====== Gehen ====== Der Gang ist eine Form des [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-seins]] wie die [[wiki:fahrt|Fahrt]] und die [[wiki:reisen|Reise]]. `Gehen´ wurzelt im indogermanischen *ğhengh `schreiten, Schritt´ und bedeutete in allen germanischen Sprachen als *//ganga// die Fortbewegung aus eigener Kraft ohne Hilfsmittel und ist eines der 21 germanischen [[wiki:unterwegs-sein|Nomina der Fortbewegung]] ((''Winfried Breidbach''\\ //Reise - [[wiki:fahrt|Fahrt]] - Gang. Nomina der Fortbewegung in den altgermanischen Sprachen.//\\ Diss. Köln Peter Lang 1994)). Zusammen mit *//wega// als Ort der Fortbewegung und *//senþa// als Ziel bzw. Richtung der Fortbewegung ist es urgermanischen Ursprungs mit einem über die Zeiten unveränderten Bedeutungsgehalt. Dagegen bezeichnet `wandern´ ursprünglich ganz sachlich `einen geraden Weg zurücklegen´ mit einer Nebenbedeutung von `verändern´ im Sinne von `wandeln´ und `wenden´ als einem endlosen hin und her, vielleicht an die Erfahrung des Gehens hinter dem Pflug zwischen den //Gewänden// der Ackerfläche sich anlehnend so wie auch die `[[wiki:fahrt|Fahrt]]´ an das Gehen in der //Furche// angelehnt ist, jedoch früh übertragen wird auf das [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-sein]] außerhalb der Gemeinschaft durch die [[wiki:wildnis|Wildnis]]. `Gehen´ dient hier als Kategorie für zahlreiche Umschreibungen (Periphrasen) der [[wiki:fortbewegung|Fortbewegung]] zu Fuß, die sich allenfalls vordergründig durch ihre Bewegungstechnik unterscheiden, vielmehr aber durch Einstellungen und Zuordnungen geprägt sind, durch Attribute ([[wiki:stab|Wanderstab]], Pilgerstock, Hut, [[wiki:rucksack|Rucksack]] u.a.) bezeichnet werden, manchmal [[wiki:stereotyp|Stereotypen]] erkennen lassen und sich hier und da mit Formen der [[wiki:fussreisen|Fußreise]] verbinden lassen: * **Bummeln** → [[wiki:bummler|Bummler]] * **Flanieren** → [[wiki:flaneur|Flaneur]] * **[[wiki:fussreisen|Fußreise]]** * **Fußwandeln** ((''Johann Gottfried Seume''\\ [[http://www.zeno.org/Literatur/M/Seume,+Johann+Gottfried/Reisebeschreibungen/Mein+Sommer|Mein Sommer]] //»Ich halte den Gang für das Ehrenvollste und Selbständigste in dem Manne und bin der Meinung, daß alles besser gehen würde, wenn man mehr ginge. Man kann fast überall bloß deswegen nicht recht auf die Beine kommen und auf den Beinen bleiben, weil man zuviel fährt. Wer zuviel in dem Wagen sitzt, mit dem kann es nicht ordentlich gehen.«//)) * **Laufen** * **Lustwandeln** * **[[wiki:Marsch|Marschieren]]** * **Migrieren**\\ als Form der frühen Ausbreitung des Menschen über die Erde. * **Nomadisieren**\\ als traditionelle Wirtschaftsform und Lebensweise → [[wiki:nomaden|Nomaden]] * **Ojle Regel sein**\\ jüdisch-deutsche Redensart: Die jüdischen Hauptfeste Ostern, Pfingsten und Laubhütten werden auch die drei Wallfahrten (Regulim) genannt; das Wallfahren nach Jerusalem während dieser Feiertage hiess »Olje Regel«. Da „Regel“ auch Fuss bedeutet, übertrug sich die Bedeutung auch auf `Reise´. ((''Karl Friedrich Wilhelm Wander''\\ //Deutsches Sprichwörterlexikon//\\ Brockhaus, Leipzig 1867–1880)) * **[[wiki:passant|Passant]]** * **[[wiki:peregrinus|Peregrinieren]]** → [[wiki:peregrinus|Peregrinus]] * **[[wiki:per_pedes_apostolorum|Per pedes apostolorum]]** * **Pilgern** → [[wiki:pilger|Pilger]] * **Schreiten** * Auf **[[wiki:Schusters Rappen|Schusters Rappen]]** * Auf seiner Mutter Fohlen * Auf dem [[wiki:Apostelpferd|Apostelpferd]] * **[[wiki:spaziergang|Spaziergang]]** * Mit Stock und Hut: //te voet gaan met een stok in de hand// ((''J. M. Calisch''\\ //Neues, vollständiges deutsch-holländisches und holländisch-deutsches Wörterbuch// ...