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wiki:tourist

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wiki:tourist [2022/02/06 10:06] – [Literatur, Anmerkungen, Quellen] norbertwiki:tourist [2022/04/09 04:34] – [Sind wir nicht alle Touristen?] norbert
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 Eigentlich ganz einfach: Der [[wiki:globetrotter|Globetrotter]] treibt sich dort herum, wo er nicht hingehört, in besagtem Grenzgebiet etwa. Der [[wiki:tourist|Tourist]] dagegen ist Teil eines gelenkten »Touristenstroms« und, falls er einzeln auftreten sollte, bereits kein Tourist mehr, weil er sich entschieden hat, sich selbst irgendwohin zu lenken. Das war nicht immer so. Eigentlich ganz einfach: Der [[wiki:globetrotter|Globetrotter]] treibt sich dort herum, wo er nicht hingehört, in besagtem Grenzgebiet etwa. Der [[wiki:tourist|Tourist]] dagegen ist Teil eines gelenkten »Touristenstroms« und, falls er einzeln auftreten sollte, bereits kein Tourist mehr, weil er sich entschieden hat, sich selbst irgendwohin zu lenken. Das war nicht immer so.
  
-Der »Tourist« ist im Englischen 1800 erstmals belegt, im Französischen 1816; ins Deutsche um 1830 übernommen worden und erreucht 1838 die gehobene Literatur ((''Stendhal'' //Mémoires d'un touriste.// 2 Bde. 797 S., 1 Karte. Paris: A. Dupont, 1838)). Er bezeichnete zuerst einen //»[[wiki:reisende|Reisenden]], der zu seinem Vergnügen, ohne festes Ziel, zu längerem Aufenthalt sich in fremde Länder begibt«// (//Grimms Wörterbuch//, daraus auch die weiteren Zitate), also auf [[wiki:Tour|Tour]] ist. So definiert zu werden dürfte einen heutigen Globetrotter kaum stören. Also fielen um 1800 manche [[wiki:reisende|Reisende]] individuell besonders auf, sonst wäre ihnen das damals noch ungewöhnliche Prädikat »der Tourist« nicht zuteil geworden. 1886 ist mit dem »Touristenverein« zum einen bereits eine gewisse Verbreitung zu erkennen – denn wer sonst hätte sich sonst vereinen sollen – und zum anderen zeigt dies ein abgrenzendes Selbstbewußtsein: »Wir Touristen«. Etwa ab 1900 zeigen immer mehr zusammengesetzte Begriffe an, daß »der Tourist« zum abstrakten Phänomen wird: Touristenland, Touristenschiff, Touristenkleidung … 1906 deutet »Touristenvolk« ein massenhaftes Auftreten des Phänomens an, mit abschätzigem Ton. Gedämpft von zwei Weltkriegen und einer Weltwirtschaftskrise wächst »der Tourismus« bis heute ungebrochen.+Der »Tourist« ist im Englischen 1800 erstmals belegt, im Französischen 1816; ins Deutsche um 1830 übernommen worden, erreicht 1838 die gehobene Literatur ((''Stendhal'' //Mémoires d'un touriste.// 2 Bde. 797 S., 1 Karte. Paris: A. Dupont, 1838)) und 1847 die Satire ((''Mountjoy, Guido''\\ //The comic alpenstock.//\\ The Dublin University Magazine 30.179 (1847): 560-566)). Er bezeichnete zuerst einen //»[[wiki:reisende|Reisenden]], der zu seinem Vergnügen, ohne festes Ziel, zu längerem Aufenthalt sich in fremde Länder begibt«// (//Grimms Wörterbuch//, daraus auch die weiteren Zitate), also auf [[wiki:Tour|Tour]] ist. So definiert zu werden dürfte einen heutigen Globetrotter kaum stören. Also fielen um 1800 manche [[wiki:reisende|Reisende]] individuell besonders auf, sonst wäre ihnen das damals noch ungewöhnliche Prädikat »der Tourist« nicht zuteil geworden. 1886 ist mit dem »Touristenverein« zum einen bereits eine gewisse Verbreitung zu erkennen – denn wer sonst hätte sich sonst vereinen sollen – und zum anderen zeigt dies ein abgrenzendes Selbstbewußtsein: »Wir Touristen«. Etwa ab 1900 zeigen immer mehr zusammengesetzte Begriffe an, daß »der Tourist« zum abstrakten Phänomen wird: Touristenland, Touristenschiff, Touristenkleidung … 1906 deutet »Touristenvolk« ein massenhaftes Auftreten des Phänomens an, mit abschätzigem Ton. Gedämpft von zwei Weltkriegen und einer Weltwirtschaftskrise wächst »der Tourismus« bis heute ungebrochen.
  
