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wiki:kochen_und_essen

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wiki:kochen_und_essen [2023/10/20 15:57] – [Die Küche der Armen] norbertwiki:kochen_und_essen [2024/04/30 06:00] (aktuell) norbert
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 ====== Kochen und Essen ====== ====== Kochen und Essen ======
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   »Oysters are alive. I don't eat live food.   »Oysters are alive. I don't eat live food.
   I want my food dead. Not sick, not wounded. Dead.«   I want my food dead. Not sick, not wounded. Dead.«
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   * ''Friedl, Ellen''\\ //Essen auf Reisen.//\\ In: Berwing, Margit und Konrad Köstlin (Hrsg.): Reise-Fieber. Begleitheft zur Ausstellung des Lehrstuhls für Volkskunde der Universität Regensburg. Regensburg 1984. S.172-178   * ''Friedl, Ellen''\\ //Essen auf Reisen.//\\ In: Berwing, Margit und Konrad Köstlin (Hrsg.): Reise-Fieber. Begleitheft zur Ausstellung des Lehrstuhls für Volkskunde der Universität Regensburg. Regensburg 1984. S.172-178
   * ''Simmel, Georg''\\ //Soziologie der Mahlzeit.//\\ S. 205–211 in: Ders.: Das Individuum und die Freiheit. Essais. Frankfurt/Main 1993   * ''Simmel, Georg''\\ //Soziologie der Mahlzeit.//\\ S. 205–211 in: Ders.: Das Individuum und die Freiheit. Essais. Frankfurt/Main 1993
 +  * ''Ranke, Karl Ernst''\\ //Über die Einwirkung des Tropenklimas auf die Ernährung des Menschen, auf Grund von Versuchen im tropischen und subtropischen Südamerika.//\\ II, 95, 1 S. Berlin 1900: A. Hirschwald.
  
 ===== Fremdessen ===== ===== Fremdessen =====
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 [[wiki:reisende|Reisende]], die unterwegs keine Probleme mit dem Essen haben, sind vermutlich [[wiki:reisende|Reisende]], die unterwegs keine Probleme mit dem Essen haben, sind vermutlich
   * //Genießer//, die ihre Reiseziele nach kulinarischen Aspekten ausssuchen.   * //Genießer//, die ihre Reiseziele nach kulinarischen Aspekten ausssuchen.
-  * //Genußwanderer//, die alle Zutaten für ein ausgiebiges [[wiki:picknick|Picknick]] mitführen.+  * //Genußwanderer//, die alle Zutaten für ein ausgiebiges [[wiki:picknick|Picknick]] mitführen.\\ → [[wiki:ausstellungsliste_wandern_flanieren#Spazieren, Flanieren,Picknick|Ausstellungsliste Picknick]]
   * //Allesverwerter//, weil es im Magen bekanntlich dunkel ist.   * //Allesverwerter//, weil es im Magen bekanntlich dunkel ist.
   * //Asketen// (»Hungerhaken«), bei denen auch Wasser ein Völlegefühl erzeugt.   * //Asketen// (»Hungerhaken«), bei denen auch Wasser ein Völlegefühl erzeugt.
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 Seite für Seite merkt man, daß erfahrene Praktiker das Buch verfaßt haben und auf eine langjährige Reiseerfahrung zurückgreifen. So erhält man Bezugsquellen für den //Dutch oven//, den Hinweis auf kompostierbares Palmblattgeschirr oder lernt den »Abschüttdeckel« für den Kochtopf kennen, der das Sieb ersetzt.\\  Seite für Seite merkt man, daß erfahrene Praktiker das Buch verfaßt haben und auf eine langjährige Reiseerfahrung zurückgreifen. So erhält man Bezugsquellen für den //Dutch oven//, den Hinweis auf kompostierbares Palmblattgeschirr oder lernt den »Abschüttdeckel« für den Kochtopf kennen, der das Sieb ersetzt.\\ 
-Die Bedürfnisse von Kindern sind immer wieder berücksichtigt. Die Fotos sind klasse und ergänzen den Text. Rucksackreisende werden eher einen geringeren Nutzen daraus ziehen, da das Buch zu groß und schwer ist. Sie müssen die Rezepte und Tipps auf ihre noch beschränkteren Möglichkeiten eindampfen. Im Womo allerdings findet das Buch seinen Platz.  (Rezension von Norbert Lüdtke im Trotter)+Die Bedürfnisse von Kindern sind immer wieder berücksichtigt. Die Fotos sind klasse und ergänzen den Text. Rucksackreisende werden eher einen geringeren Nutzen daraus ziehen, da das Buch zu groß und schwer ist. Sie müssen die Rezepte und Tipps auf ihre noch beschränkteren Möglichkeiten eindampfen. Im Womo allerdings findet das Buch seinen Platz.  ([[wiki:norbert_luedtke|Norbert Lüdtke]], [[wiki:der_trotter|Der Trotter]])
  
