====== Fernweh ====== Was liegt beim Reisen näher als die Ferne? - Ein Germanismus im englischsprachigen Raum, da er ein [[wiki:liste_unuebersetzbarer_reisebegriffe|unübersetzbarer Begriff]] ist, denn das wörtlich ins Englische übersetzte »distance pain« bleibt sinnentleert. - Der Zustand, der dem [[wiki:reisen|Reisen]] vorausgeht wie [[wiki:reisefieber|Reisefieber]]. - Die [[wiki:sehnsucht|Sehnsucht]] nach dem Ort, den man nicht kennt; der überall ist, nur nicht hier. - Vergleichbar sind [[wiki:wanderlust|Wanderlust]], Wandertrieb, Reiselust, [[wiki:peregrinomanie|Peregrinomanie]] - Entsteht aus der Sehnsucht nach dem [[wiki:fremdes|Anderen]], das Andernorts gesucht wird und, wenn es dort nicht zu finden ist, zum [[wiki:heimweh|Heimweh]] wird. - Als soziologisches Phänomen wird es über das Prinzip Hoffnung zur meist zeittypischen Utopie ausgestaltet oder, wenn die Unsicherheit die Hoffnung niederdrückt, zur Dystopie. Fernweh ist ein wesentliches Element in der [[wiki:road_music|road music]] ((Schlager 1967 //Reisen, reisen, in die weite Ferne// Komponist: Herbert Roth, Gerd Michaelis Chor )) und im deutschen [[wiki:road_movie|Road Movie]], insbesondere in den Filmen von ''Wim Wenders'', etwa //Alice in den Städten// (1974). Die Ambivalenz des Fernwehs hat ''Kurt Tucholsky'' (([Pseud. Theobald Tiger] Berliner Illustrirte Zeitung, 21.12.1924)) in Verse gegossen: Luftveränderung Fahre mit der Eisenbahn, fahre, Junge, fahre! Auf dem Deck vom Wasserkahn wehen deine Haare. Tauch in fremde Städte ein, lauf in fremden Gassen; höre fremde Menschen schrein, trink aus fremden Tassen. Flieh Betrieb und Telefon, grab in alten Schmökern, sieh am Seinekai, mein Sohn, Weisheit still verhökern. Lauf in Afrika umher, reite durch Oasen; lausche auf ein blaues Meer, hör den Mistral blasen! Wie du auch die Welt durchflitzt ohne Rast und Ruh –: Hinten auf dem Puffer sitzt du. Erstaunlich ist jedoch, dass dieses Wort noch gar nicht so alt ist. Es scheint durch ''Hermann von Pückler-Muskau'' Einzug in die literarische Welt gehalten zu haben als »Unruhigem, den das Fernweh plagt« ((''Hermann von Pückler-Muskau''\\ //Vorletzter Weltgang von Semilasso//\\ T. 1. In Europa Abth. 3. IV. 319 S. Stuttgart 1835: Hallberger. hier S. 236)) und danach zunehmend, 1903 als [[http://www.zeno.org/nid/20005146984|Gedicht]] von ''Friederike Kempner'' und bei ''Oswald Spengler'', der 1935 meinte: //»Der antike Mensch kannte kein Fernweh, wie es der ständige Blick auf das unendliche Meer und über weite Ebenen hin erzeugt.«// ((Reden und Aufsätze, S. 262)) ---- * ''Irmtraud Hnilica / Malte Kleinwort / Patrick Ramponi'' (Hg.)\\ //Fernweh nach der Romantik//\\ Begriff ? Diskurs ? Phänomen\\ Reihe Litterae, Band 256. 236 S. Freiburg/Br. 2017: Rombach\\ [[https://d-nb.info/1136742336/04|Inhalt]] * ''Christoph Parry'' (Hg.)\\ //"Kennst Du das Land ...?" : Fernweh in der Literatur//\\ Beiträge auf der 14. Internationalen Arbeitstagung "Germanistische Forschungen zum Literarischen Text", Vaasa, 15. - 16.5.2008. (=Perspektiven, 6) 197 S. München 2009: Iudicium [[https://d-nb.info/1000208834/04|Inhalt]]