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Balkonien
Spöttische Bezeichnung des Reiseziels, weil man nicht verreisen darf, kann oder will. Der Faszination des Reisens und den mannigfaltigen Lebensreisestilen wirken in der Gegenwart jedoch verschiedentliche Kräfte entgegen wie
- klimaschädliche Folgen mancher Reiseformen (Flugzeug, Verbrennungsmotoren)
- Kontaktbeschränkungen durch die Pandemie, coronaconformes Reisen
- Bedeutungsverlust durch die Globalisierung
Möglicherweise sind im Zusammenhang damit Phänomene zu erklären, die in neuerer Zeit vermehrt als immobile Weniger-Reisen-Reisestile begegnen, etwa:
- Flugscham
Nicht-Reisen als Wert
Das christliche Denken des Mittelalters lehnte die currendi libido ab; manch einem galt das Laufen als »böse, ansteckende Krankheit« 1). Die Neugier galt als Laster und als eitel galt, wer stolz seine Erlebnisse und Erfahrungen vortrug. Stattdessen galt die stabilitas loci als erste Regel in vielen Klöstern.
Auch im Zuge der Globalisierung verlor das Reisen-an-sich seinen Wert, obgleich sich die Masse der Reisebewegungen von Rekord zu Rekord steigerte. Diese Reisebewegungen sind jedoch in erster Linie der weltweiten Ökonomie geschuldet, denn:
- Der Tourismus dient der Erholung von der Arbeit.
- Multilokales Leben verteilt die Arbeit auf weit voneinander entfernte Lebensmittelpunkte.
- Mobile Freizeitgestaltung dient der Selbstoptimierung im Erwerbsleben.
Als Gegenpol dazu erscheint nicht mehr das Reisen, sondern der Rückzug in abgeschlossene Räume: Cocooning, Staycation, Home Office, Echokammern mit entsprechenden Verhaltensmustern wie Hikikomori, Autismus, Flugscham.
siehe auch
Reisestil
Liste der unübersetzbaren reiserelevanten Begriffe