 ==== Die Küche der Siedler ==== ==== Die Küche der Siedler ====
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   * ''Peter & Helga Haller'' (Bearbeiter)\\ // Südwester Kochbuch//.\\ Eine Sammlung original südwestafrikanischer Kochrezepte.\\ Swakopmund 1985/1997/1999, ISBN 99916-741-3-6   * ''Peter & Helga Haller'' (Bearbeiter)\\ // Südwester Kochbuch//.\\ Eine Sammlung original südwestafrikanischer Kochrezepte.\\ Swakopmund 1985/1997/1999, ISBN 99916-741-3-6
 Vor demselben Problem wie Reisende standen deutsche Siedler auch im südlichen Afrika und fragten sich: Wie kann ich mit dem, was hier wächst und fleucht etwas kochen, das an das erinnert, was meine deutsche Zunge gewohnt ist? Diese Rezeptsammlung basierte auf dem //[[http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/kolonialbibliothek/urn/urn:nbn:de:hebis:30:2-259276|Kolonial-Kochbuch]]// von ''Olga Rosenberg'', Berlin 1906: W. Süsserott ((Aus dem Vorwort: //»Die Engländer, Holländer und Spanier besitzen seit einer Reihe von Jahren Tropen-Kochbücher, deren eingehendes Studium mir die Zusammenstellung dieses Buches für unsere Kolonien ermöglichte.«//)), außerdem flossen die Rezepte von 18 Farmern und Familien ein, die im Vorwort namentlich genannt sind. Seite für Seite merkt man, dass Praktiker am Werk sind. Da wird Bananenbrot gebacken und erklärt, wie man Senf herstellt oder einen haltbaren Brotaufstrich aus Rindfleisch zubereitet. Neben dem Herstellen von Leberwurst wird beschrieben, wie eine Puffotter gehäutet wird, es gibt Ananasbier, Saft aus Kaktusfeigen und Pfannkuchen aus Süßkartoffeln.  Vor demselben Problem wie Reisende standen deutsche Siedler auch im südlichen Afrika und fragten sich: Wie kann ich mit dem, was hier wächst und fleucht etwas kochen, das an das erinnert, was meine deutsche Zunge gewohnt ist? Diese Rezeptsammlung basierte auf dem //[[http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/kolonialbibliothek/urn/urn:nbn:de:hebis:30:2-259276|Kolonial-Kochbuch]]// von ''Olga Rosenberg'', Berlin 1906: W. Süsserott ((Aus dem Vorwort: //»Die Engländer, Holländer und Spanier besitzen seit einer Reihe von Jahren Tropen-Kochbücher, deren eingehendes Studium mir die Zusammenstellung dieses Buches für unsere Kolonien ermöglichte.«//)), außerdem flossen die Rezepte von 18 Farmern und Familien ein, die im Vorwort namentlich genannt sind. Seite für Seite merkt man, dass Praktiker am Werk sind. Da wird Bananenbrot gebacken und erklärt, wie man Senf herstellt oder einen haltbaren Brotaufstrich aus Rindfleisch zubereitet. Neben dem Herstellen von Leberwurst wird beschrieben, wie eine Puffotter gehäutet wird, es gibt Ananasbier, Saft aus Kaktusfeigen und Pfannkuchen aus Süßkartoffeln. 
   * ''Feldkamp, Herbert'', ''Annegret Weilandt''\\ //Würste, Schinken, Sülzen & Pasteten.//\\ Die besten Rezepte für Wurstwaren aus Schlachtteilen oder aus eigener Schlachtung.\\ Verarbeitung, Techniken, Utensilien; mit Anleitung zum Selberschlachten. \\ Reihe: Leben mit der Natur. München 1998: Ludwig.   * ''Feldkamp, Herbert'', ''Annegret Weilandt''\\ //Würste, Schinken, Sülzen & Pasteten.//\\ Die besten Rezepte für Wurstwaren aus Schlachtteilen oder aus eigener Schlachtung.\\ Verarbeitung, Techniken, Utensilien; mit Anleitung zum Selberschlachten. \\ Reihe: Leben mit der Natur. München 1998: Ludwig.
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 +==== Die Expeditionsküche  ====
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 +  * ''Hofmann, Thomas''\\ //[[wiki:abenteuer|Abenteuer]] Wissenschaft//\\ Forschungsreisende zwischen [[wiki:alpenpaesse|Alpen]], Orient und Polarmeer.\\ 287 Seiten. Illustrationen, Karten  Köln: Böhlau 2020\\ Inhalt (gekürzt): 
 +    * [[wiki:kochen_und_essen|Essen]]: alles mitnehmen oder regionale Küche?
 +    * "Das Eierholen war aber keineswegs eine bequeme Sache". Kulinarik zwischen Völlerei und Hungerleiden
 +    * //Fram-Expedition// 1910-1912: "nie so gute Tage gehabt"
 +    * Auf //Jan Mayen// 1932-1933: "geringes Quantum Fleisch"
 +    * [[wiki:bushmeat|Afrikanischer Speiseplan]]
  
 ==== Die Bordküche ==== ==== Die Bordküche ====
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   * ''Wolfram zu Mondfeld''\\ //Das Piraten Kochbuch//\\ 106 S. Herford 1985: Koehlers   * ''Wolfram zu Mondfeld''\\ //Das Piraten Kochbuch//\\ 106 S. Herford 1985: Koehlers
 Auf See zeigen sich noch ganz andere Probleme: Was kann man mitnehmen und zubereiten, wenn es nichts Frisches zu kaufen gibt, wenn das Schiff im Wellengang schaukelt und nur Salzwasser im Überfluss zuhanden ist? Unter einem irreführenden Titel (Das ist ist kein Kinderbuch) sind Bordgerichte versammelt: gut recherchiert, mit Rezepten aus den Bordküchen seit Homer und historisch belegt. Auf See zeigen sich noch ganz andere Probleme: Was kann man mitnehmen und zubereiten, wenn es nichts Frisches zu kaufen gibt, wenn das Schiff im Wellengang schaukelt und nur Salzwasser im Überfluss zuhanden ist? Unter einem irreführenden Titel (Das ist ist kein Kinderbuch) sind Bordgerichte versammelt: gut recherchiert, mit Rezepten aus den Bordküchen seit Homer und historisch belegt.
  
