====== Geleisestraßen ====== Im neuen Gleise geht der Wagen wohl. Wer aus dem Gleise kommen ist, dem muss man wieder hineinhelfen. Karl F. W. Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexicon ==== Straßenbau ==== Geleisestraßen sind Einrichtungen für das [[wiki:fahrsituationen#Fahren im Gelände|Fahren im Gelände]], aber keine [[wiki:pisten|Pisten]], es sind angelegte [[wiki:strasse|Straßen]], keine [[wiki:weg|Wege]]. Es gab sie sicher in römischer Zeit, wahrscheinlich bereits vorher und sie wurden bis ins 16. und 17. Jahrhundert gebaut, dann jedoch durch den Bau von glatten [[wiki:bahn|Fahrbahnen]] abgelöst ((''G. Kühn'': //Der gleislose Erdbau.// Berlin Springer 1956; siehe auch [[wiki:macadam|Macadam]])). Möglicherweise hängt dies zusammen mit der Verbreitung der gefederten [[wiki:kutschen|Kutsche]] ab dem [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 16. Jahrhundert|16. Jahrhundert]] und der Einführung des [[wiki:postkutsche|Postkutschensystems]] im [[wiki:reisegenerationen#Ab dem 17. Jahrhundert|17. Jahrhundert]]. Geleise//wege// mit wannenförmig ausgefahrenen ([[wiki:spurrinnen|Spurrinnen]]) entstehen natürlich dort, wo schwere [[wiki:wagenbau|Wagen]] immer wieder dieselbe [[wiki:spur|Spur]] nehmen. Geleise//straßen// wurden jedoch gezielt angelegt, damit die [[wiki:fuhrwerke|Fuhrwerke]] bremsbar blieben und dabei nicht seitlich ausbrachen, meist also an Gefällestrecken auf felsigem [[wiki:gelaende|Gelände]] (→ [[wiki:alpenpaesse|Alpenpässe]]). Solch führende Geleise besitzen mindestens vier Zentimeter tiefe, U- oder V-förmige Rillen in gleichbleibendem Abstand. Die Geleise sparen Lenkkräfte, weil die Seitenkräfte geringer werden. Das schont die [[wiki:nutztiere|Zugtiere]] und ermöglicht mehr [[wiki:zugkraft_freie|freie Zugkraft]] zur Vorfahrt an [[wiki:steigung|Steigungen]]. Solche angelegten Geleisestraßen unterscheiden sich daher auch durch die Trassenführung (Breite, Steigung, doppelte Geleise) von durch Abnutzung entstandenen Geleisewegen und sind häufig Hohl- oder Hangwege. Experimentell (Schneider 2007) wurde ermittelt, dass Steinmetze im Kalkgestein 5–7 m, im Gneis 1,5–2 m und im Granit bis zu einem Meter Geleise täglich erstellen können. Die Spurweite war zumindest regional standardisiert, damit die [[wiki:wagenbau|Wagenbauer]] dies bei der [[wiki:spurbreite|Spurbreite]] berücksichen konnten. ==== Etymologie ==== Aus der indogermanischen Wurzel *leis- im Sinne einer ‘Ackerfurche’, die durch den Boden gezogen wurde, übertragen auf die Furche der Wagenräder, die diese durch das Fahren im Boden hinterlassen (9. Jh. ahd. //waganleisa// ‘Wagenspur’) ((as. waganlēsa, ahd. waganleisa ’Wagenspur’, mhd. leise ’Spur’ < *loisáh2- : Wz. *leis- ’einer Spur nachgehen’ (Schaffner 2005) )), dann abstrahier als //geleise// (14. Jh. spätmhd.) für die Rille im Boden, die das Rad führt, damit es nicht `entgleist´. Daher meint `entgleisen´ auch ein unkontrolliertes, ausfallendes Verhalten. Anschließend muss man die Sache wieder in das rechte Gleis bringen. ==== Literatur ==== * ''Georg Brunner''\\ //Der Nachweis römischer [[wiki:weg|Wege]] und [[wiki:karre|Karren]]geleise durch Funde von Hufschuhfragmenten (Julier, Septimer, Maloja, Lenzerheide)//.\\ in: Jahresbericht Archäologischer Dienst Graubünden (2002), S. 116–123. * ''Georg Brunner''\\ //Sind [[wiki:karre|Karren]]geleise ausgefahren oder handgemacht?