer Spur nachgehen’ (Schaffner 2005)
wiki/geleisestrassen.1648357378.txt.gz · Zuletzt geändert: 2022/03/27 05:02 von norbert

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