   * ''Melina Teubner''\\ //Die "zweite Sklaverei" ernähren : Sklavenschiffsköche und Straßenverkäuferinnen [Quitandeiras] im Südatlantik (1800-1870)//\\ 301 S. (=Globalgeschichte, 35) Frankfurt; New York 2021: Campus. [[https://d-nb.info/1221077120/04|Inhalt]]   * ''Melina Teubner''\\ //Die "zweite Sklaverei" ernähren : Sklavenschiffsköche und Straßenverkäuferinnen [Quitandeiras] im Südatlantik (1800-1870)//\\ 301 S. (=Globalgeschichte, 35) Frankfurt; New York 2021: Campus. [[https://d-nb.info/1221077120/04|Inhalt]]
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 ==== Die Notfallküche ==== ==== Die Notfallküche ====
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   * ''Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe'' (Hg.)\\  //Kochen ohne Strom - Das Notfallkochbuch: die 50 besten Rezepte für Alltag, Camping und Notfall.//\\ 151 S. München Bassermann 2021\\ Mit den besten 50 Rezepten aus einem Wettbewerb.   * ''Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe'' (Hg.)\\  //Kochen ohne Strom - Das Notfallkochbuch: die 50 besten Rezepte für Alltag, Camping und Notfall.//\\ 151 S. München Bassermann 2021\\ Mit den besten 50 Rezepten aus einem Wettbewerb.
 Eine spezielle Küchenorganisation kann durch eine plötzliche [[wiki:notlage|Notlage]] erforderlich sein, weil eine mehrtägige Robinson-Situation entsteht, bei der durch verschiedene Ursachen (Lawinen, Starkregen, Flut, Tornado, Erdbeben u.a.) regionale Strukturen wie etwa Strom- und Wasserversorgung unterbrochen werden oder eine Region von der Umwelt abgeschnitten wird. Das setzt eine ständige Vorratshaltung voraus, damit einige Tage überbrückt werden können. Dabei kann massenhaft hysterisches Verhalten den Mangel durch Horten erst recht herbeiführen, wie die Corona-Pandemie zeigte, als WC-Papier, Nudeln und Tomatenkonserven ausverkauft waren. Einmal gestörte Lieferketten brauchen jedoch lange, bis sie wieder funktionieren, da die Abstimmung zwischen Erzeuger, Spediteuren und Lageristen aus den Fugen gerät. Eine spezielle Küchenorganisation kann durch eine plötzliche [[wiki:notlage|Notlage]] erforderlich sein, weil eine mehrtägige Robinson-Situation entsteht, bei der durch verschiedene Ursachen (Lawinen, Starkregen, Flut, Tornado, Erdbeben u.a.) regionale Strukturen wie etwa Strom- und Wasserversorgung unterbrochen werden oder eine Region von der Umwelt abgeschnitten wird. Das setzt eine ständige Vorratshaltung voraus, damit einige Tage überbrückt werden können. Dabei kann massenhaft hysterisches Verhalten den Mangel durch Horten erst recht herbeiführen, wie die Corona-Pandemie zeigte, als WC-Papier, Nudeln und Tomatenkonserven ausverkauft waren. Einmal gestörte Lieferketten brauchen jedoch lange, bis sie wieder funktionieren, da die Abstimmung zwischen Erzeuger, Spediteuren und Lageristen aus den Fugen gerät.
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 ==== Die Krisen- & Kriegsküche ==== ==== Die Krisen- & Kriegsküche ====
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   * ''Josephine Nagel''\\ //Die Kriegsküche im  Sommer 1916.//\\ Kochanweisungen für fleisch- und fettsparende Tage.\\ Mit einer Einleitung von Professor Dr. Carl Oppenheimer.\\ 13. Hunderttausend. Verlag der Zentral-Einkaufsgesellschaft mbH Berlin.\\ Durchaus ansprechende Rezepte mit einem hohen Grad an Einfachheit. Ganz alltagsnah heißt es: »Nach dem 1. August gelegte Eier halten sich länger als früher gelegte.« Will man sie monatelang haltbar machen, so  werden frische Eier 1,25 Stunden in Wasser mit etwas gelöstem Kaliumpermangant eingelegt und anschließend trocken abgetupft.   * ''Josephine Nagel''\\ //Die Kriegsküche im  Sommer 1916.//\\ Kochanweisungen für fleisch- und fettsparende Tage.\\ Mit einer Einleitung von Professor Dr. Carl Oppenheimer.\\ 13. Hunderttausend. Verlag der Zentral-Einkaufsgesellschaft mbH Berlin.\\ Durchaus ansprechende Rezepte mit einem hohen Grad an Einfachheit. Ganz alltagsnah heißt es: »Nach dem 1. August gelegte Eier halten sich länger als früher gelegte.« Will man sie monatelang haltbar machen, so  werden frische Eier 1,25 Stunden in Wasser mit etwas gelöstem Kaliumpermangant eingelegt und anschließend trocken abgetupft.
   * ''Hans Jürgen Holtmeier''\\ //Survival-Menüs für den Alltag. Überlebensernährung.//\\ 480 S. Frankfurt/Berlin 1985/1993: Ullstein   * ''Hans Jürgen Holtmeier''\\ //Survival-Menüs für den Alltag. Überlebensernährung.//\\ 480 S. Frankfurt/Berlin 1985/1993: Ullstein
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 ==== Steinzeit-Küche (Paläo-Diät) ==== ==== Steinzeit-Küche (Paläo-Diät) ====
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 In der Altsteinzeit - also mehr als eine Million Jahre lang - umfasste das Nahrungsmittelangebot der Jäger und Sammler: In der Altsteinzeit - also mehr als eine Million Jahre lang - umfasste das Nahrungsmittelangebot der Jäger und Sammler:
   * Beeren & Obst   * Beeren & Obst
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 Are We Missing a Key Part of Neanderthal and Modern Human Diet?//\\ Department of Anthropology, University of Michigan. PaleoAnthropology (2017): 44−72 [[https://doi.org/10.4207/PA.2017.ART105|DOI]] Are We Missing a Key Part of Neanderthal and Modern Human Diet?//\\ Department of Anthropology, University of Michigan. PaleoAnthropology (2017): 44−72 [[https://doi.org/10.4207/PA.2017.ART105|DOI]]
  
-Zuckerhaltige Beeren & Obst vergären zu Wein, Honig zu Met, kohlehydratreichen Samen zu Bier. Dass Primaten wild vergorene Früchte kennen und zu schätzen wissen, ist bekannt. Damit Alkohol im Körper verarbeitet (metabolisiert) werden kann, bedarf es allerdings eines bestimmten Enzyms, der Alkoholdehydrogenase IV (ADH4), die bei Primaten und Menschen auftritt. Damit verbunden sind +Zuckerhaltige Beeren & Obst vergären zu Wein, Honig zu Met, kohlehydratreichen Samen zu Bier. Dass Primaten wild vergorene Früchte kennen und zu schätzen wissen, ist bekannt. Damit Alkohol im Körper verarbeitet (metabolisiert) werden kann, bedarf es allerdings eines bestimmten Enzyms, der Alkoholdehydrogenase IV (ADH4), die bei Primaten und Menschen auftritt, jedoch kaum bei anderen Säugetieren. Damit verbunden sind 
   * eine erhöhte physiologische Energieaufnahme (7.1 kcal/g aus Ethanol, nur 4.1 kcal/g aus Kohlenhydraten),    * eine erhöhte physiologische Energieaufnahme (7.1 kcal/g aus Ethanol, nur 4.1 kcal/g aus Kohlenhydraten), 
   * eine Geschmacksverstärkung (umami) durch die Bildung von Glutamat,   * eine Geschmacksverstärkung (umami) durch die Bildung von Glutamat,
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     * ''Carrigan M.A.,'' et al.\\ //Hominids adapted to metabolize ethanol long before human-directed fermentation.// \\ Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 112.2 (2015) 458-463. [[https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.1404167111|Online]]     * ''Carrigan M.A.,'' et al.\\ //Hominids adapted to metabolize ethanol long before human-directed fermentation.// \\ Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 112.2 (2015) 458-463. [[https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.1404167111|Online]]
  
