====== Auf Schusters Rappen ====== Scherzhafte Metapher für `zu Fuß reisen´ oder `lange Strecken zu Fuß gehen´ mit der Nebenbedeutung `weil man sich nichts anderes leisten kann´ und oft als bildhafte Gegenüberstellung //Fußgänger-Reiter//: * 1644: »man ist übel beritten //auff deß Schusters Rappen//« ((''Georg Philipp Harsdörffer''\\ //Das Schauspiel teutscher Sprichwörter//\\ Gerhardt, Nürnberg 1644/1657, S. 338)) * 1686: »Dieser kennt mich nicht mehr, aber ich ihn wohl. Sein Vater war ein spitzfediger Mann, denn er ist ein Nadelmächer gewest; sein Mutter war ein sauberes Weib, denn sie war eines Wäschers Tochter. Dieser ist jetzt so groß, daß er im Wagen fährt, der vorher //auff des Schusters Rappen// geritten.« (( ''Abraham a Santa Clara''\\ //Judas Der Ertz-Schelm Für ehrliche Leuth// ...\\ Erster Thail, Band 1, Haan, Salzburg 1686, S. 305)) * 1690: »Darmit nahm er sein ''traheme post te'' ((»Ziehe mich dir nach, so laufen wir« in: Hohelied Salomon 1.3)) wieder auf den Buckel, ergriffe das //Vademecum// ((ein kleinformatiges Heft für unterwegs mit nützlichem Inhalt)) oder den Bothen-Spieß bey der Hand und //traballirte// ((angestrengtes Gehen, aus dem frz. travailler)) immer auf des //Schusters Rappen// seines Weges fort.« ((//Europäischer Mercurius oder Götter-Both:// das ist jetzt lebend- und regierender Potentaten Kriegs- und Friedens-Actiones, darinnen monatlich dem curieusen Liebhaber deroselben Staats-Maximen, getroffene Alliantzen, blutiggehaltene Scharmützel, hart-beschehene Belägerungen, glücklich-gethane Eroberungen etc., samt allem, was sich sonsten im ganzen Europa hin und wieder am Merck- und Denckwürdigsten begeben und zugetragen; von einer unparteyischen Feder vor Augen gestellt werden. Nürnberg 1690, Jan.-Febr S. 72)) * Met Schausters Rappen föhren (Sprichwort) (( KFW Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon: Sattel bis Wei, Band 4, Brockhaus, 1876, S. 401 Nr. 41 und 43, 1387 Nr. 70: Übel beritten auf Schusters Rappen )) * drauf lief ich, wie ein don Quischott,\\ hinab hinan die erde,\\ bald kuhschritt und bald hundetrott,\\ auf meines //schusters pferde//. ((''Johann Gottfried Seume''\\ //Lebenslauf Jeremias Bunkels, des alten Thorschreibers//)) Die nächstliegende Deutung von `Schusters Rappen´ als `schwarze Stiefel´ verweist auf eine Entstehung im oberdeutschen Sprachraum, denn dort enstand der Begriff `[[http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=schuster|Schuster]]´ ((aus schuo(ch)ster < mittelhochdeutsch schuochsūter, aus: schuoch und sūter (lat.), also `Schuhnäher´; im Norddeutschen war es der Schumacher. Entsprechend ist `Schumachers Rappen´ selten und erst durch Johann Peter Hebel 1850 im "Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes" stärker verbreitet.)) im [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 15. Jahrhundert|15. Jahrhundert]] und dort wurden dunkle (`rabenschwarze´) Pferde seit Anfang des [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 16. Jahrhundert|16. Jahrhunderts]] als `[[http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=rappe|Rappen´]] bezeichnet, als ein besonders edles Pferd. Aus diesem Sprachraum stammen auch die ältesten Belege. Für diese Deutung spricht auch, das dasselbe Bild (reiten > zu Fuß gehen) sowohl in älteren Metaphern (auf dem Apostelpferd reiten) sowie in benachbarten Sprachen verbreitet ist, (Beispiele siehe unter [[wiki:zu_fuss_reisen|zu Fuß reisen]]). Eine andere Deutung findet den Begriff im südwestdeutschen Raum (Breisgau) unter dem Einfluss des Alemannischen; dort ist `rapp´ der Rabe, im [[wiki:reisegenerationen#14. Jahrhundert|14. Jahrhundert]] der `Kolmar-Rappen´ (Elsass) und seit dem [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 15. Jahrhundert|15. Jahrhundert]] der `Rappen´ (Freiburg) eine kleine schwarze Münze mit einem Vogelkopf (Rabe?); `berappen´ (`die Zeche bezahlen´) wanderte aus der Studenten- und Gaunersprache (Rotwelsch) über die schwäbische Krämersprache ins Hochdeutsche ein ([[wiki:reisegenerationen#Ab dem 19. Jahrhundert|19. Jahrhundert]]) ((''Lutz Röhrich''\\ // Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten.// Band 1-5, Herder, Freiburg, Basel, Wien 1994 und dort [[https://books.google.de/books?id=zopdYm1vIlQC&pg=PA48&lpg=PA48&dq=berappen+herkunft&source=bl&ots=kA6CZQP6kk&sig=0Aro3xYGX-kFuGwHaQZC0rhKdqw&hl=de&sa=X&ei=2KhsU-zNFsjYOvmSgegB#v=onepage&q=berappen%20&f=false|weitere Deutungen]] )). ==== Der Beschuhte ist eine Art Reiter ==== Der älteste bildhafte Vergleich (zu Fuß gehen > Reiter) findet sich im Koran als Ausspruch Muhammads »al-munta'ilu ahadu r-rakibaini« //`der Beschuhte ist eine Art Reiter´,// vergleichbar auch in anderen mittelalterlichen arabischen Quellen ((''Anton Spitaler''\\ al-Qalamu aḥadu l-lisānaini \\ Beck München 1989 82 S., hier: S. 26 Nr. 65; Bayerische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse: Sitzungsberichte ; Jg. 1989, H. 2)). ==== Auf der Mutter Fohlen reiten ==== Aus der zweiten Hälfte des [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 12. Jahrhundert|13. Jahrhunderts]] stammen gleichzeitig die Erstbelege für »auf der Mutter Fohlen reiten« (`uf siner muoter vüln´) sowie an gleicher Stelle synonym »er reitet der Zwölfboten Pferd« (`er ritet der zwelfboten pfert´) ((''Heinrich von Freiberg''\\ //Tristan//\\ Verse 2191 und 2195, z.B. in: ''Alois Bernt''\\ //Heinrich von Freiberg mit Einleitungen über Stil, Sprache, Metrik, Quellen und die Persönlichkeit des Dichters//\\ Niemeyer Halle 1906 )), eindeutig spottend. Im [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 15. Jahrhundert|15. Jahrhundert]] dichtet ''Michael Beheim'' im //Buch der Wiener 1462 - 1465// ((Hölzl Wien, S. 203, Z. 29)): Wir musten all zu fußen gan, man sach viel manchen werden man reiten auff seiner muter voln. ==== Auf dem Apostelpferd reiten ==== Der "Zwölfboten Pferd" bezieht sich auf die zwölf Apostel, die von Jesus als Boten des Glaubens zu Fuß in alle [[wiki:orientierung|Himmelsrichtungen]] geschickt wurden, nämlich [[wiki:per_pedes_apostolorum|per pedes apostolorum]]. Die lateinische Redewendung wurde im Volksmund zum `Apostelpferd´, selbstironisch, spöttisch oder ein angeberisches Verhalten bezeichnend: * 1571:\\ »darnach macht er sich von dem ort mit sein //apostelpferden// fort auf Rom« ((''Johann Fischart''\\ //Von S. Dominici Leben// ...\\ Oberursel 1571 )) * 1585:\\ »sondern auf der Apostel Pferd wolt sie zu Fuß postieren« ((''Jakob Feucht''\\ //Epitome Postillae Feuchthianae maioris De Sanctis// ... Bd. 2 \\ Sartorius, Ingolstadt 1585 S. 54)) * [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 16. Jahrhundert|16. Jahrhundert]]: »Solches wurden sie all lachen, und auß diser seiner unbesunnenen rede sein apostelpferdt iedermann zu wissen« ((''Felix Bobertag'' (Hrsg.) //Vierhundert Schwänke des sechzehnten Jahrhunderts// Darmstadt 1964. 336, 32 )) * 1652:\\ »Dat ick quam in ein vörnehme Stadt\\ up mine Apostel Peerde gereden» ((''Johannes Lauremberg''\\ //Veer Scherzgedichte// … In Nedderdüdisch gerymet, Dänemark 1652, Gedicht 4, 54 )) * Holstein:\\ Der wandernde Poet kam up synem //Apostelpeerde// gereden.