Everything is related to everything else, but near things are more related than distant things. Toblers erstes Gesetz der Geographie
1969 formulierte Waldo Tobler
dieses »Gesetz« bei einer Tagung der Sitzung der Internationalen Geographischen Union. Der Zwischenraum zwischen den Dingen wird damit gewichtet (nach Entfernung und Widerstand, friction), beeinflusst die Raumvorstellungen und bestimmt die backcountry navigation.
Waldo R. Tobler
The phenomenon external to an area of interest affects what goes on inside. Toblers zweites Gesetz der Geographie
Ute Wardenga
Bailly, Antoine
, Renato Scariati
Reisen wird wissenschaftlich vor allem literarisch untersucht und historisch, zunehmend auch als touristisch-ökonomisches Forschungsfeld. Reisen als geographische Methode wurde weitgehend unbeachtet. Dieser Lücke widmet sich Bruno Lecoquierre
.
Außerdem erscheint Reisen heute im Wesentlichen als Tourismus. Zwar sind im Tourismus die Merkmale Entfernung und Entdeckung (als dem Begegnen mit der Andersartigkeit von Orten und Kulturen) erhalten geblieben, doch fehlen ihm Risiko und die lange Dauer des Reisens.
Lecoquierre zitiert Roger Brunet
, der in „Les mots de la geography“ Reisen als „den natürlichen Sport der Geographen“ bezeichnete, als eine geografische Aktivität im geografischen Raum, zugespitzt als existentiellen Augenblick der Konfrontation mit dem Raum. Neutral bezeichnet er Reisen als einen Vektor der Mobilität und eine Modalität der Begegnung mit dem Anderssein.
Dem Wissenschaftler (etwa Geographen oder Ethnologen) wird sie zur „le voyage comme modalité méthodologique“. Jean-Jacques Rousseau
schrieb 1755 (Discours sur l'Origine …) es gäbe nur vier Kategorien Reisender, die lange Reisen unternehmen: Seeleute, Kaufleute, Soldaten und Missionare. Ein geographisches Paradigma stellt daher die Expedition von Alexander von Humboldt
und Aimé Bonpland
nach Lateinamerika (1799–1804) dar, die sich nicht mit der Erkundung von Küstenlinien begnügte, sondern systematisch das Innere eines Kontinents untersuchte (siehe das Zitat von Humboldt, 1848).
Aber erst die Fort-Bewegung durch einen unbekannten und damit riskanten Zwischenraum macht das Reisen aus (siehe das Zitat von Claudot-Hawad
, 2002) und unterscheidet es vom Nomadenleben. Weit und lange Reisende erscheinen ihm als Hüter einer sehr alten Tradition der Bewegung, deren Werte auf Isolation, Risiko, Unbehagen, zeitlicher Unsicherheit beruhen. Levi-Strauss
zitierend bietet er ein erweitertes Verständnis von Reisen, dass nicht nur den Raum (mit drei Dimensionen) betrachtet, sondern die Zeit und die kulturelle Verschiebung als vierte und fünfte Dimension heranzieht, ein Unterwegs-Sein. Schließlich betont er die Rückkehr als notwendige Phase des Unterwegs-Seins und als Unterschied zum Migranten. Besonders charakteristisch erscheint dem Autor die l’exploration als Erkundung, für deren Etymologie er auf Yves Lacoste
(2003) verweist, der sie ableitet vom lateinischen ex prolator 'se porter en avant vers l’extérieur'.
Unterschiedliche Vorstellungen von der Bewegung durch den Raum unterscheiden die Reisefiguren: der Passagier definiert ein Ziel und sucht den effektivsten Weg dorthin, der Reisende geht den Weg, den er findet (Zitat Marc Augé
1992).
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liegt in der Art und Weise, wie der Reisende ankommt, wie sich das Gleichgewicht zwischen Akkomodation und Assimilation einstellt. Einen Ort zu bewohnen, setzt eine physische Begegnung voraus und einen damit einsetzenden Lernprozess, führt also auch Veränderung auch des Reisenden (MIT : „Mobilités, itinéraires, territoires“, Université Paris 2002) im Unterschied zur Taylorisierung touristischer Riten und der Disneylandisierung.
Reisen ist ein geographisches Handlungssystem. Die Definitionen des Tourismus schließen jedoch eine Anzahl von Reiseformen aus (s. Absätze 37–45). Das liegt jedoch auch daran, dass der Autor das Handlungssystem auf der Mikroebene analysiert und bottom-up auf den Tourismus schließt, während die Tourismusdefinitionen das Makrosystem ins Auge fassen.
Dem entsprechend betrachtet der Autor das Reisen als „interface de situation“ und betont dabei die Priorität von Differenzierung und Austausch bei drei Arten von Schnittstellen (Abs. 47-48):
– « interfaces qui ménagent l’altérité » > Alltag im Nicht-Alltäglichen
– « interfaces qui exploitent l’altérité » > Suche nach Authentizität
– « interfaces qui mettent en scène l’altérité » > Suche nach einer Bühne
Gómez Espelosín, Francisco J.