-Das Rösten stärkehaltiger Nahrungsmitteln wandelt Stärke in Zucker um, erzeugt ab 130 °C Röstaromen (Maillard-Reaktion) und karamelisiert oberhalb 180 °C den Zucker. Trocken geröstet ist das Pulver lange haltbar. Durch Zusatz von Fett, Beeren, [[wiki:trockenfleisch|Trockenfleisch]] werden daraus kalt oder warm angerührte Mahlzeiten in Form von Brei (engl. stew, porridge, frz. roux), die [[wiki:unterwegs-sein|unterwegs]] schnell zuzubereiten sind wie beispielsweise [[wiki:pemmikan|Pemmikan und Rubabou]] bei den Ureinwohnern und [[wiki:waldlaeufer|Waldläufern]] im nördlichen Amerika. Dieses Verfahren findet sich etwa bei +Das **Rösten** stärkehaltiger Nahrungsmittel wandelt Stärke in Zucker um, erzeugt ab 130 °C Röstaromen (Maillard-Reaktion) und karamelisiert oberhalb 180 °C den Zucker. Trocken geröstet ist das Pulver lange haltbar. Durch Zusatz von Fett, Beeren, [[wiki:trockenfleisch|Trockenfleisch]] werden daraus kalt oder warm angerührte Mahlzeiten in Form von Brei (engl. stew, porridge, frz. roux), die [[wiki:unterwegs-sein|unterwegs]] schnell zuzubereiten sind wie beispielsweise [[wiki:pemmikan|Pemmikan und Rubabou]] bei den Ureinwohnern und [[wiki:waldlaeufer|Waldläufern]] im nördlichen Amerika. Dieses Verfahren findet sich etwa bei 
   * Einbrenne aus Weizen,   * Einbrenne aus Weizen,
   * Farina Boná (Schweiz) aus Roggen,   * Farina Boná (Schweiz) aus Roggen,
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   * Máchica (Bolivien, Peru, Ecuador) aus Gerste,   * Máchica (Bolivien, Peru, Ecuador) aus Gerste,
   * Pinole (Mexiko: Tarahumara) aus Mais.    * Pinole (Mexiko: Tarahumara) aus Mais. 
-Zwar sind //Brot, Bier, Brei// für die Altsteinzeit nicht nachgewiesen, jedoch auch ohne Landwirtschaft mit Wildgräsersamen als Vorformen der heutigen Getreide herstellbar, wobei die Verarbeitung bei geröstetem Getreide einsetzt und fortschreitet über eingeweichtes, gequetschtes Getreide in Form von Brei, erhitztem Brei und gemahlenen Körnern (Weizenmehl) zu Fladenbrot in der Asche (im arabischen Raum gurs, qors, gars, 'urs ((''Behnstedt Peter'', ''Manfred Woidich''//Wortatlas Der Arabischen Dialekte. Band II.// Leiden 2014: Brill S. 238)), deckungsgleich mit dem Verbreitungsgebiet der [[wiki:beduinen|Beduinen]] ) und schließlich über Hefen und Milchsäurebakterien zu Sauerteigbrot aus Roggenmehl im Ofen. Die ältesten archäologischen Hinweise verweisen auf Brot um 12.400 BC, auf Käse um 5.500 BC und auf Olivenöl im 5./6. Jahrtausend BC. +Zwar sind //Brot, Bier, Brei// für die Altsteinzeit nicht nachgewiesen, jedoch auch ohne Landwirtschaft mit Wildgräsersamen als Vorformen der heutigen Getreide herstellbar, wobei die Verarbeitung bei geröstetem Getreide einsetzt und fortschreitet über eingeweichtes, gequetschtes Getreide in Form von Brei, erhitztem Brei und gemahlenen Körnern (Weizenmehl) zu Fladenbrot in der Asche (im arabischen Raum gurs, qors, gars, 'urs ((''Behnstedt Peter'', ''Manfred Woidich''\\ //Wortatlas der arabischen Dialekte.\\ Band II.// Leiden 2014: Brill S. 238)), deckungsgleich mit dem Verbreitungsgebiet der [[wiki:beduinen|Beduinen]] ) und schließlich über Hefen und Milchsäurebakterien zu Sauerteigbrot aus Roggenmehl im Ofen. Die ältesten archäologischen Hinweise verweisen auf Brot um 12.400 BC, auf Käse um 5.500 BC und auf Olivenöl im 5./6. Jahrtausend BC. 
-  * ''Arranz-Otaegui, Amaia'' etal.\\ //Archaeobotanical evidence reveals the origins of bread 14,400 years ago in northeastern Jordan.// Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 115 (31) 2018: 7925-7930.+  * ''Arranz-Otaegui, Amaia'' etal.\\ //Archaeobotanical evidence reveals the origins of bread 14,400 years ago in northeastern Jordan.//\\ Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 115 (31) 2018: 7925-7930.
   * ''Subbaraman, Nidhi''\\ //Art of cheese-making is 7,500 years old.//\\ Nature (Dezember 2012) [[https://doi.org/10.1038/nature.2012.12020|DOI]]   * ''Subbaraman, Nidhi''\\ //Art of cheese-making is 7,500 years old.//\\ Nature (Dezember 2012) [[https://doi.org/10.1038/nature.2012.12020|DOI]]
   *  ''Dvory Namdar'', ''Alon Amrani'', ''Nimrod Getzov'', ''Ianir Milevski''\\ //Olive oil storage during the fifth and sixth millennia BC at Ein Zippori, Northern Israel.//\\ In: Israel Journal of Plant Sciences. 62,1-2, (2015) 65–74, doi:10.1080/07929978.2014.960733.    *  ''Dvory Namdar'', ''Alon Amrani'', ''Nimrod Getzov'', ''Ianir Milevski''\\ //Olive oil storage during the fifth and sixth millennia BC at Ein Zippori, Northern Israel.//\\ In: Israel Journal of Plant Sciences. 62,1-2, (2015) 65–74, doi:10.1080/07929978.2014.960733. 
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 So erschließt sich vom Osttor, dem //Bab Scharki//, das Ostviertel. Flanierend führen die Autoren ein in das Metier eines dort lebenden Teppichflickers, erinnern sich dabei an den Schreck, als daheim ein Funke den teueren Perserteppich ruinierte und beenden den Spaziergang in der Wohnung ihrer Tante ''Salime'', die in der Familie für den besten Salat, //Tabbuleh//, bekannt war.\\  So erschließt sich vom Osttor, dem //Bab Scharki//, das Ostviertel. Flanierend führen die Autoren ein in das Metier eines dort lebenden Teppichflickers, erinnern sich dabei an den Schreck, als daheim ein Funke den teueren Perserteppich ruinierte und beenden den Spaziergang in der Wohnung ihrer Tante ''Salime'', die in der Familie für den besten Salat, //Tabbuleh//, bekannt war.\\ 
 Dieses langsame Verfertigen des Salates beim Denken muß man mögen. Schami hat sein Handwerk im Griff und doch ist die Gratwanderung zwischen Poesie, Kochbuch und Essay ständig spürbar. Das so entstandene Werk spricht eher den [[wiki:flaneur|Flaneur]] an als den [[wiki:reisende|Reisenden]].\\  Dieses langsame Verfertigen des Salates beim Denken muß man mögen. Schami hat sein Handwerk im Griff und doch ist die Gratwanderung zwischen Poesie, Kochbuch und Essay ständig spürbar. Das so entstandene Werk spricht eher den [[wiki:flaneur|Flaneur]] an als den [[wiki:reisende|Reisenden]].\\ 
-Die Rezepte sind sorgfältig beschrieben, ohne Mengen und Garzeiten allzu genau zu präzisieren. Wer häufig und gerne kocht, benötigt solche Angaben auch nicht. Ein Register enthält die Rezepte unter ihren Grundzutaten, man findet also //Falafel// unter dem Stichwort Bohne, //Tabbuleh// unter Karotte. Das setzt bereits einiges [[wiki:wissen|Wissen]] voraus.  (Norbert Lüdtke)+Die Rezepte sind sorgfältig beschrieben, ohne Mengen und Garzeiten allzu genau zu präzisieren. Wer häufig und gerne kocht, benötigt solche Angaben auch nicht. Ein Register enthält die Rezepte unter ihren Grundzutaten, man findet also //Falafel// unter dem Stichwort Bohne, //Tabbuleh// unter Karotte. Das setzt bereits einiges [[wiki:wissen|Wissen]] voraus.  ([[wiki:norbert_luedtke|Norbert Lüdtke]], [[wiki:der_trotter|Der Trotter]])
  