\\ Tielkemeijer, 1851)) * **Tippeln** → Tippelbruder, → Tippelschickse\\ In der Sprache des [[wiki:fahrendes_volk|Fahrenden Volkes]] (Rotwelsch) im Sinne von `weite Strecken zu Fuß gehen´, in ständiger Bewegung sein, rasch schreitend, bettelnd umherziehen; seine Zeche berappen, also bezahlen (([[http://www.woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/startGlobalSearch.tcl?stichwort=Tippeln|Pfälzisches Wörterbuch]])); eher abwertend als → Tippelbruder im Sinne von Landstreicher und → Tippelschickse im Sinne von Dirne der Handwerksburschen. * **Traballieren** * **[[wiki:trekking|Trekking]]** * **Trott(en)** * **Umherschweifen** * **[[wiki:vaganten|Vagant]]** * **Wallern** → Waller > [[wiki:pilger|Pilger]] * **[[wiki:walz|Walz]]** * **Wandeln** * **[[wiki:wandern|Wandern]]** * [[wiki:wandermoench|Wandermönch]] * Wandermeditation:\\ ''Elmar Dalesi'', ''Rolf Kersten''\\ //Zen im Gehen. Von der Wandermeditation zum Street-Zen//.\\ Übungen nach der Lehre von Meister ''Nuel Rho San''.\\ 85 S. Zürich 1996: Benziger. [[https://d-nb.info/947781242/04|Inhalt]] ==== Literatur ==== * siehe auch [[wiki:fussreisen|Fussreisen]] * * ''Culmann, F. W.''\\ //Zur Etymologie der Worte gehen und stehen: ein Wort über indo-germanische Wortbildung.//\\ (=Sprachliche Studien, 5) 72 S. Leipzig 1870: Fleischer. * ''Earls, James'', ''Thomas Myers''\\ //Born to walk: myofascial efficiency and the body in movement.//\\ Berkeley, California North Atlantic Books 2014.\\ (deutsch: Born to Walk Den natürlichen Gang neu entdecken. Aachen Meyer & Meyer 2016) 256 S. * ''Karin Krohn''\\ //Hand und Fuß//.\\ Eine kontrastive Analyse von Phraseologismen im Deutschen und Schwedischen\\ Acta Universitatis Gothoburgensis Göteborg 1994, 182 S. * ''König, Johann-Günther''\\ //Zu Fuß: Eine Geschichte des Gehens.//\\ Reclam Verlag, 2013. * ''Mumot, André''\\ //Irrwege zum Ich//.\\ Eine kleine Literaturgeschichte des Gehens.\\ 294 S., Literaturverz. S. 281 - 289. Zugl. Diss. Univ. Hildesheim 2007. Marburg 2008. Darin Betrachtungen zu und über: * ''Petrarcas'' Brief * ''Friedrich Schiller'': [[wiki:spaziergang|Spaziergang]] * ''Adalbert Stifter'': Hagestolz * [[wiki:bergwelt|Bergbesteigungen]] als Umkreisung des [[wiki:einzelne|Ich]] * Das Mengenmenschenphänomen * ''Edgar Allan Poe'' * ''Thomas Bernhard'': Am Ortler * ''Paul Auster'': City of Glass * ''Christoph Ransmayr'': Der fliegende Berg * ''Birger Solheim''\\ //Extremwandern und Schreiben. Ein kulturhistorischer Streifzug von ''Goethe'' bis ''Hesse''.//\\ 298 S. Ill, Karten, Wien 2018: Böhlau. [[https://doi.org/10.7788/9783412500405|DOI]]\\ Wandertexte von ''Johann Wolfgang von Goethe'', ''Heinrich Heine'', ''Hermann Hesse'', ''Johann Gottfried Seume'', ''Manfred Hausmann'' und anderen Autoren zwischen 1770 und 1930 werden untersucht auf praktisch-konkrete Inhalte, also etwa [[wiki:Orientierung|Orientierung]], [[wiki:wegfindung|Wegfindung]], [[wiki:reisekleidung|Kleidung]], [[wiki:kochen_und_essen|Nahrung]], [[wiki:reisegepaeck|Gepäck]]. * ''Rebecca Solnit''\\ //Walking and Thinking and Walking. Fünf Meilen Gedanken über das Gehen als kulturelle Handlung//.\\ in: ''Paolo Bianchi'' (Hg.): //Ankommen - Hiersein - Weggehen.//\\ Köln 1997: Kunstforum International 136 * ''Wallace, Anne D.''\\ //Walking, Literature, and English Culture: The Origins and Uses of [[wiki:peripatetic|Peripatetic]] in the [[wiki:unterwegs_im_19._jahrhundert|Nineteenth Century]].//\\ X, 265 S. Oxford 1993: Clarendon. [[https://www.gbv.de/dms/bowker/toc/9780198119869.pdf|Inhalt]]