//\\ in: Helvetia Archaeologica 30 (1999) 31-41. * ''Bulle, Heinrich''\\ //Geleise[[wiki:strasse|straßen]] des Altertums//\\ Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1947, Heft 2\\ München 1948, 133 S., 30 Tafeln * ''Denecke, Dietrich''\\ //Methoden und Ergebnisse der historisch-geographischen und archäologischen Untersuchung und Rekonstruktion mittelalterlicher Verkehrswege.//\\ in: H. Jankuhn/R. Wenskus(Hg.), Geschichtswissenschaft und Archäologie. Untersuchungen zur Siedlungs-, Wirtschafts-, und Kirchengeschichte (Sigmaringen 1979) 433-483\\ Eine systematische Begrifflichkeit, insbesondere S. 444-446 * ''David P. Drew''\\ //Cart ruts and karren//. //Karstificationand human impacts in Malta//. in: Joan-Josep Fornós, Àngel Ginés (Hg.), //Karren Landforms//. Proceedings of the international Symposium held in Sóller (Mallorca) on 19 th –24th of September 1995, Palma 1996, S. 403–420 * ''Ehrensperger, C. P.''\\ //Hohlwege und Karrengeleise. Zwei Merkmale urgeschichtlicher Verkehrswege.//\\ In: Scheidegger, F. (Hrsg.): Aus der Geschichte der Bautechnik. Bd. 2: Anwendungen. Basel 1992, S. 72–81 * ''L. Franz''\\ //Alte Geleisestraßen in Tirol.//\\ in: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums 31 (1951) 138ff. * ''Beat Horisberger''\\ //Zur Problematik der »römischen Karrgeleise« im schweizerischen Jura//.\\ in: Archäologie des Kantons Solothurn 8 (1993) 7-35 * ''Karel J. Hughes''\\ //Persistent features from a palao-landscape: the ancient tracks of the Maltes Islands.// in: The Geographical Journal 165 (1999) 62–78 * //Karrenweg.//\\ In: Grimm, W./Grimm, J. (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Bd. 11: K - Kyrie. München 1999, S. 229 f. * ''P. Mayr''\\ //Randbemerkungen zur „Via Claudia Augusta“.//\\ I: [[wiki:karre|Karren]][[wiki:weg|weg]] oder Monumentalstraße?\\ in: Der Schlern 57 (1983) 147 ff;\\ II: Die „römischen Geleisestraßen“.\\ in: Der Schlern 57 (1983) 267 ff. * ''Pöll, Johannes''\\ //Spuren alter Verkehrswege in Nordtirol–Geleisestraßen.//\\ in: Über die Alpen (2002), S. 73-81 * ''Rottländer, Rolf''\\ //Gebrauchsspuren an Wegen.// Archäologische Informationen 11.2 (1988) 183-187. * ''Schaffner, Stefan''\\ //Untersuchungen zu ausgewählten Problemen der nominalen Morphologie und der Etymologie der altindogermanischen Sprachen ...// Habilitationsschrift 2005 [[https://indogermanistik.cms.rrze.uni-erlangen.de/files/2018/02/Stefan-Schaffner_Habilitationsschrift_Untersuchungen-zu-ausgew%C3%A4hlten-Problemen-1.pdf|Online]]. * ''Schneider, Guy''\\ //Alle Wege führen nach Rom. Auch **Geleisestraßen**?//\\ In: Harald Koschik (Hg.): Alle Wege führen nach Rom ... Internationales Römerstraßenkolloqium Bonn [vom 25. bis 27. Juni 2003]. Pulheim-Brauweiler 2004: Rhein-Eifel-Mosel-Verl. (Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland, 16), S. 67–78. * ''Schneider, Guy''\\ //Geleisestraßen. Ein Verkehrsträger für Jahrhunderte.//\\ Kapitel II (124-146) in: ''Schiedt, Hans-Ulrich'', ''Guy Schneider'', ''Heinz E. Herzig''\\ //Historische Straßen-und Wegeforschung in der Schweiz.//\\ in: Schwinges, Rainer Christoph: Straßen- und Verkehrswesen im hohen und späten Mittelalter. Sigmaringen 2007: Thorbecke, S. 119-159 * ''Uwe Topper''\\ //Unerklärliche Felsengleise. 25 Jahre Forschung und keine Lösung des Rätsels in Sicht.//\\ Synesis 3 2016 50-57 * ''Veling, Alexander''\\ //Altwegeforschung. Forschungsstand und Methoden.//\\ 2014. aventinus varia Nr. 44 [28.03.2014] [[https://www.aventinus-online.de/varia/wissenschaftsgeschichte/art/Altwegeforschun/html/ca/view.html|Online]]