 ==== Taiwan, China & Japan ==== ==== Taiwan, China & Japan ====
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   * ''Lim, Stephanie''\\ //Kitchen Language: What Does QQ Mean?//\\ Michelin Guide 13.05.2016 [[https://guide.michelin.com/sg/en/article/dining-out/what-is-qq-sg|Online]]   * ''Lim, Stephanie''\\ //Kitchen Language: What Does QQ Mean?//\\ Michelin Guide 13.05.2016 [[https://guide.michelin.com/sg/en/article/dining-out/what-is-qq-sg|Online]]
   * ''Clarissa Wei''\\ //Made in Taiwan. Recipes and Stories from the Island Nation.//\\ 384 S. New York 2023:  S&S/Simon Element   * ''Clarissa Wei''\\ //Made in Taiwan. Recipes and Stories from the Island Nation.//\\ 384 S. New York 2023:  S&S/Simon Element
-==== Afrika ==== + 
 +==== Amerika ====  
 +  Sean Sherman, Beth Dooley 
 +  Der Sioux-Chef 
 +  Indigen kochen. 
 +  Aus dem Amerikanischen von Sabine Franke. 
 +  232 S., Kanon-Verlag 2023 
 +Der indianische Spitzenkoch vom Volk der Ogalala-Sioux suchte nach den traditionellen Nahrungsmitteln und Zubereitungen seiner Vorfahren. Diese hat er zeitgemäß aufbereitet und in neue Rezepte integriert - ohne Gluten, ohne Milch, ohne Raffinadezucker. Das liest sich lecker, ohne sich ideologisch gesund zu präsentieren. Vorbilder für dieses Buch gibt es kaum, so dass vieles an indianischen Kochstellen recherchiert wurde: 
 +  * Vieles klingt für uns erstaunlich normal, weil zahlreiche Lebensmittel im 16. Jahrhundert und später nach Europa kamen und hier zuvor unbekannt waren, etwa Kartoffeln, Mais, manche Kürbissorten, Paprika, Tomaten ...  
 +  * Anderes wurde bereits in modischen Küchenszenarien als Superfood beworben wie Quinoa und Amaranth. 
 +  * Und aus Not- und Katastrophenküchenzeiten kennt man junge Triebe und Sprossen von Nadelbäumen, Eicheln, Wurzeln. Diese sowie Kürbis, Mais und andere Nahrungsmittel galten in der deutschen Nachkriegszeit als Armenspeisung und wurden spätestens durch die Fresswelle der 1960er aus der Küche verbannt.  
 +  * Hinzu kommen Wildreis, Ahornsirup und Sonnenblumenbutter, Bohnen, Pilze, Nüsse, Samen, Beeren, Rüben, Kräutern, Fisch und Wild. 
 +  * Zum Würzen dienen wenig überraschend Bergamotte, Minze, , Salbeiblätter, Sumach, Wacholderbeeren, wilde Zwiebeln und Beeren (Cranberries), Zedernadeln. 
 +  * Andere hier angewandte Verfahren wie Trocknen und Dörren sind auf dieser Seite an anderer Stelle bereits erörtert.  
 + 
 +Manches gilt es neu zu entdecken und einzuordnen. Geschmorte Sonnenblumenköpfe (oder Topinambur) schmecken wie Artischocken. Und aus Mais lässt sich mehr machen als Maisbrei. Das indianische Verfahren, Maiskörner mit Holzasche  und Wasser einzuweichen, macht die Maisstärke nicht nur besser bekömmlich, sondern schließt Vitamine (Niacin, Vitamin B3) und Kleber auf (Nixtamalisation).  
 +  * ''Waheenee'', ''Gilbert Livingstone Wilson''\\ //Buffalo Bird Woman's Garden. agriculture of the Hidatsa Indians.//\\ XXIII, 129 S., 10 Tafeln. Minneapolis 1917 (= Reprint Minnesota Historical Society Press, St. Paul, 1987) 
 + 
 +==== Afrika ==== 
   Youssou N’Dour   Youssou N’Dour
   Senegal. Die Küche meiner Mutter   Senegal. Die Küche meiner Mutter
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   Pappband mit Umschlag 20 x 25,5 cm: 192 Seiten, durchgehend farbig illustriert   Pappband mit Umschlag 20 x 25,5 cm: 192 Seiten, durchgehend farbig illustriert
 Der bekannte Musiker beschreibt in 53 senegalesischen Rezepten die Küche seines Landes. Er entstammt einer Familie von //Griots//, den Überlieferern der Landesgeschichte. Ebenfalls überliefert sind die hier vorgestellten Gerichte, die er seiner Mutter abgeguckt hat, also mit Zutaten vom Markt und mit haushaltüblichen Mitteln zuzubereiten.\\  Der bekannte Musiker beschreibt in 53 senegalesischen Rezepten die Küche seines Landes. Er entstammt einer Familie von //Griots//, den Überlieferern der Landesgeschichte. Ebenfalls überliefert sind die hier vorgestellten Gerichte, die er seiner Mutter abgeguckt hat, also mit Zutaten vom Markt und mit haushaltüblichen Mitteln zuzubereiten.\\ 
-Und so erinnert sich der Autor einleitend ausführlich an seine Kindheit, erzählt von Mutter und Familie, vom Dorfleben und vom Markttreiben, bevor ein Glossar die Besonderheiten der senegalesischen Küche erläutert. Das alles ist mit sehr schönen Fotos illustriert, die den Text stellenweise in den Hintergrund drängen. (Norbert Lüdtke)+Und so erinnert sich der Autor einleitend ausführlich an seine Kindheit, erzählt von Mutter und Familie, vom Dorfleben und vom Markttreiben, bevor ein Glossar die Besonderheiten der senegalesischen Küche erläutert. Das alles ist mit sehr schönen Fotos illustriert, die den Text stellenweise in den Hintergrund drängen. ([[wiki:norbert_luedtke|Norbert Lüdtke]], [[wiki:der_trotter|Der Trotter]])
  