-»Der Tourismus« ist nicht einfach wahrzunehmen, obwohl er die [[wiki:welt|Welt]] mit einem dichten Geflecht überzogen hat, das es jedermann ermöglicht von jedem Punkt A nach jedem Punkt B zu gelangen: billig, schnell, komfortabel. An Punkt A steigt ein, wer Geld hat und an Punkt B steigt aus, wer seine Wunschträume dort zu finden glaubt. Der Tourismus organisiert heute weltweit die Mobilität, mit der massenhaft vorhandene Lüste, Wünsche, Bedürfnisse befriedigt werden können. Tourist ist, wer dieses [[wiki:system|System]] mit seinen technischen Mittel und wirtschaftlichen Einrichtungen benutzt: ein Reisebüro, eine Ferienanlage, eine Tourengruppe, … Tourist kann ich am Wochenende sein oder in den Ferien, wie ich eben auch Fahrrad- oder Autofahrer, Bahnnutzer oder Fluggast … sein kann, erkennbar an dem, was ich tue.+»Der Tourismus« ist nicht einfach wahrzunehmen, obwohl er die [[wiki:welt|Welt]] mit einem dichten Geflecht überzogen hat, das es jedermann ermöglicht von jedem Punkt A nach jedem Punkt B zu gelangen: billig, schnell, komfortabel. An Punkt A steigt ein, wer Geld hat und an Punkt B steigt aus, wer seine Wunschträume dort zu finden glaubt. Der Tourismus organisiert heute weltweit die Mobilität, mit der massenhaft vorhandene Lüste, Wünsche, Bedürfnisse befriedigt werden können. Tourist ist, wer dieses [[wiki:system|System]] mit seinen technischen Mittel und wirtschaftlichen Einrichtungen benutzt: ein Reisebüro, eine Ferienanlage, eine Tourengruppe, … Tourist kann ich am Wochenende sein oder in den Ferien, wie ich eben auch Fahrrad- oder Autofahrer, Bahnnutzer oder Fluggast … sein kann, erkennbar an dem, was ich tue. Als Gegenentwurf zum Tourismus erscheint das [[wiki:balconing|Balconing]] ohne [[wiki:fortbewegung|Fortbewegung]], während das //[[wiki:weekendismo|weekendismo]]// zwar tourismusähnliche Auswirkungen zeigt, jedoch aus gewohnten Routinen im bekannten Raum entsteht.
  
 Dann ist aber auch, wer sich und seine Reise von einem gedruckten [[wiki:reisefuehrer|Reiseführer]] leiten läßt, ein Tourist. Heutige Reiseführer steuern Massen von Reisenden (siehe Trotter 119: On the beaten track?), die sich dann alle an denselben Orten wiederfinden: //»Touristen, die mit Baedeker oder Murray unterm Arm Sehenswürdigkeit für Sehenswürdigkeit gewissenhaft abtrabten«// (1883). Wie müßte eigentlich ein Reiseführer geschrieben sein, der zwar hilft, sich zurechtzufinden, doch die endgültige Wahl den Reisenden überläßt, der ein »entdeckendes Reisen« fördert und nicht führt, sondern anregt und anstößt? Dann ist aber auch, wer sich und seine Reise von einem gedruckten [[wiki:reisefuehrer|Reiseführer]] leiten läßt, ein Tourist. Heutige Reiseführer steuern Massen von Reisenden (siehe Trotter 119: On the beaten track?), die sich dann alle an denselben Orten wiederfinden: //»Touristen, die mit Baedeker oder Murray unterm Arm Sehenswürdigkeit für Sehenswürdigkeit gewissenhaft abtrabten«// (1883). Wie müßte eigentlich ein Reiseführer geschrieben sein, der zwar hilft, sich zurechtzufinden, doch die endgültige Wahl den Reisenden überläßt, der ein »entdeckendes Reisen« fördert und nicht führt, sondern anregt und anstößt?
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   * 1997 ''Greenblatt, S.''\\ //Warum reisen?//\\ Voyage 1 (1997) 13–17.   * 1997 ''Greenblatt, S.''\\ //Warum reisen?//\\ Voyage 1 (1997) 13–17.
   * 2000 ''Rodrigo Jokisch''\\ //Entscheidung. Eine der drei aktivistischen Konzepte einer Theorie der Gesellschaft//. Eine distinktionstheoretische Beobachtung\\ 2000. www.tu-berlin.de/~society/Jokisch_GB_Entscheidung.htm   * 2000 ''Rodrigo Jokisch''\\ //Entscheidung. Eine der drei aktivistischen Konzepte einer Theorie der Gesellschaft//. Eine distinktionstheoretische Beobachtung\\ 2000. www.tu-berlin.de/~society/Jokisch_GB_Entscheidung.htm
 +  * 2004 ''Christoph Ransmayr''\\ //Geständnisse eines Touristen. Ein Verhör.// Frankfurt am Main 
   * 2009 ''McCabe, S.''\\ //Who is a tourist?//\\ Conceptual and theoretical development.\\ In J. Tribe (Hrsg.), Philosophical issues in tourism Bristol 2009: Channel View Publications, S. 25–42.   * 2009 ''McCabe, S.''\\ //Who is a tourist?//\\ Conceptual and theoretical development.\\ In J. Tribe (Hrsg.), Philosophical issues in tourism Bristol 2009: Channel View Publications, S. 25–42.
   * 2014 ''Löfgren, O.''\\ //Touristen und Pendler.//\\ Voyage 10 (2014) 25–44.   * 2014 ''Löfgren, O.''\\ //Touristen und Pendler.//\\ Voyage 10 (2014) 25–44.
wiki/tourist.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/16 02:02 von norbert

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