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Erehwon
Jean Klare, Louise van Swaaij Atlas der Erlebniswelten Mit Texten von Ilja Maso und Saskia Sombeek Frankfurt am Main: Eichborn 2000 Einband mit Fadenheftung 19,5 x 26 cm: 95 S. farbige Klappenkarten, zahlr. farb. Karten & Pläne, Ortsregister
Dieser Atlas erhielt in den beiden letzten Jahren zu Recht viel Aufmerksamkeit als nette und phantasievolle Kuriosität. Er ist unterhaltsam und ein hübsches Geschenk, mit dem man sich immer mal wieder ein paar Minuten beschäftigen kann. Ich war schon sehr verblüfft, als ich in meiner Bibliothek auf einen Vorläufer der »Erlebniswelten« stieß, der 1777 (!) erschien. Dieser Vorläufer sollte die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Fortschritt der damaligen Drucktechnik lenken.
István Ráth-Végh
beschreibt diesen Vorläufer in Die Komödie des Buches (Budapest 1967):
»1777 gab der bekannte Leipziger Drucker Johann Gottlob Immanuel Breitkopf
ein achseitiges Heft mit dem merkwürdigen Titel heraus: Das Reich der Liebe. Zweyter Landchartensatzversuch. Ich beginne die Erklärung beim Untertitel und gehe dann zum eigentlichen Titel über. Das Reich der Liebe ist eine Landkarte. Damals versuchte man in ganz Europa, Karten mit einer neuen Methode – mittels Handsatz – herzustellen. Auch Breitkopf stürzte sich auf das Problem, das seine Druckerphantasie erregen mußte. Als erster Versuch entstand eine Karte von der Gegend um Leipzig.
Der zweite Versuch mit derselben Technik war Das Reich der Liebe. Er entstand aus Anlaß einer Hochzeit, noch dazu innerhalb von drei Tagen. Offensichtlich war es Breitkopf darum zu tun gewesen, mit einem drucktechnischen Meisterstück zu brillieren – er wollte zeigen, was die Buchdruckerkunst leisten kann –, und dafür kam ihm die Hochzeit sehr gelegen. Wir wissen nicht, ob das Thema seiner eigenen Phantasie entsprang oder ob die Karte auf Bestellung ausgeführt wurde – das ist aber auch nicht wichtig.
… Der Reisende nimmt seinen Weg vom Land der Jugend aus. (Es genügt, die wichtigsten Stationen anzuführen.) Hier entfaltet die Stadt der Freuden ihre Pracht, beschützt durch die Burg der Sorglosigkeit; hier entspringt der Fluß der Wünsche, doch erhebt sich hier auch der Fels der Mahnungen. Nordwärts vom Land der Jugend liegt das Land der fixen Ideen. Seine Sehenswürdigkeiten sind die Stadt der Träume, der Wunschhain und die Burg der Unruhe. Begeben wir uns nach dem Westen, gelangen wir ins Land der Trauernden Liebe, eine düstere Gegend. Dort schimmern von fern die Bergketten der Hoffnungslosigkeit, dort klafft die Höhle der Seufzer, und das ist der Ort, wo der Fluß der Tränen entspringt, der schließlich in das Meer der Verzweiflung mündet. Auch das Land der Lüste ist ein gefährliches Gebiet. Hier lauern dem Pilger Krankheit und Tod auf, so daß es wünschenswert erscheint, daß er sich, noch ehe es zu spät ist, besinnt und über die Brücke der Hoffnung in das Land der glücklichen Liebe hinüberspaziert. Dort findet er dann alles, was seinen Appetit anregt, und noch manches andere. Die Städte dieses Landes heißen Gute Aussicht, Erhörung, Wahre Liebe, Zärtlichkeit usw. Auch hier gibt es Berge wie den Berg der Einwilligung; etwas südwestlich von ihm grünt der Lusthain; die ganze Gegend wird vom Fluß der Wonne durchströmt, und als Folge all dessen lächelt an der nördlichen Grenze dem Wallfahrer der Liebe die Stadt des Kindersegens zu. Bleibt noch das Land der Hagestolze. Dort gibt es Städte, deren Namen auf die Unannehmlichkeiten des einsamen Lebens hinweisen – schließlich kann der Reisende im Land der Ruhe rasten. Deren Hauptstadt ist der Großvaterstuhl, aber noch besser ruht es sich in der Schlafmützenstadt. Der Leser verzeihe die humorlosen Allegorien, und denke daran, daß die alberne Landkarte ein ernst zu nehmender Beweis für die Nützlichkeit einer neuen Erfindung war.«