   Kazuko Winter   Kazuko Winter
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 Die Autorin hat vor mehr als 50 Jahren erkundet, wie die Armen und Hungrigen der Welt (Dritte Welt, Globaler Süden) es schaffen zu überleben und [[wiki:lebensmittel|Lebensmittel]] zu konservieren (z.B. Trockenfleisch, [[wiki:pemmikan|Pemmikan]]). »Was sich bewegt, ist essbar«: Schmetterlinge, Bienen, Eidechsen, Termiten, Grillen, Regenwürmer wecken zwar unsere Aufmerksamkeit besonders, sind praktisch aber nur Beilagen zu allem, was sättigt: Hirse, Sorghum, Mais, Linsen, Soja und Kichererbsen, zubereitet als Brei (z.B. Polenta) oder oder Eintopf (z.B. [[wiki:gumbo|Gumbo]]). Die Autorin hat vor mehr als 50 Jahren erkundet, wie die Armen und Hungrigen der Welt (Dritte Welt, Globaler Süden) es schaffen zu überleben und [[wiki:lebensmittel|Lebensmittel]] zu konservieren (z.B. Trockenfleisch, [[wiki:pemmikan|Pemmikan]]). »Was sich bewegt, ist essbar«: Schmetterlinge, Bienen, Eidechsen, Termiten, Grillen, Regenwürmer wecken zwar unsere Aufmerksamkeit besonders, sind praktisch aber nur Beilagen zu allem, was sättigt: Hirse, Sorghum, Mais, Linsen, Soja und Kichererbsen, zubereitet als Brei (z.B. Polenta) oder oder Eintopf (z.B. [[wiki:gumbo|Gumbo]]).
  
-Das sind aber keine reißerischen Rezepte, die auf Ekel zielen, sondern Anleitungen für den Alltag in einer uns fremden Umgebung, in der Tofu oder Algen billig zu haben sind und wie sie bereits bei ''Moses'' aufgezählt wurden ([[https://www.bibelwissenschaft.de/bibel/LU17/LEV.11|Leviticus 1,22]]). Ein fünzigseitiger Essay beschreibt, wie die Rezepte durch Kultur und Ressourcen geprägt sind, also durch Gewohnheiten und Notwendigkeit, wie die Kombination von Buttertee mit Tsampa (geröstetes Gerstenmehl) und Aprikosen im Himalaja. +Das sind aber keine reißerischen Rezepte, die auf Ekel zielen, sondern Anleitungen für den Alltag in einer uns fremden Umgebung, in der Tofu oder Algen billig zu haben sind und wie sie bereits bei ''Moses'' aufgezählt wurden ([[https://www.bibelwissenschaft.de/bibel/LU17/LEV.11|Leviticus 1,22]]). Ein fünfzigseitiger Essay beschreibt, wie die Rezepte durch Kultur und Ressourcen geprägt sind, also durch Gewohnheiten und Notwendigkeit, wie etwa die Kombination von Buttertee mit Tsampa (geröstetes Gerstenmehl) und Aprikosen im Himalaja. 
  
-Die Analysen der Autorin führen auch heute noch aktuellen Ergebnissen: weniger Fleischkonsum, Rücksicht auf Ressourcen, Verwertung »from nose to tail«. So gesehen sind die Gerichte der Armenküche, die es in die heutige Bohême geschafft haben, auch eine kulturelle Aneignung, deren Verzehr hier nicht auf Notwendigkeit und Mangel zurückzuführen ist, etwa: Tacos und Tofu, Sushi und Shakshuka.+Die Analysen der Autorin führen zu auch heute aktuellen Ergebnissen: weniger Fleischkonsum, Rücksicht auf Ressourcen, Verwertung »from nose to tail«. So gesehen sind die Gerichte der Armenküche, die es in die heutige Bohême geschafft haben, auch eine kulturelle Aneignung, deren Verzehr jedoch hier nicht auf Notwendigkeit und Mangel zurückzuführen ist, etwa: Tacos und Tofu, Sushi und Shakshuka, sondern stattdessen einen erhöhten Aufwand auslöst.
  