\\ Spann dine //Apostelpêr// an. (Geh und mach' dich auf die Füsse.) ((Johann Friedrich Schütze\\ Holsteinisches Idiotikon: ein Beitrag zur Volkssittengeschichte. Villaume, Hamburg 1800 S. 44)) * Westfalen\\ Up dem Apostelpearde riyen ((Wander: Deutsche Sprichwörter)) * Dänisch:\\ At bruge Apostlernes hest eller vogn. * Schwedisch:\\ med apostla hästarne\\ använda apostlahästarna schwedisch ((Norstedts svenska ordbok. Språkdata och Norstedts Akademiska Förlag, 2003, ISBN 91-7227-407-7 `apostlahästar´ S. 31)) * Holländisch:\\ Hij is op sijne [[https://www.dbnl.org/tekst/stoe002nede01_01/stoe002nede01_01_0094.php|apostel-paarden]] gekomen. (( Wander mit Verweis auf: Sprenger III; Harrebomée, I, 16.))\\ Hij moet vertrekken per pedes apostolorum. (Harrebomée, I, 17.) ==== Auf den Pferden des heiligen Franciscus ==== Diese Formulierung bezieht sich auf die wandernden Franziskanermönche (frz. Cordeliers, engl. Franciscan friars) bzw. Kapuzinermönche (frz. capucins): * Deutsches Sprichwort\\ //Er kommt auf den Pferden des heiligen Franciscus.// ((Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873 Nr. 883)) * Niederländisch\\ //Met de paarden van Sint Franciscus.// ((Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873 Nr. 883 > Harrebomée, II, 165b.)) * Französisch\\ Le cheval des capucins.\\ Aller sur la haquenée (mule) des cordeliers.\\ Haquenée ist eine Stute, mule ein Maultier.\\ 1692:\\ il est venu //sur la baquenée des Cordeliers//\\ Aller //sur la mule des Cordeliers// ((''Nathanael Duez''\\ //New corrigirte verbesserte und vermehrte Frantzösische grammatica//\\ Johann Jacob Schmidt, Frankfurt 1692 ))\\ il est venu paria voiture des cordeliers« ((''Johann Theodor Jablonski''\\ //Nouveau dictionnaire francois-allemand// ...\\ 1740)) * Spanisch\\ el caballo de San Francisco * Italienisch\\ 1782:\\ (andare, venire sul) //col cavallo di San Francesco// (`auf dem Pferd des heiligen Franzikus´)\\ ((''Nic. di Castelli''\\ //Nuovo Dizionario Italiano-Tedesco, E Tedesco-Italiano, Oder Neues Italienisch-Deutsches und Deutsch-Italienisches Wörterbuch//\\ M - Z, Band 2 Weidmann/Reich, 1782)) ==== Auf der Kuhhaut reiten ==== * »eine Kuhhaut reiten« hat dagegen mit `zu Fuß gehen´ nichts zu tun. Bis in die Neuzeit wurden Straftäter für besonders schwere Vergehen in eine Kuhhaut eingenäht und durch die Straßen gezogen oder bis zum Richtplatz: » Wohlverdientes Todesurtheil über Matthias Sandner, vulgo Windbeutel genannt, welcher ... allhier in München heute den 14. Julii 1781 wegen seinen eingestandenen straßenrauberischen, dann die öffentliche Ruhe und Sicherheit stöhrenden ... Verbrechen, //in einer Kühehaut zur Richtstatt geschleifet// und ... mit glühenden Zangen gezwicket worden, obwohl er ... geradbrecht werden sollte wegen Entdeckung aber seiner vielen Diebs-Cammeraden ... durch Zerstossung seiner Glieder vom Leben zum Tode gerichtet worden, ... [S.l.]: 1781 « ((urn:nbn:de:bvb:19-epub-12826-1)) ==== Shanks's pony reiten ==== * Englisch 1729:\\ //by [[https://wordhistories.net/2016/07/05/shanks-pony/|Shanks's pony]]// (mare) ((Erstbeleg in: ''Allan Ramsay''\\ //The Tea-Table Miscellany: Or, a Complete Collection of Scots Sangs//, "Scornfu’ Nansy" 1729.)) \\ To ride in the marrow-bone ((engl. „Markknochen“ > im Sinne von `markerschütternd´)) (stage, coach) * to ride on [[https://wordhistories.net/2016/07/05/shanks-pony/|shanks's pony]]\\ Shanks sind die `Waden, Unterschenkel´ und scheint jedoch im Straßenjargon »to shank aff« eher ein unseriöses `abhauen´ auszudrücken ((John Jamieson\\ Scottish Dictionary and Supplement: In Four Volumes. L-Zic, Band 2, Tail, 1841)).