 ==== Nicht so praxisnah ==== ==== Nicht so praxisnah ====
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 Dann lese ich auf Seite 80: »Das Fleisch spülten sie mit Unmengen Kumiss hinunter, einem alkoholischen Getränk aus vergorener Stutenmilch. Glaubt man Marco Polo, ähnelte das Gebräu in Farbe und Qualität gutem Wein.« Dann lese ich auf Seite 80: »Das Fleisch spülten sie mit Unmengen Kumiss hinunter, einem alkoholischen Getränk aus vergorener Stutenmilch. Glaubt man Marco Polo, ähnelte das Gebräu in Farbe und Qualität gutem Wein.«
 Kumiss gibt’s in Kirgisistan aus Ziegenbälgern am Straßenrand oder auf dem Markt aus Plastikeimern. Letztere haben den Nachteil, die bräunliche, von schmierigen Blasen bedeckte Flüssigkeit allzu offensichtlich anzupreisen, die überdies auf Fliegen sehr attraktiv wirkt. Sicher gibt es eine Phase, in der Wein ähnlich aussieht. So ein Federweißer in der Straußenwirtschaft mag ja auch den Tag retten – doch bis zum vin jaune ist’s ein weiter Weg.\\  Kumiss gibt’s in Kirgisistan aus Ziegenbälgern am Straßenrand oder auf dem Markt aus Plastikeimern. Letztere haben den Nachteil, die bräunliche, von schmierigen Blasen bedeckte Flüssigkeit allzu offensichtlich anzupreisen, die überdies auf Fliegen sehr attraktiv wirkt. Sicher gibt es eine Phase, in der Wein ähnlich aussieht. So ein Federweißer in der Straußenwirtschaft mag ja auch den Tag retten – doch bis zum vin jaune ist’s ein weiter Weg.\\ 
-So sind auch die hier vorgestellten Rezepte sehr kultiviert und verlangen danach, zubereitet zu werden. Doch idealisiert, wie sie sind, werden sie im Alltag schwer zu finden sein.  (Norbert Lüdtke)+So sind auch die hier vorgestellten Rezepte sehr kultiviert und verlangen danach, zubereitet zu werden. Doch idealisiert, wie sie sind, werden sie im Alltag schwer zu finden sein.  ([[wiki:norbert_luedtke|Norbert Lüdtke]], [[wiki:der_trotter|Der Trotter]])
  
 ===== Andere Welten ===== ===== Andere Welten =====
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   Einband mit Fadenheftung 15 x 22 cm: 199 Seiten, Textabb.   Einband mit Fadenheftung 15 x 22 cm: 199 Seiten, Textabb.
 Das Thema finde ich Klasse: ich esse gern, koche gern, reise gern. Und so habe ich mich mit Genuß hier und da immer wieder festgelesen und absatzweise genascht. Mal mit mehr, mal mit weniger Genuß, denn über Reisen & Essen nachzudenken ist nun gar nicht vergleichbar mit Reisen & Essen genießen. Manches wird dabei ungenießbar, doch das liegt in der Natur der wissenschaftlichen Vorgehensweise: Eine Sache wird solange zerpflückt und scheint verstanden, wenn sie nicht mehr zu erkennen ist. Und so finden sich Beiträge über Regionalküchen, kulinarische Reisen auf der Suche nach Spezialitäten und über Nahrungsmitteltransporte auf der Suche nach Konsumenten. Pizza, die Geschichte des Speisewagens und die Gastronomie der Kreuzfahrtschiffe passen zum Thema, erschöpfen es aber nicht.\\  Das Thema finde ich Klasse: ich esse gern, koche gern, reise gern. Und so habe ich mich mit Genuß hier und da immer wieder festgelesen und absatzweise genascht. Mal mit mehr, mal mit weniger Genuß, denn über Reisen & Essen nachzudenken ist nun gar nicht vergleichbar mit Reisen & Essen genießen. Manches wird dabei ungenießbar, doch das liegt in der Natur der wissenschaftlichen Vorgehensweise: Eine Sache wird solange zerpflückt und scheint verstanden, wenn sie nicht mehr zu erkennen ist. Und so finden sich Beiträge über Regionalküchen, kulinarische Reisen auf der Suche nach Spezialitäten und über Nahrungsmitteltransporte auf der Suche nach Konsumenten. Pizza, die Geschichte des Speisewagens und die Gastronomie der Kreuzfahrtschiffe passen zum Thema, erschöpfen es aber nicht.\\ 
-Vermißt habe ich einen Kulturvergleich zwischen Eß- und Reisekultur: Jeder kennt den Unterschied zwischen der Nahrungsaufnahme zum Sattwerden und dem Genießen um des Genusses willen. Ich meine, so etwas gibt es auch beim Reisen: dem hemmungslosen Vielfraß, dem Gourmand, ähneln die konsumfreudigen Urlaubsmobilisten. Kantinenfutter und Tütensuppen gibt’s auch in den Reisekatalogen zuhauf. Doch wo sind die Drei-Sterne-Restaurants der Reiseszene? Wo werkeln Spitzenköche an Reisekunstwerken? Immerhin wissen wir, wo die Gourmets der Reiseszene Gleichgesinnte treffen. Und ein Pendant zu Escoffiers Kochkunstführer haben wir auch. (Norbert Lüdtke)+Vermißt habe ich einen Kulturvergleich zwischen Eß- und Reisekultur: Jeder kennt den Unterschied zwischen der Nahrungsaufnahme zum Sattwerden und dem Genießen um des Genusses willen. Ich meine, so etwas gibt es auch beim Reisen: dem hemmungslosen Vielfraß, dem Gourmand, ähneln die konsumfreudigen Urlaubsmobilisten. Kantinenfutter und Tütensuppen gibt’s auch in den Reisekatalogen zuhauf. Doch wo sind die Drei-Sterne-Restaurants der Reiseszene? Wo werkeln Spitzenköche an Reisekunstwerken? Immerhin wissen wir, wo die Gourmets der Reiseszene Gleichgesinnte treffen. Und ein Pendant zu Escoffiers Kochkunstführer haben wir auch. ([[wiki:norbert_luedtke|Norbert Lüdtke]], [[wiki:der_trotter|Der Trotter]])
  
   * ''Fenton, Alexander, Janken Myrdal''\\ //Food and drink and travelling accessories//\\ Essays in honour of Gösta Berg. IX, 202 S. Ill. Edinburgh 1988: Donald in assoc. with the National Museums of Scotland [and] Skansen and Nordiska Museet.   * ''Fenton, Alexander, Janken Myrdal''\\ //Food and drink and travelling accessories//\\ Essays in honour of Gösta Berg. IX, 202 S. Ill. Edinburgh 1988: Donald in assoc. with the National Museums of Scotland [and] Skansen and Nordiska Museet.
  
 ==== Essen & Sprachen ==== ==== Essen & Sprachen ====
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   Dr. Fritz Kerndter   Dr. Fritz Kerndter
   Langenscheidt Praxiswörterbuch Internationale Küche   Langenscheidt Praxiswörterbuch Internationale Küche
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 Nützlich wäre vielmehr eine Sortierung nach Sachthemen: Fisch, Fleisch, Gemüse … oder Situationen: Auswahl des Restaurants, Vor dem Essen, Beim Dessert …\\  Nützlich wäre vielmehr eine Sortierung nach Sachthemen: Fisch, Fleisch, Gemüse … oder Situationen: Auswahl des Restaurants, Vor dem Essen, Beim Dessert …\\ 
 Für das Bestellen fehlt eine Aussprachehilfe, ebenso fehlen die typischen Wendungen, z.B. Ich benötige einen Tisch für … Personen.\\  Für das Bestellen fehlt eine Aussprachehilfe, ebenso fehlen die typischen Wendungen, z.B. Ich benötige einen Tisch für … Personen.\\ 
-Eine Speisekarte erschließt sich nicht mit einem Wörterverzeichnis. Die Papas arrugadas, die jedem Kanarenurlauber begegnen, heißen eben nicht patatas, finden sich aber nicht im Wörterbuch. Natürlich ist Risotto ein Reisgericht – aber was es kennzeichnet, wird nicht erklärt. Daß Gerichte »in vielen Varianten« vorkommen, ist selbstverständlich, aber welche Varianten dies sind, erfährt man nicht. Nur 15 Seiten werden den Namen von Gerichten gewidmet, zB //bubble and squeak, parmentier, risi e bisi// …, ausdrücklich beschränkt sich der Autor auf eine kleine Auswahl. Solche Bezeichnungen müßten jedoch vorzugsweise erklärt werden, sollte das Buch beim Restaurantbesuch eine gewisse Nützlichkeit zum Lesen der Speisekarte entfalten können.  (Norbert Lüdtke)+Eine Speisekarte erschließt sich nicht mit einem Wörterverzeichnis. Die Papas arrugadas, die jedem Kanarenurlauber begegnen, heißen eben nicht patatas, finden sich aber nicht im Wörterbuch. Natürlich ist Risotto ein Reisgericht – aber was es kennzeichnet, wird nicht erklärt. Daß Gerichte »in vielen Varianten« vorkommen, ist selbstverständlich, aber welche Varianten dies sind, erfährt man nicht. Nur 15 Seiten werden den Namen von Gerichten gewidmet, zB //bubble and squeak, parmentier, risi e bisi// …, ausdrücklich beschränkt sich der Autor auf eine kleine Auswahl. Solche Bezeichnungen müßten jedoch vorzugsweise erklärt werden, sollte das Buch beim Restaurantbesuch eine gewisse Nützlichkeit zum Lesen der Speisekarte entfalten können.  ([[wiki:norbert_luedtke|Norbert Lüdtke]], [[wiki:der_trotter|Der Trotter]])
  
 ==== Unübersetzbare Begriffe ==== ==== Unübersetzbare Begriffe ====
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   * **Matvandur** (Isländisch)\\ Jemand, der nicht alles isst (engl. »a picky eater«) und insbesondere landestypische Spezialitäten zurückweist.   * **Matvandur** (Isländisch)\\ Jemand, der nicht alles isst (engl. »a picky eater«) und insbesondere landestypische Spezialitäten zurückweist.
   * **Tyvsmake** (Norwegisch)\\ Wörtlich »Diebesgeschmack«, gemeint ist das voreilige oder heimliche Naschen.   * **Tyvsmake** (Norwegisch)\\ Wörtlich »Diebesgeschmack«, gemeint ist das voreilige oder heimliche Naschen.
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   * ''Butkus, Günther''\\ //Das Schrumpfkopf-Mobile.\\ Geschichten und Gedichte vom Fressen und Gefressenwerden.// \\ 112 S. Bielefeld 1998: Pendragon.\\ Eine Sammlung kannibalistischer Texte aus literarischen Quellen: wohl bekomm's!    * ''Butkus, Günther''\\ //Das Schrumpfkopf-Mobile.\\ Geschichten und Gedichte vom Fressen und Gefressenwerden.// \\ 112 S. Bielefeld 1998: Pendragon.\\ Eine Sammlung kannibalistischer Texte aus literarischen Quellen: wohl bekomm's! 
   * ''Heidi Peter-Röcher''\\ //Mythos Menschenfresser//.\\ Ein Blick in die Kochtöpfe der Kannibalen.\\ 169 S., Beck'sche Reihe 1262, C. H. Beck 1998   * ''Heidi Peter-Röcher''\\ //Mythos Menschenfresser//.\\ Ein Blick in die Kochtöpfe der Kannibalen.\\ 169 S., Beck'sche Reihe 1262, C. H. Beck 1998
-  * ''Lebek, Wolfgang D.''\\ //Kannibalen und Kariben auf der Ersten Reise des Columbus//.\\ Das andere Essen: Kannibalismus als Motiv und Metapher in der Literatur.\\ Hrsg. von Daniel Fulda und Walter Pape. Freiburg i.Br.: Rombach, 200153-112+  * ''Lebek, Wolfgang D.''\\ //Kannibalen und Kariben auf der Ersten Reise des Columbus//.\\ S. 53-112 in: Daniel Fulda, Walter Pape (Hg.): Das andere Essen: Kannibalismus als Motiv und [[wiki:reisebilder|Metapher]] in der Literatur.\\ Freiburg/Breisgau 2001: Rombach.
  
wiki/kochen_und_essen.1697817462.txt.gz · Zuletzt geändert: 2023/10/20 15:57 von norbert

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